1. Wohnungsbautag NRW: Soziale Wohnraumförderung darf kein Auslaufmodell werden!

„Städte sind Orte der Dynamik und der Hoffnung - das geht mit Modernisierungsprozessen immer gut einher!“ Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, faszinierte sein Publikum in Düsseldorf mit einer klaren Analyse des Wohnungsmarktes und mit überzeugenden Lösungsansätzen für aktuelle Probleme im Wohnungsbau. Scholz war Gastredner auf dem 1. „Wohnungsbautag NRW“, zu dem das Aktionsbündnis „Impulse für den Wohnungsbau“ eingeladen hatte. Rund 200 Interessierte aus dem nordrhein-westfälischen Landtag, der Baupolitik, der Landesregierung sowie von Verbänden und der Bauwirtschaft kamen in die NRW-Bank nach Düsseldorf, um intensiv über neue Wege zu mehr und besseren Wohnungsangeboten in Nordrhein-Westfalens Städten nachzudenken.

12. September 2013von Christof Rose

Wie die Wachstumsstädte entlang der Rheinschiene in NRW kann sich Hamburg über einen wachsenden Zuzug und eine steigende Wohnungsnachfrage freuen. Zugleich ergeben sich ähnliche Probleme: Mangel an preiswertem Wohnraum, Gentrifizierung in sich entwickelnden Quartieren, teilweise drastischer Anstieg der Mietpreise.
„Unser Ziel war es, eine Hamburger Spezialität zu verteidigen; nämlich, dass in den meisten Stadtvierteln Wohlhabende und weniger finanzstarke Bürger gut zusammen leben.“ Dazu legte der Senat ein Wohnungsbauprogramm auf, das jährlich 6.000 neue Wohneinheiten vorsieht. Über eine Quote von 30 Prozent geförderten Wohnungsbau wird dabei sichergestellt, dass die soziale Durchmischung weiter gepflegt wird. Zudem schloss die Stadt ein Bündnis mit den wichtigsten Investoren und Mietervereinigungen; auch die sieben Hamburger Stadtbezirke, die in etwa als kommunale Ebene in dem Stadtstaat zu verstehen sind, verpflichteten sich zur Mitwirkung. Auf diese Weise konnte die Zielzahl von 6.000 neuen Wohneinheiten in den vergangenen zwei Jahren tatsächlich erreicht werden - einschließlich der jeweils 2.000 Sozialwohnungen.

Wahlkampfthema Wohnungsbau

Der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Hartmut Miksch, zeigte sich beeindruckt von dem Vortrag des Hamburger Bürgermeisters, der auch deutlich belege, dass der Wohnungsmarkt ein Thema sei, das nun bundesweit politisch mit hoher Priorität diskutiert werde. Mit Bedacht hatte das Aktionsbündnis „Impulse für den Wohnungsbau NRW“, für das die Architektenkammer die Sprecherrolle übernommen hat, den 1. Wohnungsbautag NRW in die Zeit vor der Bundestagswahl gelegt. Die politische Aufmerksamkeit war entsprechend hoch:
Neben Bauminister Michael Groschek waren auch die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der im Landtag vertretenen Parteien sowie ihre baupolitischen Sprecher gekommen, um mit der Branche um die richtige Ausrichtung der Wohnungspolitik zu ringen. Einig waren sich alle Experten, dass der soziale Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen weiter angeregt und langfristig forciert werden muss. „Die soziale Wohnraumförderung ist seit Jahrzehnten ein Garant dafür, dass sich auch einkommensschwächere Gruppen auf dem Wohnungsmarkt mit günstigem Wohnraum versorgen können“, unterstrich Hartmut Miksch für das Aktionsbündnis. „Sozialwohnungen sind kein Auslauf-, sondern ein Zukunftsmodell für verantwortungsvolle Wohnungspolitik!“

Geförderter Wohnungsbau kein Auslaufmodell!

Die Nachfrage nach demografiefestem und insbesondere preisgünstigem Wohnraum wächst in Nordrhein-Westfalen trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen seit Jahren. Die Fertigstellungsquoten neuer Wohnungen stagnieren, gleichzeitig nimmt die Zahl preisgebundener Wohnungen stetig ab. Von den 34.400 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2012 wurden nur noch 5.994 im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung erstellt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Rückgang von 22,5 Prozent. Der Gesamtbestand an preisgebundenen Wohnungen lag Ende 2012 nur noch bei rund 513.000 Wohnungen - und hat sich damit seit der Jahrtausendwende halbiert.

Dabei gibt es nicht nur zu wenig bezahlbare Wohnungen - der Bestand weist gleichzeitig erhebliche funktionale und bauliche Defizite auf. Derzeit sind insgesamt lediglich zwei bis drei Prozent der etwa 8,6 Millionen Wohnungen mit einem barrierefreien oder barrierearmen Standard ausgestattet. Angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung ein gravierendes gesellschaftliches Problem.

Groschek: 51 Förderprogramme in NRW

Der Analyse stimmten auf dem Wohnungsbautag in Düsseldorf viele Referenten zu. Auch Bauminister Michael Groschek verwies auf die Dringlichkeit, mit der Wohnungen „demografiefest“ umgebaut oder errichtet werden müssten. „Das Verbleiben in den eigenen vier Wänden muss für die meisten zur Regel werden“, zeigte sich der Stadtentwicklungsminister überzeugt. NordrheinWestfalen stelle mit 800 Millionen Euro im Jahr noch immer ein großes Wohnungsbaufördervolumen bereit. Um den Abruf dieser Mittel durch die private Wirtschaft und Wohnungsunternehmen anzuregen, habe die Landesregierung die verschiedenen Förderprogramme modifiziert, zielgruppengerecht zugeschnitten und die Konditionen vielfach verbessert. Insgesamt 51 Förderinstrumente stünden heute ressortübergreifend zur Verfügung. „Unser Ziel ist eine hohe Verlässlichkeit, mindestens bis zum Ende der Legislaturperiode, damit die Investoren wissen, woran sie sind“, betonte Groschek.

Laschet: Eigentum fördern!
Der Landesvorsitzende der CDU-Opposition in NRW, Armin Laschet, stimmte den Förderansätzen der Landesregierung im Bereich des sozialen Wohnungsbaus grundsätzlich zu. Allerdings forderte er eine bessere Unterstützung privater Investoren, vor allem „kleiner Eigentümer“, die den Großteil des Wohneigentums ausmachten. „Wir sind auch dafür, Eigentum im ländlichen Raum zu fördern - dort vor allem im Bestand“, unterstrich Laschet. Auch müsse die Politik den Eigentumserwerb als Teil der Altersvorsorge weiter ausbauen. Für die Mietpreisbremse empfahl der nordrhein-westfälische CDU-Chef, auf die Ortskenntnis der Kommunen zu setzen. „Die Gemeinden wissen am besten selbst, wo ein solches Regulativ notwendig ist.“

Für Bündnis 90/Die Grünen unterstrich der Fraktionsvorsitzende Reiner Priggen, dass die Kommunen stärker in die Pflicht genommen müssten. Vor allem gelte es, die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu aktivieren und als Akteure am Markt zu entwickeln. Priggen hob auch den Quartiersgedanken hervor, der in der Förderkulisse der Landesregierung zu Recht nun eine wachsende Rolle spiele.

Ganz anders positionierte sich Christian Lindner. Der Landes- und Fraktionsvorsitzende der FDP in NRW vertraute am stärksten unter allen Referenten auf die ordnende Macht des Marktes. Das Wohnungs-Problem werde in Nordrhein-Westfalen insgesamt auf einem hohen Niveau diskutiert, da hier noch lange nicht von einer „Wohnungsnot“ gesprochen werden könne. Wichtig seien steuerliche Anreize, um Investitionen auszulösen.

Diskussion der Baupolitiker des Landtags

Ähnlich wie ihre Partei- und Fraktionsvorsitzenden diskutierten am Nachmittag auch die baupolitischen Sprecher der Parteien die Frage, wie der Wohnungsbau konkret angeregt werden könnte. Sie konnten dabei auch auf Anregungen aus der kommunalen Praxis stützen: So stellte Dr. Detlef Kron vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung in Stuttgart das dortige „Stuttgarter Modell“ eines Stadtwachstums nach Innen vor.

Für die Stadt Köln präsentierte sein Kollege Stefan Ferber „Kommunale Handlungsstrategien für bezahlbaren Wohnraum“. Köln berücksichtige neuerdings bei großen Projekten eine Quote für den sozialen Wohnungsbau von 30 Prozent. Der Rat diskutiere gegenwärtig zudem einen „Baulandbeschluss“, der dieselbe Quote für die Veräußerung städtischer Grundstücke vorsieht. Eine dringend notwendige Maßnahme, war die Zahl der Genehmigungen im sozialen Wohnungsbau in Köln doch im Jahr 2012 auf gerade mal 210 gefallen - angestrebt ist eine Zahl von 1000 geförderten Wohneinheiten in Nordrhein-Westfalens größter Stadt.

In der Diskussion der baupolitischen Sprecherinnen und Sprecher setzten die Landtagsabgeordneten unterschiedliche Akzente. Oliver Bayer von der Piratenpartei wünschte sich mehr Unterstützung für genossenschaftliche Bauprojekte und gemeinschaftsorientierte Mietwohnprojekte in den Städten. Auch Reiner Breuer betonte für die SPD, dass dringend mehr preiswerter Wohnraum geschaffen werden müsse. „Das kann auch im Bestand geschehen, hier müssen die Kommunen partnerschaftlich und schnell agieren“, so Breuer; denn der demografische Wandel werde dazu führen, dass künftig mehr ältere Arme nach preiswertem Wohnraum suchen.

Daniela Schneckenburger erklärte für Bündnis 90/Die Grünen, dass vor allem die großen Investoren auf dem Wohnungsmarkt stärker in die Pflicht genommen werden müssten. Viele der sogenannten Heuschrecken seien zu Renditeorient ausgerichtet. Dass einige der großen Gesellschaften nun erklärt hätten, dass sie mit einzelnen Liegenschaften in den Quartiersprojekten mitwirken wollen, sei ein positives Signal. „Das werden wir allerdings ganz genau beobachten“, kündigte die baupolitische Sprecherin der Grünen an.

Bernhard Schemmer hob die aus Sicht der CDU zentrale Rolle privater Eigentümer für den Wohnungsmarkt hervor. Diesen müsse geholfen werden, vor allem mit Blick auf die hohen Ziele des energiesparenden Bauens. „Die geplante EnEV würde den Häuslebauer enorm viel kosten und wenig Energieeinsparung bringen“, warnte Schemmer und rief dazu auf, die bestehenden Regeln der Energieeinsparverordnung zunächst unverändert zu lassen.

Für die FDP warnte ihr baupolitischer Sprecher Holger Ellerbrock vor zu starken Eingriffen in den Wohnungsmarkt. „Wir leben hier an Rhein und Ruhr in einer polyzentrischen Region“, führte Ellerbrock aus. Wem das Wohnen in Düsseldorf zu teuer sei, der könne auch nach Duisburg ziehen und pendeln - er selbst habe genau dies getan.

Presse greift Thema auf

Der 1. Wohnungsbautag NRW erzielte nicht nur im politischen Raum große Aufmerksamkeit. Auch die Medien griffen das Thema in großer Breite auf. In der Pressekonferenz zu der Veranstaltung kündigte AKNW-Präsident Miksch an, dass der Wohnungsbautag NRW nun regelmäßig durchgeführt werden solle. „Das Thema wird uns in den nächsten Jahren mit großer Dringlichkeit erhalten bleiben“, prognostizierte er im Namen des Aktionsbündnisses „Impulse für den Wohnungsbau NRW“.

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Mitschnitt der Rede von Olaf Scholz

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