Förderpreis der Stiftung: „Die Qualität des Alltäglichen in den Ritualen des Wohnens“

Im April dieses Jahres hat die Stiftung Deutscher Architekten die Förderpreise 2016 verliehen. Die unabhängige Jury unter Vorsitz von Roland Bondzio vergab drei Förderpreise an besonders talentierte Absolventinnen und Absolventen der NRW-Architekturstudiengänge. Einen Förderpreis erhielt Li Lin für die Arbeit „Die Ewigkeit und ein Tag“, die von Prof. Anne-Julchen Bernhardt von der RWTH Aachen vorgeschlagen worden war.

18. Mai 2017von Interview: Vera Anton-Lappeneit

Frau Lin, Sie haben sich in Ihrer Masterthesis mit den Ritualen des Wohnens, den einfachen Alltagsbildern und der darin zu findenden Poesie befasst. Herausgekommen ist ein Entwurf, der die Jury in seiner Systematik, Sinnlichkeit und Einfachheit überzeugt hat. Wieso habe sie sich das Thema Wohnen zur Aufgabe gemacht?

Wenn ich an Architektur denke, stelle ich mir immer die Frage: Warum baut man überhaupt? Ich würde vermuten, dass man in einem gebauten Raum Zuflucht und eigenes Wohnen findet. Dann führt die Frage weiter zu einem Archetypus: Wohnhaus, oder zu einem Verb: wohnen. Mit dieser grundlegenden architektonischen Problematik wollte ich mich gerne in meinem letzten Studentenprojekt beschäftigen.

Darüber hinaus habe ich unglaublich viele architektonische Erlebnisse und Erfahrungen aus dem Alltagswohnen gesammelt, die ich für das Architekturschaffen aufgreifen und studieren musste.

Glauben sie, dass die traditionellen Wohnformen auch vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen Bestand haben oder denken Sie, dass neue Konzepte und Strukturen entstehen müssen?

Die Formen des Wohnens sind ein Erscheinungsbild des Gesellschaftszustandes. Mit der Zeit verändern Sie sich immer weiter. Allerdings bleibt das Wohnen an sich fast gleich wie vor tausenden Jahren. Das ist eben der Reiz dieses Begriffs. Unser Alltag und unsere Geschichte verbinden sich durch das Wohnen miteinander. So ist Wohnen auch Erinnern, so kann ein Tag auch ewig sein. 

Sie sind in China geboren und haben das Bachelorstudium auch in China absolviert. Gibt es signifikante Unterschiede zu der Ausbildung in China?

In China habe ich während meines Bachelorstudiums die Grundlagen der Architektur erlernt. Das Studium ist hier relativ streng strukturiert und praxisorientiert. An der RWTH Aachen ist mir aufgefallen, dass das Studium der Architektur sehr vielfältig ist. Zum einen werden die Semesterprojekte mit verschiedenen Schwerpunkten von sehr unterschiedlichen Lehrstühlen ausgegeben. Zum anderen hat man neben dem Semesterprojekt auch viele Möglichkeiten sich in Richtungen wie Kunst, Theorie, Geschichte, Selbstbau usw. zu entwickeln. Ich habe Vieles dazu gelernt und das auch genossen.

Was sind Ihre beruflichen Ziele?

Durch die Masterarbeit ist mir bewusst geworden, dass persönliche Erkenntnisse und Erfahrungen beim Architekturschaffen eine sehr wichtige Rolle spielen. Deshalb würde ich gerne diese große Welt und mich selbst weiter und besser kennenlernen, um meinen Traum zu realisieren: Raum zu schaffen, in dem man gerne schlendert, träumt, staunt, lacht, sich freut und zufällig die Poesie des Alltags entdeckt. Raum zu schaffen, der immer noch schön bleibt, auch wenn er in einem Tag zu einer alten Ruine wird. Das ist mein Traum von Räumen.

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