10. Architekturquartett NRW: Bildung!

„Bildungsbauten sind die wahren Zukunftsmaschinen!“ Mit dieser programmatischen Aussage führte AKNW-Vizepräsident Dr. Christian Schramm in das 10. Architekturquartett NRW in Dortmund ein. Rund 250 Freunde der Baukultur erlebten im neuen Deutschen Fußballmuseum in Dortmund eine lebhafte Debatte, die aus dem Blickwinkel verschiedener Disziplinen danach fragte, wie Architektur heute die Vermittlung von Wissen und Bildung unterstützen und zugleich in gestalterischer Qualität überzeugen könne.

04. November 2016von Christof Rose

Vor dem Hintergrund, dass gegenwärtig vier neue Fachhochschulen in NRW errichtet werden, stand zunächst der neue Campus der FH Rhein-Waal in Kamp-Lintfort (pbr Architekten und Ingenieure / Michael van Ooyen / Kuttner + Kahl Landschaftsarchitekten) zur Debatte. Die städtebauliche Einbindung der auf vier Gebäude verteilten Hochschule kam bei den Diskutanten des 10. Architekturquartetts gut an. „Mir fehlen allerdings Räume für den freien Aufenthalt, zum Gespräch und Austausch“, kritisierte Prof. Hilde Léon, Architektin aus Berlin. Die Anlage wirke insgesamt sehr funktional, aber leider auch etwas steril. Auch Shary Reeves, WDR-Moderatorin und Schauspielerin, vermisste Charme und studentisches Flair in der neuen Anlage. Positiver die Einschätzung von Stefan Hilterhaus, dem künstlerischen Leiter von Pact Zollverein. „Die Architektur spricht eine Einladung aus - ob sie angenommen wird, kann erst die Zeit erweisen.“ Großes Lob kam vom Quartett für eine offen gestaltete, multifunktional zu nutzende Forschungs- und Experimentierhalle, in der Studenten technisch und handwerklich frei arbeiten können. „Das weist in die Zukunft, das hat Mut und Power“, meinte Shary Reeves.

Kontrovers fiel das Urteil der Diskutanten zur noch jungen Bibliothek an der Folkwang-Universität in Essen-Werden aus. Die hermetisch geschlossen erscheinende Baukörper (Max Dudler Architekten / Nattler Architekten) traf bei Hilde Léon auf Begeisterung. „Eine beeindruckende, beseelte Arbeit“, so die Architekturprofessorin aus Berlin. Der Bau mit seiner transluzenten, aber blickdichten Fassade überrasche, sobald man den Innenraum betrete. „Eine klassische Bibliothek, wie aus einem amerikanischen Film“, zeigte sich auch Shary Reeves („Wissen macht ah!“ im WDR) angetan. Die warmen Holztöne, die angenehme Lichtführung und der hohe Lesesaal im Inneren des „Schmuckkästchens“ hätten sie erstaunt und berührt. Hier zeigte sich Stefan Hilterhaus skeptischer: „Ein sehr klassischer Bibliotheksbau, der eher in die Vergangenheit als in die Zukunft weist.“ Zudem vermisste Hilterhaus, selbst Absolvent der Folkwang-Universität, die Interdisziplinarität, da die Bibliothek nur der musikwissenschaftlichen Sammlung gewidmet sei. Auf die digitale Revolution gebe der Neubau keine Antwort.

Gespannt hatten die 250 Baukulturfreunde im Publikum auf die Debatte um das Deutsche Fußballmuseum gewartet (HPP Architekten). Shary Reeves fand die Außengestaltung der Fassade gelungen, zeigte sich aber von der gläsernen Front enttäuscht. „Man könnte den Bau von vorne auch für einen adidas-Store halten“, so die Kritik mit Blick auf einen der Hauptsponsoren des DFB-Museums. Stefan Hilterhaus empfand den Baukörper als zu massiv. „Ich dachte, wir fahren an einem Kreuzfahrtschiff vorbei“, so der Künstler und Pact-Leiter. Hilde Léon lobte die gelungene städtebauliche Figur und insbesondere die Eingangssituation im Verhältnis zum benachbarten Hauptbahnhof und zur Stadt- und Landesbibliothek. Allerdings sei es ein Jammer, dass das Haus um 18.00 Uhr schließe. „Hier muss Leben hin, eine Bar, zu deren Besuch man gerne aus Düsseldorf anreist“, spitzte die Architektin zu. Prof. Kunibert Wachten, der auch das 10. Architekturquartett NRW als Anchorman leitete, schätzte das Gebäude eher als Erlebniswelt denn als Bildungsbau ein. Der neue Baukörper sei für die Stadt Dortmund an dieser Stelle, wo zuvor nur die offene Fläche des zentralen Omnibusbahnhofs gelegen habe, auf jeden Fall ein städtebaulicher Gewinn.

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