Blickpunkt: Quartiere lebenswerter machen

Als in den 1960er- und 70er Jahren viele Sozialwohnungen entstanden, galten Hochhäuser als zukunftsweisende Wohnform und als Lösung, den Bedarf an bezahlbaren Wohnungen zu decken. Heute zählen viele der damals entstandenen Hochhäuser zu den unattraktiven und wenig gefragten Wohnadressen. Das hat zum einen mit der oft uniformen Bauweise und auftretenden technischen Problemen zu tun. Zum anderen führt die hohe Zahl an Wohnungen in einem Gebäude zu einer stärkeren Anonymität als in kleineren Objekten. Der soziale Zusammenhalt wird schwieriger, oft leiden Sauberkeit und das Sicherheitsgefühl darunter. Solche Hochhäuser können negativ auf das ganze Quartier ausstrahlen. - In der sozialen Wohnraumförderung gab es deshalb schon in den 1980er Jahren eine Neuausrichtung hin zu kleineren Objekten. Der Fokus liegt heute auf der Schaffung preiswerten und modernen Mietwohnraums in Häusern mit gewöhnlich vier Vollgeschossen und nicht mehr als 25 Wohnungen. Zudem ist in den vergangenen Jahren die Quartiersentwicklung als eigener Förderbaustein eingeführt worden.

18. Juli 2017von Dietrich Suhlrie, Vorstandsmitglied der NRW.BANK

Das hat gute Gründe: Nicht allein die Wohnung entscheidet über gute Wohnqualität, sondern das Quartier mit seiner Infrastruktur und Aufenthaltsqualität. Quartiere spiegeln die Herausforderungen unserer Zeit wider: egal ob demografische Entwicklung, Strukturwandel, Wanderungsbewegungen, die Energiewende oder höhere Ansprüche an das Lebensumfeld. Ziel einer gelungenen Quartiersentwicklung ist, auf diese Herausforderungen adäquat zu reagieren und damit gute Wohnqualität in einem Wohnumfeld zu bieten, mit dem die Bewohner sich gerne identifizieren.
Ein gutes Beispiel, was soziale Wohnraumförderung bei der Quartiersentwicklung leisten kann, ist das „Parkquartier Königsborn“ in Unna. Wo bisher viele Menschen auf engem Raum in einem achtgeschossigen Hochhaus im typischen Stil der 1970er-Jahre lebten, entsteht bis 2019 ein moderner Wohnkomplex. Das abgewohnte Hochhaus zwischen Bahnhof und Stadthalle wurde schon lange nicht mehr heutigen Ansprüchen gerecht. Ein „grauer Riese“ mit unzähligen Klingelschildern, in dem viele der 109 Wohnungen seit längerem leer standen und bei dem eine energetische Sanierung nur unter einem Aufwand möglich gewesen wäre, der nicht vertretbar war.

Das Gebäude an der Potsdamer Straße ist ein Symbol für seine Zeit. Es reiht sich ein in das Quartier, in dem hochgeschossige Wohnhäuser mit bis zu acht Etagen einen großen Anteil an der Gesamtbebauung des stark verdichteten Quartiers haben. Trotz funktionierender Infrastruktur mit Nahversorgung und sozialen Einrichtungen besteht hier gegenüber anderen Stadtteilen ein erhöhter Handlungsbedarf. Das zeigen die Bevölkerungs- und Sozialdaten. So ist zum Beispiel der Anteil an Arbeitslosen und Personen in Bedarfsgemeinschaften hier höher als in anderen Vierteln Unnas. Die Weiterentwicklung des Quartiers beeinflusst damit auch die gesamtstädtische Entwicklung.

Bezahlbarer und generationengerechter Wohnraum
Seit April 2017 wird das alte Gebäude abgetragen. An gleicher Stelle werden drei neue Gebäude errichtet, die bezahlbaren und generationsgerechten Wohnraum für weit mehr als 150 Menschen bieten sollen. Mit dem Einsatz von Wohnraumfördermitteln im „Parkquartier Königsborn“ entsteht dort preisgebundener und moderner Wohnraum für Familien, Alleinstehende, Senioren und Menschen mit Behinderungen. Das Konzept sieht verschiedene Wohnformen vor und bildet dabei die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bewohner ab. In den drei Wohngebäuden mit jeweils vier beziehungsweise fünf Geschossen entstehen insgesamt 132 Wohnungen in unterschiedlichen Größen und Grundrissen, die alle mit einem Aufzug erreichbar sind. Jede Wohnung hat einen Balkon oder eine Loggia. Eine stationäre Pflegeeinrichtung mit 24 Plätzen und eine Tagespflege werden ebenfalls errichtet.

Im neuen „Parkquartier Königsborn“ können Menschen auch im Alter lange selbstbestimmt in ihrem vertrauten Umfeld wohnen bleiben – autark in ihren eigenen Wohnungen oder durch betreutes Wohnen, das sich durch ein integriertes Angebot an Dienstleistungen auszeichnet. Weitere Wohnmöglichkeiten bestehen in Form von Wohngruppen und Wohngemeinschaften, die sich an verschiedene Zielgruppen richten. 
Weil auch die Gestaltung der Freiflächen ein wichtiger Aspekt gelungener Quartiersentwicklung ist, nimmt das Neubauprojekt auch das bisher wenig gestaltete Wohnumfeld in den Blick. Grüne Höfe sollen zwischen den drei Gebäuden und den Nachbarhäusern entstehen. Darüber hinaus wird es ein Café mit Außengastronomie geben sowie einen Quartiersplatz – ein generationenübergreifender Treffpunkt für Bewohner und Nachbarn. Finanziert wird das „Parkquartier Königsborn“ mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung. Das Investitionsvolumen beträgt rund 21,2 Millionen Euro. Das nordrhein-westfälische Bauministerium stellt hierfür über die NRW.BANK Wohnraumfördermittel in Höhe von 14,7 Millionen Euro mit Tilgungsnachlässen in Höhe von etwa 2,5 Millionen Euro bereit.

Rückbau eines Hochhauses
Auch der Rückbau eines Hochhauses kann ein Quartier aufwerten. In Mülheim an der Ruhr ist ein achtstöckiges Wohnhochhaus auf vier Etagen zurückgebaut und damit das ganze Quartier aufgewertet worden. Der „Betonklotz“ aus dem Baujahr 1967 war sichtlich abgewohnt, hatte eine veraltete Haustechnik und Versorgungsleitungen.  Hinzu kamen hohe Heizkosten durch unzureichende Wärme- und Fassadendämmung und Aufzüge, die lediglich in den Zwischengeschossen hielten. Die Leerstandsquote mit bis zu 27,1 Prozent war sehr hoch.
Mit dem Rückbau verfolgte die SWB-Service-Wohnungsvermietungs- und -baugesellschaft mbH das Ziel, das Gebäude in einen zeitgemäßen optischen wie technischen Zustand zu bringen, das Quartier aufzuwerten und die langfristige Vermietbarkeit des Objekts sicherzustellen. Rund anderthalb Jahre dauerten Rückbau und Modernisierungsmaßnahmen. Im Jahr 2014 konnten die Mieter – darunter auch etliche vormalige Bewohner – in das sofort voll vermietete Gebäude einziehen. Durch den Rückbau wurde die Zahl der Wohnungen von 96 auf 48 Wohneinheiten mit zeitgemäßen Grundrissen für unterschiedliche Zielgruppen verringert. Die neuen Wohnungen sind seniorengerecht und barrierefrei und haben einen Balkon. Moderne Gebäudetechnik und Energieversorgung sorgen dafür, dass der EnEV-Standard 2009 erreicht wird. Finanzielle Unterstützung für das Modernisierungsprojekt bekam die SWB von der Wohnraumförderung der NRW.BANK.

Fördersumme auf 1,06 Mrd. Euro verdoppelt
Die Wohnraumförderung in Nordrhein-Westfalen ist ein wichtiges Instrument der Quartiersentwicklung. Sie unterstützt wohnungswirtschaftliche Investitionen, die der Modernisierung, dem Umbau und der Neuentwicklung von Wohnquartieren dienen. Das Förderangebot erstreckt sich dabei auch auf Maßnahmen, mit denen die Infrastruktur und das Wohnumfeld verbessert werden, damit das Quartier insgesamt für alle Generationen attraktiv ist.
Als Förderbank für Nordrhein-Westfalen bietet die NRW.BANK ein breites Spektrum an Förderangeboten für Investoren, um preisgünstige Wohnungen zu schaffen und Quartiere aufzuwerten. Die Nachfrage nach Mitteln aus dem Wohnraumförderungsprogramm hat dabei 2016 deutlich zugenommen. Private Investoren und Wohnungsbauunternehmer fokussierten sich verstärkt auf den Neubau von sozialem Wohnraum, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Insgesamt finanzierte die NRW.BANK im Jahr 2016 in der sozialen Wohnraumförderung 1,06 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von 58,5 Prozent.
Sozialer Wohnungsbau ist aufgrund der guten Förderbedingungen lukrativ. Investoren, die bezahlbare Wohnungen errichten, erhalten hohe Tilgungsnachlässe, die teilweise als Eigenkapital angerechnet werden können. Um die Wohnungsbauoffensive des Landes zu unterstützen und Investoren attraktive Finanzierungen zu bieten, hat die NRW.BANK verschiedene Förderdarlehen im Angebot, die ganz nach den Bedürfnissen der Bauherren flexibel und individuell ausgestaltet werden können. Um die Einsatzmöglichkeiten noch zu erweitern, können bei Projekten im sozialen Wohnungsbau mehrere Förderschwerpunkte vereint werden. Damit wird die Schaffung von sozialem Wohnraum attraktiv, modern, flexibel und rentabel.   

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