Behindertengleichstellungsgesetz NRW: Stellungnahme der AKNW bei Anhörung vor dem Landtag am 11. Juli

Behindertengleichstellungsgesetz NRW: Stellungnahme der AKNW bei Anhörung vor dem Landtag am 11. Juli

Rund 1,7 Mio. Menschen sind in Nordrhein-Westfalen als schwerbehindert anerkannt. Vor diesem Hintergrund hat das NRW-Sozialministerium den Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen vorgelegt, nachdem für den Bund ein entsprechendes Gesetz bereits seit einem Jahr gilt. In einer Anhörung vor dem NRW-Landtag nahm die Architektenkammer NW Mitte Juli Stellung zu dem Gesetzesvorhaben.

16. August 2003von Herbert Lintz Li

Kerngedanke des Gesetzentwurfs ist die Verpflichtung der öffentlichen Hand, in ihrem Zuständigkeitsbereich alle Formen von Barrieren zu beseitigen. Im Einzelnen regelt der Entwurf ein allgemeines Benachteiligungsverbot, ein Verbandsklagerecht für Interessenverbände behinderter Menschen, Regelungen zu Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr und die Berücksichtigung der besonderen Belange behinderter Menschen bei der Gestaltung von Bescheiden, amtlichen Informationen und Vordrucken. Daneben sollen durch das Artikelgesetz weitere Gesetze und Verordnungen angepasst werden, so auch die Landesbauordnung und verschiedene Sonderbauverordnungen.

Die AKNW hat zu dem Entwurf Stellung bezogen und diese in einer Anhörung am 11. Juli vor dem Landtag erläutert. Die Anhörung durch den Sozialausschuss wurde durch die stellvertretende Vorsitzende Ursula Mohnheim geleitet. Sie betonte die Wichtigkeit des Gesetzes für die Volksvertreter, musste aber auch zugestehen, dass das Land selber Nachholbedarf hat: „Das Landtagsgebäude wird derzeit auf die Belange der Barrierefreiheit hin umgebaut.“

Nachholbedarf auf allen Ebenen?

Während sich die Behindertenverbände im Wesentlichen mit den vorgesehenen Regelungen einverstanden zeigten, wies die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände auf die leeren Kassen der Kommunen hin. Mit dem Gesetzesentwurf seien Leistungsausweitungen der Kommunen verbunden, die zwangsläufig zu Mehrausgaben führen würden. Den berechtigten Anspruch von behinderten Menschen brachte der Sprecher der Blindenverbände, Klaus Hahn, auf den Punkt: „Wir müssen uns dafür rechtfertigen, dass wir Barrieren, die andere aufgebaut haben, überwinden müssen.“

Als Körperschaft öffentlichen Rechts fällt die AKNW unmittelbar in den Anwendungsbereich des Gesetzes. „Die dort vorgesehenen Verpflichtungen können in unsere Verwaltungsabläufe umgesetzt werden, die baulichen Anforderungen sind durch den Neubau des Hauses der Architekten bereits erfüllt“, erläuterte Hans-Ulrich Ruf, Hauptgeschäftsführer der AKNW, die Auswirkungen. In ihrer Stellungnahme konzentrierte sich die AKNW auf die Aspekte des Gesetzesentwurfs, die einen unmittelbaren Bezug zu baulichen Belangen haben. Die Änderungen verschiedener Sonderbauverordnungen sind nach Auffassung der Kammer noch nicht ausgewogen. Ist es bislang in der Garagenverordnung vorgesehen, dass bei Mittel- und Großgaragen ein zweiter Rettungsweg auch über eine Rampe führen darf, soll nach dem Gesetzesentwurf nun der zweite Rettungsweg zwingend über eine Rampe führen. „Dies erfüllt sicher nicht die berechtigten Anforderungen von Behinderten“, gab der Hauptgeschäftsführer in seinem Statement zu bedenken. Hat eine übliche Rampe bei 15 % Neigung eine Abwicklung von ca. 20 m, müsste sie bei 6 % Neigung unter Berücksichtigung der erforderlichen Zwischenpodeste nunmehr über 60 m lang werden. Ruf weiter: „Auch die Frage, wo Hinweiszeichen für sehbehinderte Menschen z. B. in Hochhäusern richtig platziert sind, sollte noch einmal überdacht werden.“

Mit einer beabsichtigten Änderung des § 55 BauO NRW müssen nunmehr alle bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, in diesem Bereich barrierefrei erreichbar und nutzbar sein. Nach Auffassung der AKNW ist eine Regelung für den Gebäudebestand nötig: Ausnahmen müssen zulässig sein, wenn eine barrierefreie Gestaltung nicht möglich ist oder nur mit unzumutbaren Aufwendungen erreicht werden kann. Die vorgesehene Änderung des Längenmaßes eines Zwischenpodestes einer Rampe von 1,20 m auf 1,50 m stellt eine Harmonisierung mit bestehenden DIN-Normen dar.

AKNW: Vorgaben intensiv prüfen!

Der Entwurf sieht vor, dass im vereinfachten Genehmigungsverfahren die Belange der Barrierefreiheit nach dem neuen § 55 zukünftig durch die Bauaufsichtsbehörde geprüft werden. Hierin sieht die AKNW einen Widerspruch zum Prozess der Verwaltungsvereinfachung, der im Baurecht durch die Novellierungen der BauO NRW 1995 und 2000 eingeleitet wurde. Der Rat der Kammer: Die Erfüllung der Barrierefreiheit soll im Verantwortungsbereich des Bauherren und des Entwurfsverfassers bleiben. Schließlich liegt es an ihnen, die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten.

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