Städtebau nach der Braunkohle

Wie auch immer die politische Zukunft der Braunkohlenutzung in Nordrhein-Westfalen entschieden wird, eines machten die Vorträge auf der „Kammer vor Ort“-Veranstaltung der AKNW am 9. November 2017 in Bedburg klar: Aus Sicht der Landschaftsplanung und des Städtebaus müssen verlässliche Planungshorizonte über mehrere Jahrzehnte gegeben sein. „Für uns als RWE laufen die meisten Konzepte bis zum Jahr 2040“, erläuterte Architekt und Stadtplaner Erik Schöddert, Leiter der Planungsabteilung bei der RWE Power AG. „Die Braunkohlenutzung ist nicht nur politisch und mit Blick auf die Arbeitsplätze im Rheinischen Revier eine der zentralen Fragen für unser Bundesland, sondern auch städtebaulich“, unterstrich auch der Präsident der Architektenkammer NRW, Ernst Uhing, in seiner Einführung.

16. November 2017von Christof Rose

Mit seinen 25 000 Einwohnern liegt Bedburg zwischen den Tagebauen Hambach und Garzweiler; eine ländliche Gemeinde, die schon lange durch den Braunkohletagebau und die Rekultivierung bereits ausgebaggerter Flächen geprägt ist. „Unsere Stadt wächst seit einigen Jahren wieder“, freute sich Bürgermeister Sascha Solbach. Mit neuen Einwohnern sei auch der Optimismus in die Stadt zurückgekehrt. „Wir sind eine attraktive Stadt; deshalb legen wir großen Wert auf Stadtgestaltung und Bauqualität“, betonte Bedburgs Bürgermeister.

Damit war die Veranstaltung im Schloss Bedburg, zu der rund 100 Interessierte gekommen waren, bei ihrem Thema angelangt. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen lädt mit der „Kammer vor Ort“-Reihe Mitglieder und Bürgerinnen und Bürger stets zu einem Austausch über regionale Baukultur und aktuelle Fragestellungen der jeweiligen Stadt- und Regionalentwicklung ein. Ein Format, das gerade in den ländlichen Regionen unseres Bundeslandes auf breites Interesse stößt.

Erik Schöddert stellte in Bedburg die Erfahrungen von RWE Power (früher: Rheinbraun) mit der Umsiedlung von Dörfern und der Rekultivierung ausgekohlter Landschaften vor. RWE Power beschäftige 135 Fachleute, die für die Region planen. Man tue dies mit großer Verantwortung, unterstrich der Architekt und Stadtplaner: Bislang mussten mehr als 40 Dörfer umgesiedelt werden, rund 40 000 Menschen seien unmittelbar betroffen gewesen. „Das ist weitgehend geräuschlos verlaufen, weil wir die Bürger intensiv an den Planungen der neuen Ortschaften beteiligt haben“, erläuterte Schöddert. Nach etwa einer Generation sei die Umsiedlung in der Regel verarbeitet, oft entfalle dann die Vorsilbe „Neu-...“ im Ortsnamen. In Jüchen erziele der Umsiedlungsstandort heute die höchsten Grundstückspreise.

Ein Einzelbeispiel für die Herausforderungen, welche die Umsiedlung ganzer Ortschaften mit sich bringt, stellte Innenarchitekt Johannes Klomp aus Erkelenz-Immerath vor. Sein Büro hatte „St. Lambertus Immerath“ neu erbaut; eines der wenigen Beispiele für den Neubau einer christlichen Kirche. „Wir haben nur wenige Figuren als Erinnerungsstücke mitgenommen“, erklärte Klomp. Der Neubau bedeute auch einen Neuanfang für die Gemeinde. Der Kirchenraum wurde deutlich kleiner gestaltet als im früheren „Immenrather Dom“, Gemeinderäume in das Bauwerk integriert. „Wichtig war uns die enge Abstimmung mit der Gemeinde“, betonte Johannes Klomp. „St. Lambertus neu“ verstehe sich als Sakralraum, aber auch als Ort der Begegnung und der Gemeinschaft.

Auch Prof. Rolf-Egon Westerheide warb in seinem Vortrag dafür, die politisch-gesellschaftlich vereinbarten Umstrukturierungen als Chance zu begreifen. „Die Orte hier sind intakt; wenn wir die Bürger einbinden, erzielen wir Umsiedlungsquoten von bis zu 85 %“, schilderte Westerheide seine Erfahrung, die er selbst als fachlicher Begleiter solcher Prozesse mehrfach habe machen können. „Was hier geschieht, ist Planung für die Enkel“, brachte er die Herausforderung auf den Punkt. Die geplante Flutung der riesigen Braunkohlelöcher werde - nach heutigem Stand - wohl erst um 2080 abgeschlossen sein.

Mit einer Ausnahme, so Erik Schöddert: Der neue See, der im Abbaugebiet Inden nördlich der A4 entstehen soll, soll bis 2030 gefüllt sein. „Eines der wenigen Großprojekte, das viele von uns hoffentlich noch erleben werden.“



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