Bodenwende jetzt! – Einrichtung einer Enquetekommission

Das Bündnis Bodenwende hat seine „Bodenpolitischen Forderungen zur Bundestagswahl 2021“ veröffentlicht und an sechs der im Bundestag vertretenen Parteien geschickt. Im April hatte das Bündnis „Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021“ vorgelegt, zu denen die Antworten der Parteien noch ausstehen. Der überparteiliche Zusammenschluss von Akademien, Kammern, Verbänden und Stiftungen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen sieht in der Wende zu einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik eine der wichtigsten Aufgaben für die kommen-de Legislaturperiode des Bundestages. Denn der Boden, seine Verfügbarkeit und Nutzung, spielen eine zentrale Rolle bei den großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte: soziale Wohnraumversorgung und gleichwertige Lebensverhältnisse, wirksamer Klimaschutz und Klimaanpassung, Erweiterung der grünen Infrastruktur, sozialer Zusammenhalt, gerechte Vermögensverteilung bis hin zu Artenschutz, naturverträglicher und nachhaltiger Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion sowie Bewältigung von Pandemien.

25. Juni 2021

Dipl.-Ing. Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, erklärt dazu: „Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen setzt sich für eine aktive Bodenpolitik ein. Wir fordern, dass die im Rahmen der Grundsteuerreform eingeführte Länderöffnungsklausel in Nordrhein-Westfalen genutzt wird. Baureife, unbebaute Grundstücke sollten zukünftig durch eine Bodenwert-steuer belastet, effizient mit Mehrfamilienhäusern bebaute Grundstücke dagegen entlastet werden. Als Hauptakteure müssen insbesondere die Kommunen in die Lage versetzt werden, die gesetzlich vorgesehenen Instrumente wie Vorkaufsrecht, Erbbaurecht und Baugebote im Sinne einer aktiven Baulandpolitik tatsächlich gezielt einsetzen zu können.“

Bei den bodenpolitischen Forderungen des „Bündnis Bodenwende“ stehen folgende Themen im Vordergrund:
•    Soziale Marktwirtschaft nachjustieren, gemeinwohlorientierte Bodenpolitik stärken!
•    Bodenspekulation verhindern, Bodenpreise regulieren!
•    Boden – Basis für ökologische Zukunftsfähigkeit und räumliche soziale Gerechtigkeit!
•    Gestaltungsinstrumente für nachhaltige Freiraum- und Stadtentwicklung verbessern!

Prof. Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk, Präsidentin der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung, betont eine zentrale Forderung des Bündnisses: „Die schon im Koalitionsvertrag der derzeitigen Regierungsparteien vereinbarte Enquetekommission zur Bodenpolitik muss in der kommenden Legislaturperiode endlich eingerichtet werden! Dabei sollen nicht nur Expert*innen aus Wissenschaft, kommunaler Praxis und Zivilgesellschaft einbezogen werden, sondern es braucht begleitend auch eine breite öffentliche Debatte. Nur so können Handlungsbedarf und tragfä-hige Lösungen in diesem komplexen Themenfeld seriös ausgelotet werden, statt weitere nur bedingt wirksame Detailkorrekturen an einzelnen Gesetzen vorzunehmen.“

Siehe hierzu auch: Zwei Statements von Prof. Dr. Elisabeth Merk aus dem „SummerTalk“ der Architektenkammer NRW vom 15.06.21:
https://www.youtube.com/watch?v=62VVTvraPps
https://www.youtube.com/watch?v=BHxnvQZKSxE

Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, ergänzt zur sozialen Dimension der Bodenwende: „In den Metropolen sind die Baulandpreise seit 2010 förmlich explodiert, mit aberwitzigen Steigerungsraten von 136 Prozent in Hamburg und bis zu 450 Prozent in Berlin. Auf diesen Grundstücken können weder bezahlbare Wohnungen noch Kitas oder Schulen entstehen. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, wie sie Artikel 14 Abs. 2 des Grundgesetzes festlegt, muss gerade beim Boden gegenüber der wirtschaftlichen Verwertung endlich ein deutlich stärkeres Gewicht be-kommen!"

Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), betont: „Der Boden ist die Grundlage für all unser Leben, für unsere Nahrung, unser Wohnen, unsere Natur, unsere Arbeit. Um ihn langfristig zu erhalten und die jetzigen Bodenbelastungen und -versiegelungen zu stoppen, brauchen wir auch hier eine sozial-ökologische Wende. Wir brauchen eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik, denn nur so lassen sich ökologische Landwirtschaft, grüne, lebenswerte Städte mit bezahlbarem Wohnraum und naturverträgliche Landnutzungen umsetzen.“

Öffentliche Online-Veranstaltung am 27.06.21
Am Dienstag, den 29. Juni 2021 (17.00 – 19.00 Uhr) werden die Forderungen des Bündnisses mit Vertreter*innen der Bundestagsfraktionen in einer öffentlichen Online-Veranstaltung diskutiert. Die Diskussion wird von Ricarda Pätzold (DASL) und Dr. Thomas Welter (BDA) moderiert. Anmeldung: https://www.bda-bund.de/events/bodenfragen-bodenpolitische-forderungen-zur-bundestagswahl/

Die Parteien haben ihre Antworten zu den Wahlprüfsteinen ab 1. Juli 2021 angekündigt. Das Bündnis Bodenwende wird die Antworten auswerten und veröffentlichen. Susanne Jahn, stellvertretende Vorsitzende der Vereinigung für Stadt-, Regional und Landesplanung, erwartet von den Parteien eine kreative Auseinandersetzung mit den Fragen des Bündnisses: „Auch die durch die Folgen der Pandemie dringlicher gewordene Transformation unserer Innenstädte braucht wirksamere boden- und planungsrechtliche Instrumente. Sonst drohen Konzepte wie Stärkung von sozialer Begegnung und Kultur oder Erhöhung des Wohnanteils in den Innenstädten an hohen Bodenpreisen und Spekulation zu scheitern.“

Hintergrund
Boden ist wie Luft und Wasser: unverzichtbar und als räumliche Ressource nicht vermehrbar. Er ist als Grundlage des Lebens für Tiere, Pflanzen und Menschen sowie als CO2-Senke für Klimastabilität unersetzbar. Er ist Grundlage für andere Gemeinschaftsgüter wie Natur-, Klima- und Gesund-heitsschutz, für lebendige öffentliche Räume, bedarfsgerechte öffentliche soziale Infrastrukturen und nicht zuletzt für menschenwürdiges, bezahlbares Wohnen. – Zugleich ist Boden vor allem seit der Weltfinanzkrise aber auch immer mehr zur lukrativen Anlage und zum Spekulationsobjekt geworden. Nicht nur Bauland in attraktiven Großstadtregionen, sondern auch Ackerland wird in großem Stil von internationalen Anlegern aufgekauft („Landbanking“). Stark steigende Bodenpreise in den Stadtregionen und die Spekulation mit Boden und Wohnungsbeständen treiben die Mieten in die Höhe. Die Preise für Bauland sind vor allem in den Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohner*innen seit 2009 um mehr als das Dreifache auf durchschnittlich über 1.100 Euro je Quadratmeter gestiegen. In München haben sie sich in diesem Zeitraum sogar auf rund 5.000 Euro je Quadratmeter mehr als vervierfacht. Von 2011 bis 2018 stiegen die Wiedervermietungsmieten in den sieben größten deut-schen Städten zwischen 17 und 70 Prozent. Damit vor allem Städte und Gemeinden eine langfristige Bodenvorratspolitik betreiben und das Gemeinwohl beim Wohnungsbau und bei der Schaffung klimawirksamer Grünflächen besser durchsetzen können, müssen sie wie schon seit Jahren gefordert endlich wirksamere Instrumente gegen Bodenspekulation und die Hortung von baureifen Grundstücken bekommen.

Mitunterzeichner*innen
AKB - Architektenkammer Berlin | AKNW - Architektenkammer Nordrhein-Westfalen | A4F - Archi-tects for Future BBN – Bundesverband Beruflicher Naturschutz | BDA - Bund Deutscher Architek-tinnen und Architekten | BFSR - Beirat der Fachschaften für Stadt- und Raumplanung | BUND Na-turschutz in Bayern | BUND - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland | DAI - Verband Deut-scher Architekten- und Ingenieurvereine | DASL – Deutsche Akademie für Städtebau und Landes-planung | Deutscher Werkbund Bayern | DMB - Deutscher Mieterbund | Netzwerk Immovielien |SRL - Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung | Stiftung trias | Urbane Liga Alumninetzwerk | wohnbund

Kooperations- und Medienpartner*innen: ARL - Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft | IfR - Informationskreis für Raumplanung | vhw - Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung | Bauwelt | Marlowes, eMagazin

Weitere Informationen:
Bündnis Bodenwende - Wer wir sind (PDF)
Bündnis Bodenwende - Forderungen (PDF)

Teilen via