Kommentar: Hinter den Kulissen

AKNW-Vizepräsident Dr. Christian Schramm erläutert in seinem Kommentar, wie die Architektenkammer NRW den Architekten und Planern im Lande bei Politik und Verwaltung Gehör verschafft.

14. März 2018

Liebe Kollegin,

lieber Kollege!

sagt Ihnen das Stichwort „Gebietskulisse“ etwas? Falls Sie im geförderten Wohnungsbau tätig sind, dann wissen Sie, worum es geht. Aber auch für alle anderen Planerinnen und Planer ist das ein spannendes Thema, weil es zeigt, wie schwierig es oftmals ist, Förderprogramme zu entwickeln, die allen Anforderungen gerecht werden und die in der Praxis tatsächlich den gewünschten Erfolg zeitigen.

Worum also geht es? Die Landesregierung hat im Rahmen der NRW-Wohnraumförderung eine Aktualisierung der Gebietskulissen vorgenommen. Diese legen u.a. fest, wie viel Miete ein Investor im Bereich des geförderten Wohnungsbaus später von seinem Mieter verlangen darf. Dieser Wert lag bisher beispielsweise in Köln deutlich höher als im Ruhrgebiet; die Metropole Ruhr wurde bisher – fördertechnisch – als einheitlicher Raum betrachtet.

Nun hat die Landesregierung entschieden, die Förderung zielgenauer auszurichten; dazu wird in einem Gutachten empfohlen, „kommunal-scharf“ zu unterscheiden. Meine Heimatstadt Gelsenkirchen wird dabei als Kommune eingestuft, die einen entspannten Wohnungsmarkt aufweist und deshalb künftig ein Mietniveau im geförderten Wohnungsbau ansetzen müsse, das mehr als einen Euro pro Quadratmeter unter dem Niveau der Nachbarstadt Essen liegen würde. Wenn man GE-Schalke mit E-Rüttenscheid vergleicht, würde das passen. Wenn Sie aber in GE-Ückendorf oder E-Katernberg bauen, gibt es keinen Unterschied. Ich habe in den vergangenen 30 Jahren mit meinem Büro viele Projekte im geförderten Wohnungsbau realisiert und weiß, wovon ich rede. 

In einer Anhörung vor dem Landtagsausschuss „Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung“ habe ich vor einigen Wochen auf diese Diskrepanz hingewiesen, die sich auch an den kommunalen Grenzen weiterer Städte zeigt. Diese Einwände, die auch von den betroffenen Kommunen im Revier erhoben werden, werden nun insofern zunächst berücksichtigt, als dass eine zweijährige Übergangsfrist zumindest für die Mieten vorgesehen ist. Das verschafft den beteiligten Akteuren zumindest etwas Luft, sich umzustellen oder politisch weiter Argumente vorzubringen. Bedauerlicherweise gibt es für die Neuordnung der Gebietskulissen keine Übergangsfrist, was zu einem Rückgang der Investitionen in den betroffen Kommunen führen wird.

Es zeigt sich einmal mehr, wie wichtig es ist, dass Politik und Verwaltung bei der Novellierung rechtlicher Rahmenbedingungen ihre Konzepte mit den Praxiserfahrungen der betroffenen Berufsgruppen und Disziplinen abgleichen. Auch in der laufenden Novellierung unserer nordrhein-westfälischen Landesbauordnung hat sich das in verschiedenen Detailfragen mehrfach bestätigt. Theorie und Praxis – dieses Paar gilt es bei allen Novellierungsvorhaben immer wieder harmonisch zusammenzubringen. Wir plädieren in unseren Stellungnahmen immer wieder für einen gewissen Pragmatismus in der Wohnungsbauförderung und für das Landesbaurecht. Ich bin froh, dass diese Haltung und das Erfahrungswissen der nordrhein-westfälischen Architektinnen und Architekten seitens der politisch Verantwortlichen im Landtag und in der Landesregierung geschätzt werden. Die anstehende Novellierung der Landesbauordnung greift viele unserer fachlichen Empfehlungen auf – beim Verzicht auf die sogenannte R-Quote, in der Verbesserung des Abstandflächenrechts, mit einer vernünftigen Fristsetzung für Baugenehmigungsverfahren und an vielen weiteren Stellen. Unser Bauministerium will nun ein Baurecht gestalten, mit dem das Planen und Bauen in NRW deutlich einfacher und die Arbeit effizienter werden wird.

Unsere Stellungnahmen und Positionierungen finden übrigens nicht im Verborgenen statt, sondern in öffentlichen Beratungen des Landtags und in Veröffentlichungen, die Sie auf unserer Homepage unter „Aktuell/Berufspolitik“ nachlesen können. Dass diese öffentlichen Stellungnahmen „hinter den Kulissen“ durch zahllose persönliche Gespräche mit Abgeordneten, Ministern, Staatssekretären und vielen weiteren Verantwortlichen in der Legislative und der Exekutive begleitet werden, versteht sich von selbst. Ich vermute, dass auch viele Gespräche und Praxisberichte unserer Kammermitglieder überall in den Regionen unseres Bundeslandes mit ihren örtlichen Abgeordneten dazu beigetragen haben, dass im Sommer dieses Jahres eine novellierte, bessere Bauordnung für Nordrhein-Westfalen bekommen werden.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr

Christian Schramm

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