Architekten in ungewöhnlichen Berufsfeldern

„Wissen weiterzugeben macht einfach Spaß“

Im Beruf Fuß fassen, ein eigenes Büro aufbauen – dafür brauchen Hochschulabsolventen oft viele Jahre. Andreas Fock und Michael Heyng wollten nicht so lange warten. Sie machten sich direkt nach Eintragung in die Architektenliste selbstständig. Die nebenbei ausgeübte Schulung von Bautechniker sollte übergangsweise ein Mindesteinkommen garantieren. Doch der Job wurde zum Hobby. Mit den jungen Kollegen aus Dortmund setzen wir unsere Interview-Reihe mit Architekten fort, die ihr Know-how auch außerhalb der traditionellen Berufsfelder anbringen.

01. Februar 1999von cm

AK NW: Während viele Absolventen die Hochschule mit hochfliegenden Plänen verlassen, haben Sie als Dozenten an Weiterbildungsakademien angeheuert – ein ausgesprochen handfester Job. Haben ihre Kommilitonen Sie nicht belächelt?
Fock: Doch, das haben einige getan. Inzwischen klopft der eine oder andere an und fragt, ob wir Arbeit für ihn haben.
Heyng: Viele Absolventen zieht es in namhafte Büros, wo sie Wettbewerbe machen können. Sie haben dort aber selten die Chance, sich dort einen Namen zu machen. Sie arbeiten ungeheuer viel für wenig Geld, verschließen ihre Kreativität, haben finanziell meist keine befriedigende Perspektive. Darauf wollen wir uns nicht einlassen.

AK NW: Ihre Devise war: Mut zum eigenen Weg?
Fock:Genau. Für uns stand schon während des Studiums fest, dass wir unser eigenes Büro gründen wollten. Weil wir wussten, dass das schwierig werden könnte, haben wir mit dem Unterrichten begonnen. Es bedeutete Absicherung für die erste Zeit der Selbstständigkeit. Schließlich konnten wir nicht davon ausgehen, gleich mit Aufträgen überhäuft zu werden.

AK NW: Sie haben mittlerweile in Ihrem Architektenbüro viel zu tun. Stellt die Lehrtätigkeit nicht eine zeitliche Belastung dar?
Heyng: Zu den acht Unterrichtsstunden in der Woche kommen noch einmal vier bis sechs Stunden für Vorbereitung, Korrigieren und ähnliches. Das ist zu schaffen.
Fock: Na ja, manchmal ist es schon lästig, bereits um 6.30 Uhr auf die Baustelle fahren zu müssen, weil um 8 Uhr der Unterricht beginnt. Und wenn ich abends oder am Wochenende noch Arbeiten korrigieren muss, kommt das Privatleben wirklich zu kurz. Der Tag hat einfach zu wenig Stunden.

AK NW: Lohnt sich der Unterricht denn finanziell?
Fock: Nein. Wir bekommen brutto 40 DM pro Unterrichtsstunde. Der Aufwand für Vorbereitungen und Korrekturen ist darin enthalten. Direkt nach dem Studium lag der Satz freilich trotzdem erheblich höher, als wir durch freie Mitarbeit in Architekturbüros verdienen konnten.

AK NW: Warum hängen Sie den Job jetzt nicht einfach an den Nagel?
Fock: Ich hab Spaß daran, Verantwortung zu übernehmen und Wissen weiterzugeben. Es ist ein schönes Erfolgserlebnis, wenn Menschen, die sich das nie zugetraut haben, ein Verständnis für Proportionen und Details entwickeln.
Heyng: Ein Vorteil ist auch, dass wir uns durch die Lehrtätigkeit ständig über Gesetze und Vorschriften auf dem Laufenden halten müssen. Wir können den Leuten ja nicht das Wissen von gestern vermitteln. Neue Wärmeschutzverordnung, Novellierung der Landesbauordnung – darüber müssen wir uns frühzeitig informieren. Davon profitiert wiederum das Büro.

AK NW: Sich vor eine Schulklasse zu stellen, dazu gehört eine Portion Selbstbewusstsein. Wo nehmen Sie die her?
Heyng: Wir haben während des Studiums Aussiedlern und Asylbewerbern Nachhilfeunterricht gegeben und hatten insofern ein bisschen Erfahrung. Aber wir mussten natürlich auch erst lernen, uns durchzusetzen, den richtigen Ton und die richtigen Worte zu finden. Wir unterrichten zum großen Teil Bauhandwerker, also im Prinzip die gleichen Leute, mit denen wir auf Baustellen zu tun haben.

AK NW: Hilft Ihnen die Unterrichtserfahrung auf den Baustellen?
Fock: Ja, ganz sicher. Obwohl wir jung sind, kommen wir da – anders als viele Kollegen – ziemlich gut zu recht.
Heyng: Nicht nur was den Umgangston angeht, sondern auch die Arbeitsanweisungen. Eine Unterrichtsstunde funktioniert nur, wenn man die Abläufe strukturiert und den Schülern klare Ziele vorgibt. Auf der Baustelle läuft es im Prinzip genauso.

AK NW: Werden Sie von Ihren Schülern gerade deshalb akzeptiert, weil Sie Architekten sind, oder ist das eher ein Nachteil?
Fock: Der Titel spielt keine große Rolle. Ein echter Nachteil für mich war anfangs, dass ich eher aus der theoretischen Ecke kam, während die Schüler gestandene Praktiker waren. Die moserten dann, das haben wir zwanzig Jahre lang auf der Baustelle so gemacht, und jetzt willst du uns sagen, dass das falsch war?
Heyng: Das hat sich aber geändert. Wir genießen Respekt, weil wir die Praxis jetzt gut kennen.

AK NW: Wie lange wollen sie ihre Nebentätigkeit noch behalten?
Fock: Möglichst lange. Wir haben sogar schon überlegt, eine eigene Weiterbildungsschule zu gründen, aber der zeitliche Aufwand wäre dann doch zu groß. Wir haben schließlich nicht Architektur studiert um Lehrer zu werden.  

Zur Person
Andraes Fock und Michael Heyng, beide 32 Jahre, studierten Architektur an der Universität Dortmund und arbeiteten schon damals zusammen. Fock nahm nach Abschluss seines Studiums eine halbe Stelle als Dozent an einem Osnabrücker Technikum an und arbeitete bei einem Dortmunder Planungsbüro, bevor er sich 1997 selbstständig machte. Heyngs erste Stationen waren Architekturbüros in Dortmund und Halvar, nebenbei begann auch er mit der Ausbildung von Bautechnikern. 1998 stieg er als Partner von Fock ein. Das junge Büro beschäftigt inzwischen einen Angestellten und mehrere freie Mitarbeiter. Tätigkeitsschwerpunkte sind Wohnungsneu- und –umbauten sowie Sanierungsmaßnahmen.

Teilen via