Kommentar: Eine Bauordnung für mehr Wohnungen

Ein Kommentar von AKNW-Vizepräsident Dr. Christian Schramm über das Moratorium der Landesbauordnung NRW.

15. November 2017

Liebe Kollegin,
lieber Kollege, 

um es gleich klarzustellen: Das Moratorium, mit dem die neue Landesregierung die Novellierung der Landesbauordnung NRW für ein Jahr aufgeschoben hat, ist gut und zielführend!

Ich sage das so deutlich, weil die Architektenkammer in den letzten Wochen immer wieder von Mitgliedern gefragt wurde, was denn nun gilt und ob Regelungen, die in der Ende 2016 novellierten Landesbauordnung vorgesehen waren, möglicherweise angewendet werden können. Dazu hat das NRW-Bauministerium einen Fragenkatalog veröffentlicht, der hier Auskunft gibt. Wir haben die FAQs an prominenter Stelle auf unsere Homepage gesetzt, damit für Sie zum Jahreswechsel keine Fragen offenbleiben.

Das Anliegen, das wir mit dem Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung teilen, ist, das Planen und Bauen in Nordrhein-Westfalen möglichst zu vereinfachen, Baukosten zu senken und damit insbesondere den Wohnungsbau weiter anzukurbeln. Dazu müssen die Anforderungen des Wohnungsmarktes ernst genommen werden. Und als Architekt, der seit mehr als 30 Jahren Wohnungen im Ruhrgebiet und darüber hinaus realisiert, meine ich: Das Thema muss auch mit einem gesunden Pragmatismus behandelt werden.

Ich denke dabei insbesondere an die Frage der sogenannten "R-Quote", die nach der jüngsten Anhörung im Landtag zu diesem Thema am 10. November auch in den Medien erneut kontrovers diskutiert wurde. Wir sagen: Barrierefreiheit "Ja". Das ist völlig unstrittig, mit Blick auf die demografische Entwicklung sinnvoll und durch entsprechende gesetzliche Vorgaben ja auch zum Standard geworden. Es spricht für die Qualität der Planung in Deutschland, dass wir hier im Neubaubereich ein hohes Niveau erreicht haben.

Wir sagen aber "Nein" zu einer starren und bedarfsunabhängigen, landesweiten Quote für Wohnungen, die auch mit Großrollstühlen befahrbar seien sollen. Ich bin froh, dass die neue nordrhein-westfälische Bauministerin Ina Scharrenbach unsere Argumente in dieser Frage ernst genommen hat. Argumente, die wir mit der Wohnungs-, Immobilien- und der Bauwirtschaft teilen. Das Hauptargument lautet: Der Markt fragt diesen Typ Wohnung nicht in so großer Zahl und nicht an allen Orten in unserem Land nach. Ich habe selber Wohnungen in diesem ausgeweiteten Standard gebaut und erlebt, dass Mieter, die auf den Rollstuhl angewiesen waren, dennoch lieber in die übliche Barrierefrei-Wohnung ziehen wollten. Weil hier die Grundrisse attraktiver waren, und weil die Wohnungen kleiner und damit günstiger ausfielen.

Die Novellierung unserer Landesbauordnung ist eine komplexe Materie, in der viele Detailfragen zu klären sind. Was wir für unabdingbar halten, ist ein verbessertes Abstandflächenrecht; eines, das in der Praxis handhabbar ist und den Herausforderungen der Zeit gerecht wird. Manches lässt sich dabei aus der Musterbauordnung übernehmen, um mehr Verdichtung zu ermöglichen. Ich nenne nur die Tiefe der Abstandsflächen, die im Wohnungsbau nach Musterbauordnung 0,4 H beträgt, mindestens drei Meter. Das würde uns schon sehr helfen, um gerade in den verdichteten Ballungsräumen an Rhein und Ruhr mehr Wohnungsbau zu ermöglichen.

Das Moratorium der Landesregierung gibt den (oftmals neu in ihre Ämter gewählten) politisch Verantwortlichen die Zeit, Argumente abzuwägen und den Rat der Fachleute zu hören. Wir alle sind aufgefordert, unsere Erfahrungen aus der Praxis in den politischen Prozess einzuspeisen. Die Architektenkammer NRW jedenfalls kämpft weiter darum, dass die künftige BauO NW eine Landesbauordnung für mehr Wohnungsbau im Lande wird.

Es grüßt Sie Ihr

Dr. Christian Schramm
Vizepräsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
schramm@aknw.de 

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