Kommentar: "Expo Real: Zwischen Sollen und Sein"

Kommentar von AKNW-Vizepräsidentin Susanne Crayen zur Expo Real, die vom 4. bis 6. Oktober in München stattfand.

06. Oktober 2022

Liebe Kollegin,
lieber Kollege!

Es war wieder voll auf der Expo Real-Messe in München – dem großen, alljährlichen Forum der Immobilienwirtschaft, das regelmäßig auch ein Treffpunkt der erweiterten Planungs- und Investorenbranche ist. Vom 4. bis 6. Oktober waren viele Akteurinnen und Akteure nach München gereist, um über aktuelle Entwicklungen zu diskutieren, um Erfahrungen mit der schwierigen wirtschafts-politischen Situation auszutauschen und um das Netzwerk untereinander zu erneuern - nach zwei Jahren der Abstinenz oder wenig kommunikationsfördernder Videokonferenzen.

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen ist seit vielen Jahren als Partnerin auf dem NRW-Landesstand vor Ort, um baukulturelle Ziele zu propagieren, in Diskussionsrunden mitzuwirken und als Anlaufstelle für Kammermitglieder und Politiker*innen aus Nordrhein-Westfalen Präsenz zu zeigen. Unser Standpartner sind der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen, die NRW.Bank, NRW.Urban und NRW.Global Business sowie der Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland-Westfalen. Zudem sind wir über die Bundesarchitektenkammer auch in einer weiteren Messehalle mit unseren Themen vertreten. Vielleicht ist das in der gegenwärtigen Situation wichtiger denn je!

Festzustellen waren nämlich verschiedene Entwicklungen der Branche, die uns zu denken geben müssen:

So haben wir als Repräsentantinnen und Repräsentanten der Architektenkammer NRW zwar in verschiedenen Diskussionsforen und Panels auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, beim Planen, Bauen und Investieren zu einer echten „Bauwende“ zu kommen, die diesen Namen (der auf der Messe oft zu lesen und zu hören war) verdient; eine Bauwende also, die Nachhaltigkeit und Klimaschutz an vorderste Stelle rückt. Und wir haben vielfach die Notwendigkeit begründet, das Investieren und Bauen in gesellschaftlicher Verantwortung und mit baukulturellem Anspruch zu realisieren. Zugleich dominierten in den Präsentationen von Ländern, Regionen und Kommunen sowie privatwirtschaftlicher Investoren aber weiterhin spektakuläre Neubauten den Gesamteindruck. Zwar gab es an vielen Ständen Beispiele für sinnvolles Flächenrecycling und für Flächenumnutzungen oder -nachverdichtungen zu sehen. Bei den Hochbauten aber habe ich überzeugende, auch nur exemplarische Darstellungen von Bestandsentwicklungen vergebens gesucht.

Zu denken muss uns auch die Haltung vieler Wohnungsbauunternehmen geben, die sich gegenwärtig dazu genötigt sehen, Bauprojekte zunächst auf Eis zu legen oder zumindest auf Sicht zu verschieben - mit Verweis auf die Entwicklung der Zinsen, auf Material- und Bauwirtschaftsengpässe sowie auf Unklarheiten in der verfügbaren Förderkulisse. Wenn gleichzeitig Sören Bartol, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, im Eröffnungstalk auf dem Stand der Bundesarchitektenkammer verkündet, die Bundesregierung halte an dem Ziel von 400 000 neu zu schaffenden Wohnungen fest, zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen dem, was wir alle uns wünschen, und dem, was in der Realität zu beobachten ist; zwischen Sollen und Sein. Das wirft aus meiner Sicht die Frage auf, wie die Branche das inzwischen vorliegende Wissen um das dringend Gebotene – das nachhaltige Planen und Bauen - in die Praxis überführen kann. Oder besser gefragt: Warum genau dies noch immer nicht geschieht.

Wohlgemerkt: Bei diesen Beobachtungen von der Expo Real handelt es sich nicht, wie sonst häufig, um ein Generationenproblem. Auf der Fachmesse sind auch viele junge Kolleginnen und Kollegen aus der Branche anzutreffen. Eher beschleicht mich das Gefühl, dass wir als Branche unsere fachlichen Dispute allzu häufig in bestimmten Blasen durchführen, die sich noch viel zu selten verbinden. Unsere (berufspolitischen) Diskussionen müssen jedenfalls öfter auch die Investorenseite bzw. die Immobilienbranche einbeziehen, wenn wir über die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele im Bereich des Planens und Bauens diskutieren. Die Bau- und Planungsbranche ist mehr denn je auf eine enge Vernetzung, ja auf ein gemeinsames Vorgehen angewiesen.

Es grüßt Sie herzlich
Ihre

Dipl.-Ing. Susanne Crayen
Vizepräsidentin der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
 

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