3D-Zwillinge für ukrainische Bauten
Das „digitale Bewahren des ukrainischen Architekturerbes“ hat sich die Architekten- und Künstlergruppe „Skeiron“ aus Lwiw zur Aufgabe gemacht. Die Architektenkammer NRW hat darauf bereits im Herbst 2023 mit einer Ausstellung im Baukunstarchiv NRW in Dortmund aufmerksam gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Bis zum 28. März ist das Projekt „Digital Preservation of Ukrainian Architectural Heritage“ nun in der Wandelhalle des Landtags Nordrhein-Westfalen zu sehen. Eine starke Geste, wie ich meine. Denn anstatt sich an Bilder der Zerstörung ukrainischer Städte und Dörfer sowie das menschliche Leid zu gewöhnen, richtet die Gruppe engagierter, zumeist junger Kolleginnen und Kollegen aus der westukrainischen Großstadt Lwiw den Blick in die Zukunft – und zwar voller Optimismus. Sie wollen bereitstehen, wenn zerstörte Baukultur wiedererrichtet werden kann.
Unsere gebaute Umwelt ist immer ein Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen – im Guten wie im Schlechten. Das Erhalten und Bewahren von Bauwerken und Architekturen, die unsere Geschichte widerspiegeln und erzählen, ist deshalb ein wichtiger kultureller Auftrag, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Es geht dabei um Geschichte und Geschichten eines Volkes; es geht um technisches Know-how und Entwicklungspotenziale. Es geht aber vor allem um das Bewahren von gewachsener Kultur und der kulturellen Identität eines Volkes.
Bei der Gründung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat uns der Landtag NRW vor über 50 Jahren als eine wichtige Aufgabe mit auf den Weg gegeben, die Baukultur in diesem Land zu fördern. Dazu gehören Fragen nach gebauter Identität und Geschichte. Dazu gehört das Pflegen und zukunftsfähige Weiterentwickeln von Bauwerken. Dazu gehört auch das Sprechen über Prozesse; darüber, wie Architektur und Stadtplanung entstehen und wie wir beides im Sinne der Gemeinschaft, der Gesellschaft entwickeln können.
Das bewusste Zerstören von Bauwerken ist nicht nur ein Angriff auf die Infrastruktur, auf Versorgungsaufgaben und für den Einzelnen oft überlebenswichtige Schutzräume. Es ist auch ein Angriff auf die kulturelle Identität eines Volkes. In Kriegen sind deshalb leider schon immer – seit antiken Zeiten – Bauwerke, die für eine kulturelle Identität stehen, gezielt geschändet und zerstört worden.
In der Ukraine sehen wir seit über drei Jahren verheerende Angriffe auf Menschen und ihre Infrastrukturen; auf Wohnhäuser und Kulturbauten durch den russischen Aggressor. Wir sehen menschliches Leid, aber auch viel Zerstörung von Bauwerken und wichtigen Objekten. In dieser Situation geht von der ukrainischen Architekten und Künstlergruppe „Skeiron“ aus Lwiw ein starkes Zeichen der Zuversicht aus. Mit der digitalen Erfassung bedeutender Bauwerke nutzen sie Möglichkeiten, die sich in den letzten Jahren im Zuge der Digitalisierung der Planungs- und Baubranche
entwickelt haben. Die 3D-Modelle, die in dieser Ausstellung exemplarisch vorgestellt werden, analysieren und dokumentieren die digital erfassten Objekte auf detaillierte Art und Weise, die einen späteren Nachbau bzw. Wiederaufbau möglich machen kann. Das ist ein enormer Fortschritt gegenüber früheren Zeiten der Zerstörung.
Die Ausstellung „Digital Preservation of Ukrainian Architectural Heritage“ präsentiert aber nicht allein technische Dokumentationen. Sie ermöglicht uns auch einen Einblick in die Architektur der Ukraine, die hierzulande noch lange nicht so bekannt ist, wie sie es angesichts der kulturellen Vielfalt der Ukraine sein könnte und sollte.
Nicht zuletzt unterstreicht die Ausstellung auch den festen Willen des ukrainischen Volkes, sich nicht durch einen vermeintlich dominanten Aggressor unterkriegen zu lassen. Ich freue mich und bin stolz, dass Architektinnen und Architekten sowie Ingenieurinnen und Ingenieure aus der Ukraine dieses Zeichen der Hoffnung setzen. Die Hoffnung auf ein Morgen – der Wunsch, unsere gebaute Umwelt für die nahe und ferne Zukunft lebenswert und in ihrer historischen Vielfalt zu bewahren und zu gestalten: Das macht Architektur und Baukultur aus!
Übrigens: Sie können die Mission und einzelne Arbeiten von Skeiron online abrufen unter www.skeiron.com.ua.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre
Dipl.-Ing. Susanne Crayen
Vizepräsidentin der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
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