Architekten in ungewöhnlichen Berufsfeldern

„Ein Gebäude ist ein Gebrauchsgegenstand“

Facility Manager – ist das nicht eine Art Hausmeister? Mit diesem Vorurteil sieht sich der Aachener Architekt Kay Friedrichs konfrontiert, seit er Bauherrn in Hinblick auf die optimale Nutzung und Instandhaltung von Gebäuden berät. Er selbst betrachtet das Facility Management als eine anspruchsvolle und komplexe Aufgabe; es stört ihn wenig, dass das Renommee fehlt: „Ich habe eine Nische gefunden, in der ich mich sehr wohl fühle.“ Ein weiterer Beitrag unserer Interview-Reihe mit Kollegen, die eine Tätigkeit außerhalb der traditionellen Berufsfelder ausüben.

01. Januar 1999von cm

AK NW: Wer Gebäudemanagement betreibt, hat – obwohl der Sektor als ausgesprochen zukunftsträchtig gilt – innerhalb der Architektenschaft ein Imageproblem.
Friedrichs: Ja, leider. Das liegt daran, dass viele Kollegen auf den Entwurf fixiert sind und nur eine vage Vorstellung haben, um was es sich bei Facility Management überhaupt handelt. Kein Wunder, das Architekten bei dem Sektor anderen Berufsgruppen eher hinterherhinken. Ich kann meinen Kollegen in Anlehnung an das bekannte Märchen nur raten: Trauen Sie sich, den Frosch zu küssen – es wird ein Prinz daraus! 

AK NW: Was begeistert Sie an der Tätigkeit?
Friedrichs: Die Komplexität und Spannbreit der Aufgaben. Facility Management erstreckt sich über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes und beginnt im Idealfall vor der Entwurfsphase, mit einem detaillierten Nutzungskonzept, das Zielgrößen definiert in Hinblick auf Flächen, Baustoffeinsatz, technische Infrastruktur, Energieeinsatz und natürlich in Hinblick auf die Kosten. Im Bestand bedeutet Facility Management zumeist eine Diagnose in Hinblick auf den baulichen Zustand, der Energiebilanz und die künftige Vermarktungschance. Es gibt aber auch Auftraggeber, die in erster Linie ein Konzept wünschen, wie sie die Immobilie optimal bewirtschaften, angefangen von Kopierservice bis zum Catering.


AK NW: Wer derart umfangreiche Beratungsleistungen anbietet, muss über ein beträchtliches Fachwissen verfügen.
Friedrichs: Ich habe Glück, dass meine früheren Tätigkeitsschwerpunkte – EDV für Architekten, Intelligent Building, Ökologisches Bauen – Facility Management zusammenfließen. Außerdem bilde ich mich konsequent weiter, zum Beispiel auf Kongressen und Symposien, mindestens 30 Tage im Jahr. Wenn es um Spezialaufgaben geht, beziehe ich oft andere Fachleute ein – Betriebswirte, Informatiker, Verfahrensingenieure. Da ist über die Jahre ein richtiges Netzwerk entstanden. 

AK NW: Was hat Sie dazu veranlasst, Ihre Position an der Universität aufzugeben?
Friedrichs: Ein Grund war, dass die Bürokratie überhand nahm. Man muss inzwischen zehn Forschungsanträge stellen, damit ein Projekt gebilligt wird. Außerdem interessieren sich nicht so viele Studenten für Nutzungskonzepte und Kostenrechnungen. Jetzt, mit meinem eigenen Büro, verläuft der Wissenstransport erheblich effizienter. 

AK NW: Wer sind ihre Auftraggeber?
Friedrichs: Die Palette reicht von der öffentlichen Hand über Banken und Versicherungen bis zu mittelständischen Unternehmen. Einige Kunden begleite ich schon seit Jahren, es gibt ja immer wieder neue Entwicklungen und Anforderungen. In meinen Augen ist ein Gebäude wie ein Kind, das Betreuung braucht. Da unterscheide ich mich von vielen Kollegen, die meinen, mit der Abnahme des Neubaus sei ihre Tätigkeit beendet. 

AK NW: Wie ist es zu erklären, dass Facility Management, vor wenigen Jahren kaum bekannt, heute in aller Munde ist?
Friedrichs: Bei der Bauherren wächst die Bereitschaft zum Facility Management schon deshalb, weil sich auf dem Markt die Knappheitsverhältnisse umgekehrt haben: Viele Büro- und Gewerbegebäude, zunehmend auch Wohnbauten, stehen leer. Also beginnt der Bauherr, die Kostenstrukturen des Gebäudes zu hinterfragen. 

AK NW: Facility Manager soll also Kosten sparen. Sind Sie damit nicht der Rausschmeißer vom Dienst?
Friedrichs: Nein. Ich sehe meine Aufgaben darin, die Bedürfnisse des Gebäudes und die seiner Nutzer optimal aufeinander abzustimmen. Das kann auch dazu führen, dass ich einem Eigentümer rate, mehr Leute einzustellen. 

AK NW: Da sind Sie aber eine Ausnahme. Die großen Facility-Management-Anbieter raten ihren Kunden in der Regel, möglichst viele Bereiche auszulagern.
Friedrichs: Klar, die sind ja auch Komplettanbieter und wollen ein möglichst großes Leistungspaket verkaufen. Mein Vorteil ist, dass ich unabhängig bin: Ich biete keine Ausführungsleistungen an und habe nicht einmal einen Beratervertrag mit einer Softwarefirma. Auch in diesem Bereich zahlt sich für den Bauherren also aus, dass der Architekt sein Treuhänder ist. 

AK NW: Wird sich das Facility Management nicht doch als eine Mode entpuppen, die so schnell verschwindet, wie sie gekommen ist?
Friedrichs: Im Gegenteil. Weil der Bereich so lang vernachlässigt wurde, ist der Nachholbedarf ernorm. Die Nachfrage wird eher noch wachsen, zum Beispiel durch Entwicklungen wie das flexible Büro: Dank Handy und Laptop werden immer mehr Menschen einen Büroraum nur noch zeitweise nutzen. Da entsteht ein riesiger Umnutzungs- und Restrukturierungsbedarf. Endlich mal eine gute Nachricht für uns Architekten. 

AK NW: Was sollten Architekturstudenten beherzigen, die im Facility Management eine berufliche Zukunft sehen?
Friedrichs: Nicht nur den Entwurf im Auge haben, sondern auch fragen, wie sich das Gebäude nach seiner Erstellung entwickelt. Ein Gebäude ist kein Kunstwerk, sondern ein Gebrauchsgegenstand. 

Zur Person
Kay Friedrichs, Jahrgang 1954, studierte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen-Hochschule (RWTH) Aachen Bauingenieurwesen und Architektur. Nach seinem Examen war er als Assistent an der Hochschule tätig und arbeitete nebenbei in Architekturbüros. Ende der achtziger Jahre gründete er sein eigenes Büro, folgte aber bald einem Ruf von Fritz Haller an das Institut für Industrielle Bauproduktion der Universität Karlsruhe, wo er stellvertretender Istitusleiter wurde. Seit 1995 ist er wieder selbständig und berät Kunden im Bereich des Facility Managements.

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