Streitbare Architektin und Bewahrerin - Retrospektive: Maria Schwarz

Maria Schwarz ist tot. Der Verlust ist für alle Kolleginnen, Kollegen und Freunde, die sie kannten, schmerzlich. In einer von Männern dominierten Zeit in der Architektur hat sie sich einen Namen im Sakralbau gemacht. Voller Tatendrang agierte sie bis zu ihrem Lebensende. Neugierig und agil blieb sie bis hohe Alter von 97 Jahren.

07. März 2018von Agatha Buslei-Wuppermann

Maria Schwarz (geb. Lang) kam am 3. Oktober 1921 in Aachen zur Welt. Geprägt durch ein handwerklich-künstlerisches Elternhaus, studierte sie ebenso wie ihre beiden Geschwister Architektur an der Technischen Hochschule in Aachen. Otto Gruber, René von Schöfer und Hans Schwippert waren ihre Lehrer. Nach Abschluss ihres Studiums im Jahre 1943 war die junge Diplomingenieurin ab 1946 zunächst als Mitarbeiterin von Schöfer und Schwippert an den Wiederaufbauplänen von Aachen und Jülich beteiligt. 1949 wechselte sie als Architektin zur Wiederaufbaugesellschaft nach Köln, wo sie unter der Leitung von Rudolf Schwarz, Fritz Schaller und Gottfried Böhm an der Umsetzung des Generalplans für das zerstörte Köln arbeitete.

"Eine unverzichtbare Partnerin für Rudolf Schwarz"

Nach zwei Jahren heiratete sie Rudolf Schwarz. "Für Rudolf Schwarz kam die von Anton Wendling empfohlene Maria Lang gerade recht. Wie so oft war es ihre stimulierende, kein Blatt vor den Mund nehmende Art, welche die besondere Aufmerksamkeit ihres Gegenübers weckte. Es entstand ein ‚Frech zu Frech auf Augenhöhe‘. Als Rudolf Schwarz dann endlich den faszinierenden Frosch zu küssen wagte, verwandelte sich dieser in eine unverzichtbare Partnerin, überaus sensibel für die Unversehrtheit von Räumen und für die passende Fügung von Details", schrieb Karl Josef Bollerbeck 2016.

Wohnhaus mit "Hintertür"

In Köln-Müngersdorf baute das frischvermählte Paar 1954-56 ein bescheidenes Wohn- und Atelierhaus am Ende eines großen Grundstücks. Der unscheinbare Flachbau bestand aus einem Verbund von Backsteinen mit vorgeformten Betonteilen. Der Grundriss war so angelegt, dass der Architekt bei unangenehmen Bauherren auch schon einmal leicht und unbehelligt aus dem Atelier durch die Hintertür aufs freie Feld verschwinden konnte.

Schwarz & Schwarz: Symbiose zweier Architekten

Nach dem frühen Tod ihres Ehemannes übernahm Maria Schwarz 1961 die Büros in Köln und Frankfurt und widmete sich bis 1967 vor allem der Fertigstellung seiner geplanten und unvollendeten Bauwerke. Die Symbiose zweier Architekten hätte nicht enger sein können. Aus ersten Vorentwürfen, winzigen Ideenskizzen oder kleinen Perspektivzeichnungen entstanden zehn Kirchen ganz im baumeisterlichen Sinne von Rudolf Schwarz. Kein Weg war ihr zu weit, wenn es um die Realisierung ihrer Pläne ging. Im Sommer 1964 wurde sie von Lorenz Jaeger, Erzbischof von Paderborn, in Rom empfangen. Sie erreichte vor Ort die Unterzeichnung der von ihr ausgearbeiteten Baupläne für die Kirche Hl. Kreuz in Soest (1964-67), die ihr Mann im Format einer Streichholzschachtel hinterlassen hatte. Die feierliche Einweihung erfolgte im September 1967.

Schwerpunkt: Kirchen

In den 1960er Jahren waren Frauen in der Architektur rar und im Kirchenbau noch völlig undenkbar. Das Büro arbeitete unter dem Namen "Schwarz und Partner", und Maria Schwarz unterschrieb die Pläne einfach mit "Schwarz". Seit 1992 arbeitete sie unermüdlich mit zwei weiteren selbstständigen Architektinnen. Schwerpunkte ihrer Arbeit lagen seither auf Umgestaltungs- und Renovierungsarbeiten von Kirchen. Von 1986 bis 1988 leitete Maria Schwarz die Renovierungsarbeiten der Paulskirche in Frankfurt am Main, die Rudolf Schwarz 1948 aus den Trümmern des ersten Deutschen Parlamentsgebäudes geschaffen hatte und die bis heute glücklicherweise ihren klaren Duktus bewahrt hat. Wenige Wochen vor ihrem Tod tat sich da ein mächtiger Gegenwind auf, dem sie noch mit aller Kraft entgegenwirkte.

Fan von Santiago Calatrava

Seit einer Reise nach Lüttich verehrte sie den Architekten Santiago Calatrava. Bei der Beschreibung seines Lütticher Bahnhofs geriet sie ins Schwärmen. Architekten wie Le Corbusier oder Frank O. Gehry lehnte sie dagegen ab. Werktreue war ihr wichtig. Maria Schwarz sprach eine Sprache, so authentisch wie ihr Mann baute. Kein Detail zu viel. Bauliche Attitüden junger Kollegen begegnete sie einmal mit der Bemerkung: "Man kann eine Tube auch zuviel ausquetschen."

Beseelt von ihrem Tun

Der Tagesablauf der Architektin in ihrem Kölner Wohn- und Atelierhaus war bis wenige Wochen vor ihrem Tod fest strukturiert. Nach getaner Arbeit zwischen Reißbrett und Telefon gab es ein Butterbrot. Wehmütig erinnerte sie sich an die Kriegszeit als Studentin an der Aachener TH, an die Angst während des Fliegeralarms und die Flucht der Studierenden in den Keller – und die Rückkehr in den Hörsaal. An all das erinnerte sie sich mit einzigartiger Genauigkeit. Sie sprach über Materialien und deren werktreue Verarbeitung, und man spürte, wie wichtig ihr jedes architektonische Detail war: Türanschläge, Wasserschenkel, Raum- und Schranktiefen. Sie erzählte, wie Schwippert mit ausladenden Gesten den Studierenden das Auftragen von Putzschichten veranschaulichte und buchstäblich "schmackhaft" machte – und dass sie dabei immerzu an ein Butterbrot denken musste. Dass alle Studenten im Hörsaal damals Hunger hatten; während sie dies sagt, streicht sie mit der rechten Hand, an der sie noch immer ihren Ehering trägt, über die kahle Wand, vor der sie sitzt.

Hüterin der Bauwerke von Schwarz und Schwippert

Die Architektin erinnerte sich besonders gerne an ihre Studenten der TU in München, denen sie ein Jahrzehnt lang ihr Wissen über Sakralbau vermittelte und wo sie mit 80 Jahren als Professorin die Hörsäle füllte. Sobald Bauwerke von Schwarz oder ihrem Lehrer Schwippert in Gefahr waren, war mit Maria Schwarz nicht zu spaßen. Beim Kölner Gürzenich in den 1990er Jahren griff sie ein. Bei der Kirche St. Raphael von Rudolf Schwarz in Berlin Gatow im Jahre 2005 gelang ihr das trotz eines erbitterten Kampfes nicht mehr. Diese Niederlage ertrug sie nur schwer. Die Nachricht von der beschlossenen Zerstörung des Innenraumes der St. Hedwigs-Kathedrale von Hans Schwippert nahe der Berliner Oper kam an ihrem Todestag in feinstem Juristendeutsch und hat sie nicht mehr erreicht. Mit ihrem unbändigen Lebenswillen hat sie bis zu ihrem Tod für den Erhalt des Schwippertschen Bauwerks gekämpft. Sie kannte die Kathedrale noch in kriegszerstörtem Zustand mit den Einschussstellen in der Decke. Und sie gehörte zu den wegweisenden Interpreten dieses Entwurfs, indem sie bis zuletzt hier an dieser Stelle ein "Mahnmal für den Frieden" forderte.

In großer Sorge um ein einmaliges Denkmal und die finanzielle Situation der katholischen Kirche verstarb sie am 15. Februar 2018 in ihrem Kölner Atelier- und Wohnhaus. In Maria Schwarz verlieren Freunde, Kolleginnen und Kollegen einen großartigen Menschen sowie eine streitbare Bewahrerin hoher Werte der Baukultur.

Anlässlich des 90. Geburtstags von Maria Schwarz erschien 2011 eine kleine Festschrift von Agatha Buslei-Wuppermann, in der zahlreiche Freunde und Weggefährten ihre ganz individuellen Begegnungen mit Maria Schwarz schildern und ihr Schaffen würdigen. Das Buch ist neu aufgelegt worden und im Verlag Schnell & Steiner erhältlich. 120 S., 14,95 €.

 

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