Fachtagung: Wettbewerbe und Öffentlichkeit

Vielerorts wird heute beklagt, dass die gesetzlich vorgeschriebene formelle Beteiligung der Öffentlichkeit in Planungsverfahren für Projekte des Städtebaus und der Architektur nicht mehr ausreicht. Aber auch informelle Verfahren der Bürgerbeteiligung werden oftmals kritisch gesehen.“ Mit diesem Problemaufriss begrüßte AKNW-Präsident Ernst Uhing am 24. November über 80 Architektinnen und Architekten, Stadtplaner und Landschaftsarchitekten zu einem spannenden Fachgespräch im „Haus der Architekten“. Die Teilnehmer bekamen vielfältige Vorträge geboten, in denen aktuelle Fragen der Bürgerbeteiligung erörtert wurden.

29. November 2016von Jan Schüsseler

Welche Rolle können Bürgerinnen und Bürger bei der Beurteilung von Planungsergebnissen spielen? Welche Beteiligungsmodelle müssen hierzu entwickelt werden? Wo liegen Grenzen der öffentlichen Partizipation an Planungswettbewerben? Jochen König, AKNW-Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Ausschusses „Wettbewerbs- und Vergabewesen“ der Architektenkammer, führte in das Thema ein. „In Zeiten, in denen Intransparenz und Populismus die politische Debatte beherrschen, ist die umfassende Beteiligung der Bürger von besonderer Bedeutung“, so König. Er bedauerte, dass die EU-Dienstleistungsrichtlinie als Grundlage des deutschen Vergaberechts die Anonymität in Wettbewerben fordere und kooperative Verfahren ausschließe. „Werkstattverfahren im Sinne von Mehrfachbeauftragungen sind denkbare Alternativen, doch leider werden die im Rahmen dieser Verfahren erbrachten Leistungen oftmals nicht angemessen honoriert“, bemängelte Jochen König.

Frage der Berufsethik

Er wies auf die berufsrechtliche Verpflichtung von Architektinnen und Architekten hin, sich nur an geregelten Wettbewerben zu beteiligen. „Wir brauchen eine neue Berufsethik“, konstatierte König und regte eine breite Debatte über öffentliche Planungskonkurrenzen an. Auch die neue Dezernentin für Planen, Bauen und Liegenschaften der Landeshauptstadt Düsseldorf, Cornelia Zuschke, setzte sich für die Durchsetzung ethischer Grundsätze in der Stadtentwicklung ein. Mit Verweis auf die Prinzipien der repräsentativen Demokratie hob sie allerdings hervor: „Bürgerbeteiligung ist nicht immer die große Öffentlichkeit.“

Kreativer Umgang mit Wettbewerben?

Zuschke warb für einen kreativen Umgang mit Wettbewerbsgrundsätzen und vergaberechtlichen Bestimmungen im Sinne optimaler Planungsergebnisse. „Wir alle dienen dem Ort und seiner Entwicklung“, so ihr Credo. Aus ihrer früheren Tätigkeit als Planungsdezernentin in Darmstadt zeigte Cornelia Zuschke den in einem aufwändigen Beteiligungsprozess entwickelten Masterplan Darmstadt und zahlreiche überzeugende Bauprojekte, die als Ergebnis konkurrierender Verfahren in Abstimmung mit der hessischen Architektenkammer entstanden waren. Für ihre Tätigkeit in Düsseldorf kündigte Zuschke an, die intern „Instrumentenkasten der Qualitätssicherung“ genannte Verfahrensvielfalt bei der Vergabe von Planungsleistungen weiterzuentwickeln. „Dabei werden wir auch die Öffentlichkeit beteiligen“, stellte Zuschke dar. „Architekten kommen gut bei den Bürgern an und werden als Übersetzer ihrer Bedürfnisse wahrgenommen!“

Juristische Wege und Grenzen

Dr. Florian Hartmann, Rechtsanwalt und Justiziar der Architektenkammer NRW, widmete sich der im April 2016 in Kraft getretenen Vergabeverordnung als Rechtsgrundlage der Vergabe von Planungsleistungen öffentlicher Auftraggeber oberhalb der EU-Schwellenwerte. „Bürgerbeteiligung in Wettbewerben öffentlicher Auftraggeber ist ein schwieriges Kapitel, denn Vergaberecht und Öffentlichkeit schließen sich grundsätzlich aus“, betonte Dr. Hartmann. Anhand eines Urteils des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Jahr 2008 wies er allerdings darauf hin, dass massive Kritik von Bürgern an Preisgerichtsentscheidungen im Einzelfall zu einer Neubewertung führen kann. Der Justiziar der AKNW und Fachanwalt mahnte zur strikten Einhaltung des Vergaberechts, da es im Fall von Einsprüchen aufgrund der unterbesetzten Vergabekammern in Nordrhein-Westfalen zu erheblichen Verzögerungen bei Bauprojekten kommen könne. Als eine gute Möglichkeit der Öffentlichkeitsbeteiligung stellte Dr. Hartmann die Einbeziehung von Bürgern in die Vorbereitung von Wettbewerben dar. „Öffentlichkeitsbeteiligung muss in erster Linie auf Bauherrenseite stattfinden“, so Dr. Hartmann. Die lebhafte Diskussion der Ausführungen verdeutlichte die Aktualität des Themas.

Einbinden heißt Mitnehmen

Prof. Hartmut Welters und Ellen Wiewelhove aus dem Dortmunder Büro Post & Welters können auf eine Vielzahl betreuter Wettbewerbsverfahren zurückblicken. Sie stellten die Verfahren für zwei Dorfgemeinschaftshäuser in Olfen und im Bad Berleburger Stadtteil Arfeld sowie der Neugestaltung des Harkortseeufers in Wetter/Ruhr vor. In allen drei Fällen wurden die Bürger in die Planung eingebunden. „In vorgeschalteten Planungswerkstätten konnten Bürger selbst Ideen für die Promenade am Harkortsee entwickeln, die im Kolloquium dann den teilnehmenden Landschaftsarchitekten vorgelegt wurden“, erläuterte Ellen Wiewelhove. Im Wettbewerb zum Umbau des Leohauses in Olfen erfolgte ein öffentliches Kolloquium, und dem Preisgericht gehörten Mitglieder der Bürgerstiftung an. Im Wettbewerb zum Neubau des „Zentrum Via Adrina“ genannten Bürgerhauses in Arfeld wurden interessierten Bürgern die Beiträge durch Post & Welters vor der Jurysitzung vorgestellt. Ausgewählte Bürger erhielten außerdem die Möglichkeit, als Berater an der Preisgerichtssitzung teilzunehmen. „Durch die intensive Einbindung der Bürger konnten zwei qualitätvolle Arbeiten, die zunächst auf Ablehnung gestoßen waren, mit Preisen ausgezeichnet werden“, freute sich Prof. Welters.

Wertschätzung der Bürger gewinnen

Den Wettbewerb zum Neubau des städtischen Bildungshauses Wolfsburg stellte Julia Leusmann von der „Stabsstelle für Sonderplanungen und Projektsteuerung“ der Stadt Wolfsburg vor. „Das komplexe Funktionsprogramm des Gebäudes konnte nur mit Fachleuten entwickelt werden“, erläuterte Leusmann, „doch die Bürger wurden durch intensive Pressearbeit, Bewerbung des Projekts in den Medien und im Außenbereich sowie durch Aktionen in Schulen frühzeitig eingebunden.“ Vor der Preisgerichtssitzung konnten Bürgerinnen und Bürger die Beiträge unter Aufsicht besichtigen und kommentieren. Die Kommentare wurden dem Preisgericht zur Kenntnis gegeben. „Wir konnten feststellen, dass die Bürger Pläne nicht immer lesen und durch Renderings fehlgeleitet werden können; aber anhand der Modelle war ihnen eine Beurteilung ‚aus dem Bauch heraus‘ möglich“, erzählte Leusmann und zeigte eine Videopräsentation der Bürgerbeteiligung. Und sie ergänzte: „Die Wertschätzung der Bürger gegenüber den Leistungen der Architekten war enorm. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass diese die Wettbewerbsbeiträge ohne Honorar erbracht haben.“ Leusmann verschwieg nicht die hohen Kosten des Verfahrens, beurteilte die Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung jedoch insgesamt positiv. Der Wettbewerb zum Neubau eines Gymnasiums soll in Kürze in gleicher Weise ausgelobt werden. Julia Leusmanns Fazit lautete: „Wir müssen lernen, mit den Bürgern über Architektur zu sprechen!“

Vorträge

Teilen via