Architekten in ungewöhnlichen Berufsfeldern

Projektsteuerer Bodo Weidlich: „Mein Ziel: Dem Bauherrn dienen“

Projektsteuerung: Seit den achtziger Jahren ist das ein expandierendes Tätigkeitsfeld. Auf dem Markt tummeln sich Ingenieure, Betriebswirte, Juristen - aber auch Architekten. Einer von ihnen ist Prof. Bodo Weidlich, Partner einer großen Dortmunder Planungsgruppe, die auf Projektsteuerung spezialisiert ist. Ein Beitrag unserer Interview-Reihe mit Kollegen, die eine Tätigkeit außerhalb der traditionellen Berufsfelder ausüben.

15. Februar 2000von Christine Mattauch

Nach herkömmlichem Verständnis agiert der planende Architekt zugleich als Treuhänder des Bauherrn. Wo passen Sie da als Projektsteuerer hinein?

Lassen Sie mich eines klarstellen: Wir sprechen hier nicht von Einfamilienhäusern. Projektsteuerung lohnt sich bei Bauvorhaben ab einer Bausumme von etwa fünf Millionen Mark. Da ist Projektsteuerung ein Full-Time-Job, den der planende Kollege nicht einfach nebenbei erledigen kann. 

Hängt der zunehmende Wunsch der Bauherren nach einem „Oberkontrolleur“ nicht auch mit dem Imageverlust der Architekten zusammen?

In den Augen der Öffentlichkeit hat der Architekt in drei Bereichen an Kompetenz verloren: Kosten, Koordination, Konstruktion. Leider begegnet mir als Projektsteuerer in der Praxis manches, was diese Vorurteile bestätigt. Außerdem steht bei vielen kreativen Kollegen zu stark der Wunsch im Vordergrund, sich selbst zu verwirklichen. So lange Bauherren diese Erfahrungen machen, so lange wird der Trend zum Projektsteuerer anhalten. 

Allerdings ist Projektsteuerung eine Zusatzleistung, die der Bauherr teuer bezahlen muss.

Ich behaupte, dass ein guter Projektsteurerer sein Honorar selbst erwirtschaftet. Häufig auch mehr. Bei einem Sparkassenbau haben wir kürzlich allein durch die Überprüfung des Raumprogramms sechs Millionen Mark einsparen können, und das bei einer Bausumme von 45 Millionen. Hauptgrund: In der Planung war ein unwirtschaftliches Achsmaß zu Grunde gelegt worden. 

Sie überprüfen also zum einen die Entwurfsplanung auf Effizienz. Welche Aufgaben übernimmt ein Projektsteuerer außerdem?

Es geht um vier Leistungsbereiche: Organisation, Termin- und Ablaufplanung, Kostenkontrolle, Qualitätssicherung. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dafür zu sorgen, dass jeder die Informationen hat, die er braucht, und dass sich zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute zu Abstimmungsgesprächen treffen. Ganz wichtig ist eine frühzeitige und verlässliche Kostenschätzung auf Basis einer detaillierten Berechnung der einzelnen Elemente. Diese Kostenschätzung muss laufend überwacht werden. Wenn ein Bereich aus dem Ruder läuft, muss man wissen, wo an anderer Stelle eingespart werden kann. Ein Projektsteuerer prüft auch die Leistungsbeschreibungen, die Verträge, Umfang und Qualität von Lieferungen. 

Welche Fähigkeiten braucht ein Projektsteuerer?

Die Kenntnisse eines Generalisten und die Fähigkeit, sich bei Bedarf Spezialwissen organisieren zu können. Er muss im Team arbeiten können, das heißt, einerseits konsensfähig sein, andererseits auch Konflikte austragen und mal mit der Faust auf den Tisch hauen können. Hilfreich ist rhetorisches und didaktisches Talent - um mit dem Auftraggeber, der häufig nicht viel vom Bauen versteht, fachliche Fragen besprechen zu können. 

Viele Kollegen stört, dass sie nicht mehr das Sagen haben, wenn der Bauherr einen Projektsteuerer beauftragt.

Ich halte das Verständnis, dass der Architekt das Sagen haben sollte, für grundfalsch. Der Bauherr sollte das Sagen haben - er ist schließlich der Auftraggeber! Seine Wünsche genießen Priorität. Als Projektsteuerer sehe ich mich hier in einer dienenden Funktion. 

Für den planenden Kollegen ist es sicher hilfreich, wenn der Projektsteuer ein Kollege ist.

Selbstverständlich. Ich bin sogar der Ansicht, dass Projektsteuerung ein ideales Arbeitsgebiet für Architekten ist. Leider interessieren sich nur wenige Kollegen für diesen Bereich, so dass viele Fachfremde hineindrängen. 

Weshalb ist Projektsteuerung für Architekten so wenig attraktiv?

Weil sich die meisten Architekten über den Entwurf definieren. Schade, denn Projektsteuerung ist inhaltlich anspruchsvoll, außerdem ein Wachstumsmarkt und deshalb vergleichsweise krisenfest. Als ich 1986 die Leitung unseres Dortmunder Büros übernahm, waren wir 25 Mitarbeiter und machten 3 Millionen Mark Umsatz. Heute sind wir mehr als 100 und erwirtschaften 20 Millionen. Über die Hälfte der Aufträge sind Projektsteuerung. Dass wir diese Leistung anbieten, zahlt sich aber auch bei der Akquisition von Planungsaufträgen aus. Übrigens bringt es wenig, als Einzelkämpfer loszulegen. Projektsteuerung ist eine Teamaufgabe, für die man mindestens zwei bis drei Mitstreiter braucht. 

Zur Person 
Prof. Bodo Weidlich, Jahrgang 1944, studierte an der Technischen Universität Berlin Architektur. Nach seinem Examen 1971 arbeitete er bei einem großen Architektur- und Ingenieurbüro mit Schwerpunkt Projektsteuerung. Nach drei Jahren ging Weidlich zum Battelle-Institut in Frankfurt, gründete 1981 ein eigenes Büro in Berlin und ging 1986 als Geschäftsführer zu seinem ersten Arbeitgeber zurück. Unlängst wurde Weidlich an den Lehrstuhl „Bauwirtschaft/Baumanagement“ im Fachbereich Architektur an der Fachhochschule Bochum berufen.

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