Wann ist ein Doppelhaus (noch) ein Doppelhaus?

02. Dezember 2015von Dr. Florian Hartmann

Architekt A wendet sich mit folgender Frage an die Rechtsberatung der AKNW:
"Mein Auftraggeber hat eine Doppelhaushälfte geerbt, die in einem unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB liegt. Er möchte dort mit seiner Frau und seinen drei Kindern einziehen, was einige bauliche Veränderungen erfordert (Aufstockung, rückwärtiger Anbau etc.). Als mein Auftraggeber meine entsprechende Planung seinem künftigen Nachbarn, dem Eigentümer der anderen Doppelhaushälfte, zeigte, sagte dieser: 'Wenn Sie das bauen lassen, gehe ich vor Gericht. Das ist doch kein Doppelhaus mehr!' Meine Frage: Kann der Nachbar meine Planung verhindern?"

Das kommt darauf an – darauf, ob die beiden Haushälften nach dem Umbau noch ein Doppelhaus im Rechtssinne bilden.

Diese Frage hatte das Oberverwaltungsgericht NRW (OVG NRW, Urteil vom 26.06.2014, Az.: 7 A 1276/13) zunächst dahin beantwortet, dass ein Doppelhaus in der Regel nicht mehr gegeben sei, wenn sich von den quantitativen Parametern Geschossigkeit, Bautiefe und Gebäudehöhe der grenzständigen Gebäudeteile sowie des oberirdischen Brutto-Raumvolumens des Gebäudes auch nur ein Parameter um mehr als die Hälfte unterscheide. Nach dieser Rechtsprechung war beispielsweise bei einer vorhandenen Bautiefe von – bündig oder versetzt – aneinander gebauten Doppelhaushälften von weniger als 8 Metern eine bauliche Einheit grundsätzlich nicht mehr gegeben, wenn eine Doppelhaushälfte grenzständig um 4 Meter und damit um mehr als die Hälfte erweitert wurde.

Dieser Herangehensweise hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 19.03.2015, Az.: 4 C 12/14) kürzlich eine Absage erteilt und wörtlich festgehalten: "Ob zwei grenzständig errichtete Baukörper ein Doppelhaus bilden, lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual bestimmen. Es bedarf einer Würdigung des Einzelfalls unter Betrachtung quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte."

Das heißt: Ob (noch) ein Doppelhaus vorliegt oder nicht, lässt sich nicht einfach "ausrechnen". Vielmehr ist das konkrete Vorhaben in den Blick zu nehmen und zu bewerten, ob denn nach der Zusammenschau qualitativer, also gestalterischer, und quantitativer Kriterien die bauliche Anlage im Einzelfall als ein Gebäude erscheint. Dabei, so die Bundesrichter, könne es denkbar sein, dass größere quantitative Abweichungen die Doppelhauseigenschaft nicht aufheben, wenn die Gestaltung der beiden Gebäudeteile (relativ) einheitlich ist. Umgekehrt könne es Fälle geben, wo Haushälften quantitativ, etwa in der Gebäudehöhe, kaum voneinander abwichen, aber gestalterisch so unterschiedlich seien, dass nicht mehr von einem Gebäude gesprochen werden könne. Schließlich sei es denkbar, dass erst das Zusammenwirken qualitativer und quantitativer Kriterien den Charakter des Doppelhauses entfallen ließen.

Praxistipp:

Die Entscheidung des BVerwG hat zwei Seiten. Zum einen ist es in der planerischen Praxis mit Sicherheit einfacher, die Doppelhauseigenschaft schlicht "auszurechnen". Diese rein mathematische Herangehensweise ist Planerinnen und Planern nunmehr verwehrt. Andererseits gibt die Entscheidung des BVerwG den Architekten mehr Flexibilität in ihren Planungen. Bauliche Anlagen, die bei rechnerischer Betrachtung keine Doppelhäuser mehr darstellten und bauplanungsrechtlich unzulässig waren, können durch gestalterische Mittel ihre Doppelhauseigenschaft bewahren, also als ein Gebäude erscheinen.

Wichtig ist aber auch, dass Architektinnen und Architekten wissen: Wird eine Doppelhaushälfte so verändert, dass sie mit der bisher bestehenden Doppelhaushälfte kein Doppelhaus mehr bildet, kann dies im unbeplanten Innenbereich einen Verstoß gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme zur Folge haben. Das heißt: Der Nachbar kann die Baugenehmigung verwaltungsgerichtlich zu Fall bringen!

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