Wie kommen wir durch die Materialengpässe? - Ein Kommentar von AKNW-Vizepräsident Klaus Brüggenolte.

Die Situation ist gegenwärtig nicht einfach. Gleichwohl sollten wir die Probleme der international verflochtenen Warenströme zum Anlass nehmen, den Materialaufwand und -verbrauch in unserer Branche noch einmal kritisch zu reflektieren.

13. Mai 2022

Liebe Kollegin,
lieber Kollege!

Mehl, Batterien, Toilettenpapier: leere Regale. Dieses irritierende Phänomen ist in unserer Überflussgesellschaft selten, und doch haben wir alle das in den zurückliegenden Monaten gleich mehrfach erlebt. Erst die Hamsterkäufe zu Beginn der Corona-Pandemie, dann erneut nach Beginn des Überfalls von Putin-Russland auf die Ukraine. Was für uns als Privatpersonen bislang glücklicherweise nicht mehr als ein vorübergehendes Ärgernis war, ist in unserer beruflichen Alltagspraxis mittlerweile zu einem echten Problem beworden: Lieferengpässe, Materialmangel, Preissteigerungen von ungeahnter Dynamik!

Probleme, mit denen unsere Wirtschaft insgesamt gegenwärtig umgehen muss. Für die Baubranche ergeben sich daraus Herausforderungen in unterschiedlichen Dimensionen: Zum einen können sich Bauprojekte verzögern, geraten Zeitpläne durcheinander, stehen teilweise ganze Baustellen still. Und das in einer Zeit, in der wir darüber sprechen, dass wir mit großem Nachdruck und hohem Tempo den klimagerechten Umbau unseres Gebäudebestandes voranbringen müssen. Und unsere Bundesregierung zugleich 400 000 neue Wohneinheiten bauen lassen will.

Zum anderen stellt sich für uns Architektinnen und Architekten die Frage, wie wir mit den Kostensteigerungen umgehen. Ich habe in den letzten Wochen mit vielen Kolleginnen und Kollegen darüber gesprochen, und das Ergebnis bleibt diffus: Manche Auftraggeber beschweren sich, dass frühere Kostenkalkulationen heute nicht mehr stimmig seien. Umgekehrt ist es schwierig, mit sogenannten Angstzuschlägen zu rechnen, weil damit ggf. ein ganzes Projekt infrage gestellt wird.
Wir Planerinnen und Planer müssen die Kosten noch gründlicher verfolgen, als wir das ohnehin schon tun. Für uns entsteht damit ein zusätzlicher Prüfaufwand, der sich eigentlich in der Honorierung niederschlagen müsste – was aber nicht jeder Kollege und jede Kollegin durchsetzen kann.
Denn es gilt weiterhin: Steigerungen der Materialpreise nach Vorlage der Kostenberechnung führen grundsätzlich nicht zu einem höheren Honorar beim Architekten bzw. der Architektin. Mehraufwände für Leistungen zur Umsetzung einer Preisanpassungsklausel können an die Besondere Leistung „Mitwirken bei der Prüfung von bauwirtschaftlich begründeten Nachtragsangeboten“ angelehnt werden, woraus ein zusätzlicher Honoraranspruch resultiert, der frei vereinbart werden kann.
Um den Auswirkungen für kommende und laufende Bundesbaumaßnahmen entgegenzuwirken, haben das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen und das Bundesministerium für Digitales und Technik im Frühjahr im Rahmen eines Erlasses Sonderregeln für bestimmte Produktgruppen getroffen, darunter Baustoffe wie Metalle und Holz. Hier wird ein „nicht kalkulierbares Preisrisiko“ als aktuell gegeben angenommen, was zu bestimmten Nachjustierungsoptionen in Vergabeverfahren führt.
Wenn Sie sich genauer mit der Materie befassen, wird schnell deutlich, dass sich hier eine Vielzahl juristischer Fragestellungen für die Baubeteiligten ergeben. Unsere Bundesarchitektenkammer hat deshalb gemeinsam mit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und den Länderkammern bereits zu Beginn der Pandemie „Hinweise für Planungsbüros“ für den juristischen Umgang mit den Lieferengpässen und Preissteigerungen veröffentlicht. Diese Hinweise sind nunmehr aktualisiert worden und auf der Homepage der Bundesarchitektenkammer abrufbar.

Die Situation ist gegenwärtig nicht einfach. Gleichwohl sollten wir die Probleme der international verflochtenen Warenströme zum Anlass nehmen, den Materialaufwand und -verbrauch in unserer Branche noch einmal kritisch zu reflektieren. Die Lebenszyklusbetrachtung für Baumaterial aller Art und das Ziel, gebrauchte Wertstoffe im Sinne des „urban mining“ neu zu verwenden, müssen langfristig erreicht werden. Dafür müssen wir heute mit unseren Planungen die Grundlagen legen.

Es grüßt Sie
Ihr Klaus Brüggenolte

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