"Lecture" an der Kunstakademie: Performative Räume und Qualität des Bestandes

Der Blick ging in die Schweiz an die ETH Zürich: Die zweite gemeinsame Lecture der Kunstakademie Düsseldorf mit der Architektenkammer NRW begab sich auf die Suche nach Konzepten für einen zeigemäßen, anpassungsfähigen Wohnungsbau. „Wir sind überzeugt, dass die Vielfalt heutiger Lebensformen auch neue Wohnungsgrundrisse notwendig macht“, erklärte Prof. Dr. Elli Mosayebi, die seit 2018 an der ETH Zürich eine außerordentliche Professur für Architektur und Entwurf innehat. Im Wechsel mit Jakob Junghannss vom Architekturbüro 8000.agency (der Name verweist auf die Postleitzahl von Zürich) machte sie an konkreten Beispielen deutlich, dass zeitgemäßer Wohnraum keine Frage von Neubau oder Bestand sei, sondern von Anpassungsfähigkeit und dauerhafter Nutzbarkeit.

24. Januar 2023von Christof Rose

Die enge Verbindung von Praxis, Forschung und Lehre präge den Lebenslauf von Elli Mosayebi, stellte die Dekanin der Klasse Baukunst, Prof. Donatella Fioretti, die Gastprofessorin der zweiten Lecture den rund 100 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern vor. Wohnungsbau und Städtebau nähmen mit zahlreichen gewonnenen Wettbewerben einen besonderen Stellenwert ein.

Elli Mosayebi führt seit 2004 gemeinsam mit Ron Edelaar und Christian Inderbitzin das Architekturbüro Edelaar Mosayebi Inderbitzin in Zürich. „Wir verstehen performativen Raum als Ausdruck unserer flexiblen, volatilen Gegenwart“, erläuterte Prof. Mosayebi den Ansatz ihres Büros, aber auch ihrer Forschung. Es gehe darum, Architektur im Sinne einer „Zweiten Moderne“ zu begreifen; als Ausdruck und Abbild von Realität, der sichtbar, greifbar und nutzbar sein müsse.

„Es ist absurd, dass noch immer die Drei-Zimmer-Wohnung der Standard im Wohnungsbau ist, obwohl in den europäischen Großstädten vielfach die Single-Haushalte überwiegen“, stellte Prof. Mosayebi fest. Entsprechend entwickele sie Wohnraume, die - teilweise mit experimentellem Charakter - nicht nur über flexible Grundrisse, sondern auch verstellbare Wände, Leuchten und multifunktionale Podeste verfügen. „Die Zweite Moderne steht für Experimentalismus, um Denkkorsette zu sprengen und neue Handlungskonzepte für die Gegenwart zu gewinnen“, zitierte Prof. Mosayebi aus „Zwölf Thesen“, welche ihr Institut an der ETH Zürich entwickelt habe.

Von der (bisweilen versteckten) Qualität von bestehenden Gebäuden zeigte sich Jakob Junghannss fasziniert. Der junge Architekt gründete nach einer gemeinsamen Masterarbeit an der ETH mit Kommilitonen das Planungsbüro 8000.agency, das sich interdisziplinär, explorativ und immer wieder auch performativ mit dem Thema „Zukunft des Wohnungsbaus“ beschäftigt. So begleitete das Team etwa den Abriss von Wohnhochhäusern aus den 1970er Jahren im Züricher Stadtteil Sihlfeld; mit dem Ziel, verschwindende Qualitäten zu dokumentieren, aber auch, um Materialforschung zu betreiben und entsprechende Datenbanken anzulegen. „Das Bewusstsein hat sich in den letzten Jahren gewandelt“, zeigte sich Jakob Junghannss bei seinem Vortrag in Düsseldorf zuversichtlich. So sei der Bestand bei Wettbewerbsauslobungen der Stadt Zürich früher ausgeschlossen gewesen. „Neuerdings werden Bestandsbauten sogar ausdrücklich einbezogen!“

Info: www.klassebaukunst.de

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