„09. Architekturquartett NRW“: Kultur-Vermittlung mit Konsequenz

Gebäude, die Kultur vermitteln - das sind u.a. Museen, Bildungseinrichtungen und immer öfter auch Kirchen. In einer dieser (jetzt sakral und gleichzeitig weltlich genutzten) Kirchen fand am 5. März das „09. Architekturquartett NRW“ der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen statt: Die Essener Kreuzeskirche mit ihrem komplett neu gestalteten Innenraum war eine ausdrucksstarke Location für die vier Diskutanten: den Architekten Prof. Max Dudler, den Chefredakteur der Bauwelt, Boris Schade-Bünsow, Dr. Brigitte Franzen, Direktorin des Ludwig Forum für Internationale Kunst in Aachen sowie den Architekten und Stadtplaner Prof. Kunibert Wachten als Gesprächsleiter.

11. März 2015von Anette Kolkau/ros

Der völlig in Weiß gehaltene Raum der Kreuzeskirche wurde zum Architekturquartett mittels eines dezenten und dennoch effektiven Lichts inszeniert. Ganz in Blau getaucht waren Wände und Raum – eine einfache und dennoch eindrucksvolle Illumination, die vielen der Besucher in Erinnerung bleiben wird. Genauso wie die ungewöhnliche Geschichte des Baus, der nach dem Krieg wiederaufgebaut, 1994 noch einmal saniert und 2014 dann neu gestaltet (Hannemann Architekten) wurde. Ende vergangenen Jahres wurde er seinem erweiterten Zweck, sowohl Gotteshaus als auch Ort der Begegnung und kultureller Veranstaltungen zu sein, übergeben. Möglich gemacht haben das ein gemeinsames finanzielles Engagement und die Kooperation von Privatleuten, der evangelischen Kirche, der Stadt Essen und dem Land NRW.

Ohne Zweifel: Entstanden ist ein wertiger Anlaufpunkt für die bislang als Problemquartier geltende nördliche Essener Innenstadt. Den Podiumsgästen ging die Umgestaltung allerdings nicht weit genug. Prof. Max Dudler wünschte sich eine viel krassere Änderung: „Man hätte alles weiß machen müssen, Boden, Stühle, Mobiliar. Am besten die ganze Kirche auch von außen!“ Der Neuanfang, die Neuausrichtung des Baus wäre dann schlagkräftiger, deutlicher inszeniert gewesen. Kurzum: eine Großskulptur wäre entstanden. Überhaupt zweifelte das Fachpodium an, dass der Raum der Doppelnutzung – Gottesdienste und unterschiedlichste Kulturveranstaltungen – gerecht werden könne. Brigitte Franzen lobte die weiße, nutzungsneutrale Gestaltung, die dem Raum Offenheit und Flexibilität gebe. „Zu bedauern ist insgesamt im Bereich der Kulturbauten eine wachsende Dominanz ökonomischer Zwänge“, so die Museumsdirektorin. Prof. Kunibert Wachten zeigte sich angetan von der Umgestaltung der Kreuzeskirche. „Ich spüre ein Kribbeln, wenn ich hier im Altarraum sitze – der heute Abend einfach eine Bühne ist.“

Das zweite Projekt, dem sich das Podium widmete, war die im Dezember 2013 eingeweihte „Junior Uni“ in Wuppertal mit ihrem amöbenartigen Grundriss und ihrer mit bunten Streifenelementen verkleideten Fassade (Hans Christoph Goedeking und Josef Johannes Niedworok). Sie steht zeichenhaft optimistisch auf einem ehemaligen Brachgrundstück am Ufer der Wupper mit Blick auf die Schwebebahn im Stadtteil Barmen. Hier werden Seminare und außerschulische Bildungsveranstaltungen für junge Menschen im Alter von 4 - 20 Jahren angeboten. Auch im Inneren spielt Farbe eine Rolle: als Orientierungshilfe für die Besucher. „Ufo-artig fremd“ empfand Boris Schade-Bünsow das Gebäude an diesem Ort. Die Fassadengestaltung sei ihm zwar zu bunt geraten; der Chefredakteur der Bauwelt räumte aber ein, dass die bunte Fassade offensichtlich dazu beitrage, dass sich die Bürger angesprochen und die „Studenten“ sich wohl fühlten. Prof. Dudler zweifelte die Dauer dieses Effekts an: „In fünf Jahren redet keiner mehr von der Architektur dieses Bauwerks.“ Solch bunte Farbkonzepte seien ohne Kontinuität und anbiedernd. Für Brigitte Franzen war der Innenraum zu „durchdefiniert“. Kreativität brauche Gestaltungsfreiraum – Räume, die nicht eine jeweilige Tätigkeit oder Funktion vorschreiben.

Das neue Museum für Kunst und Kultur in Münster (Staab Architekten) war zum Abschluss Gegenstand der Diskussion des Architekturquartetts. Es entstand gegenüber dem historischen Museumstrakt und auf der Fläche des abgerissenen Neubaus aus den 1970er Jahren. Zur Lage in der Stadt: Das Bauwerk ist umgeben von zahlreichen anderen Kulturbauten und versucht, sich mit der Umgebung enger zu verzahnen. Das wird zum Beispiel mittels Durchführung eines Fußwegs durch das Erdgeschoss einer Gebäudespitze erreicht. Boris Schade-Bünsow beurteilte den Neubau als gut gelungen: „So kann man viele Besucher einfangen und Kunst sichtbar machen.“ Das Museum diffundiert in die Stadt: Das Erdgeschoss ist eine völlig öffentliche Fläche, die auch unabhängig von einem Museumsbesuch genutzt werden kann. Rundgänge um eine Folge von vier Höfen machen den Innenbereich des Museums aus, die unterschiedliche Farbgebung der Ausstellungsräume fällt - nach einem Konzept des Büros „SPACE4“ in Stuttgart - deutlich aus. Für Brigitte Franzen kam die Innenaufteilung „etwas gequält“ daher, die Raumzuschnitte seien „wundersam“. Die Farbgebung fungiere zweifellos als Gliederungshilfe und Muntermacher, die Wände insgesamt seien aber „oft zu schön“, um Kunst angemessen zu präsentieren. Für Prof. Max Dudler zeigte sich das neue Museum zu dominant: „Ein Museumsbau müsse der Kunst dienen, und Räume dürfen nicht zum Selbstzweck entwickelt werden.“

Kunibert Wachten verwies abschließend darauf, dass die drei diskutierten Werke in der Aufgabenstellung und Größenordnung sehr unterschiedlich zu bewerten seien. Die Junior Uni in Wuppertal und die Kreuzeskirche in Essen seien ganz oder zu einem großen Teil durch bürgerschaftliches Engagement zustande gekommen. „Dafür gebührt den Akteuren vor Ort hoher Respekt und große Anerkennung“, erklärte Wachten unter Applaus des Publikums.
Auch der Präsident der Architektenkammer NRW, Ernst Uhing, hob hervor, dass allen drei vorgestellten Bauwerken ein anspruchsvolles architektonisches Konzept und engagierte Projektpartner gemein seien. „Und alle drei Bauten dienen dem Austausch und der Kommunikation – auch das ist eine zunehmend zentrale Aufgabe moderner Architekturen für Kulturvermittlung.“

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