Als Essens Skyline wuchs

Retrospektive: Vor 50 Jahren wurde das Postbank-Hochhaus errichtet. Der deutsche Wolkenkratzer ist ein bauliches Zeichen des Wachstums und steht deswegen seit 2010 unter Denkmalschutz.

19. Februar 2018

Hochhaus Kruppstraße 5, 1962 als Sitz der RWE-Hauptverwaltung errichtet, Hochhaus Huyssenallee 2, der ypsilonförmige Nachfolgerbau von 1980, dann das Postbank-, ehemals Postscheck-Hochhaus, ferner Relling-Hochhaus, heute der Sitz von Evonik Industries, vormals Ruhrkohle AG; schließlich der heutige FAKT-Tower, das 1961 als erstes Essener Hochhaus den Auftakt machte und einmal Rheinstahl-Hochhaus hieß: An den Hochhäusern der Essener Südstadt kann man ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte ablesen, die ihre Blütezeit in der Zeit von Kohle und Stahlin den 1960er Jahren besaß.

Hochhäuser als Statussymbole

Auch damals, vor rund 50 Jahren, signalisierten Hochhäuser, wer im Wettbewerb der Kommunen und Staaten die Nase vorn hatte, wo sich ökonomische Potenz und Zukunftsfähigkeit ballte, und nicht zuletzt – siehe Essen – welches die führenden Branchen waren. Städtebaulich charakteristisch für die Ruhrmetropole: Hier verteilen sich die Hochhäuser nicht über die Stadtfläche, sondern bilden ein auf begrenzter Fläche konzentriertes Cluster, in dessen Mitte in den bewegten 1960er Jahren nicht zuletzt die Stadtautobahn der A40 hinein gegraben wurde. Die Clusterbildung in der Südstadt jenseits der Schienen hatte ihren Ursprung in der Entscheidung der Stadt nachdem Krieg, im alten Kerngebiet der Altstadt nördlich der Gleise auf Hochhausbauten zu verzichten.

Essen: Die erste Hochhaus-Skyline

So erhielt das Essener Südviertel – noch vor Frankfurt am Main – die erste Hochhaus-Skyline in Deutschland, die später durch den 1996 fertiggestellten RWE-Tower (Ingenhoven-Overdiek), bis heute der höchste Bürobau im Revier, eine Ergänzung fand. Ist das Prinzip noch nachahmenswert? Abgesehen von „Mainhatten“ fand es hierzulande wenig Nachahmung. Ob man beispielsweise in der Landeshauptstadt Düsseldorf am Konzept einzelner Monolithen und Landmarken in verschiedenen Stadtteilen bleibt oder doch wieder stärker zentriert, ist offen – die neue Baudezernentin der Stadt hat unlängst neue Überlegungen für zukünftige Standorte in Düsseldorf als notwendig bezeichnet.

Vor genau 50 Jahren, im März 1968, fertiggestellt wurde das heutige Postbank-Hochhaus in Essen (ehemals Postscheckamt). Das seitdem Jahr 2010 unter Denkmalschutz stehende, exakt 91,59 m hohe Gebäude, das in den letzten fünf Jahren umfassend saniert und energetisch erneuert wurde, gehört zu den auffälligsten der Reihe. Der Entwurf stammt, nicht wie das zuvor errichtete RWE-Hochhaus an der Kruppstraße von Hanns Dustmann, von der Bauabteilung der Postdirektion, die einen schmalen 17-stöckigen Hochbau mit einem zweigeschossigen Flachbau verknüpfte.

Vorliebe für Glas

Kennzeichnend ist die Vorhangfassade aus Glas und Leichtmetall, die das Stahlbetonskelett ohne jede Vorsprünge umschließt, wobei die Metallrippen die Horizontalwirkung des Gebäudes verstärken. Der Kern besitzt ein Stahlbetonskelett mit über 14 Meter freigespannten Geschossebenen. Ursprünglich gab es auf nahezu jeder einzelnen Etage ein Großraumbüro, das rundum mit Tageslicht durchflutet war. So war eine Durchsicht der Geschosse von außen möglich, was dem Gebäude eine gewisse Transparenz verlieh. Heute sind viele dieser Großraumetagen mit eingezogenen Wänden in kleinere Büros aufgeteilt. Vorbild für den Essener Bau war das nur wenig höhere Lever House in New York, das Gordon Bunshaft vom Büro Skidmore, Owings and Merrill (SOM) für den britischen Seifenhersteller im neuen „International Style“entworfen hatte, und das 1951/52 an der Park Avenue errichtet wurde.

Dieses (nachdem UN-Hauptquartier) zweite Curtain-Wall Hochhaus wurde das Muster zahlreicher Nachfolger, von denen neben Essen vor allem das Europa Center in Berlin zu nennen ist. Ästhetisch verbreiten die klaren Formen dieser internationalen Nachkriegsmoderne noch immer eine gewisse Eleganz. Die Einheitlichkeit dieses Gebäudetypus' und die Vorliebe für das modern wirkende Glas wirkten gerade für eine neue Corporate Architecture verlockend. Ob dieser Typus jedoch eine Zukunft besitzt, ist ungewiss.

Der neue Trend: Hybridhochhäuser

Der Trend geht heute in Richtung der sogenannten Hybridhochhäuser, die mehrere Nutzungen – Wohnen, Einkaufen und Büro – miteinander zu verbinden suchen. Eine Kombination, die von den Zugangswegen über die Sicherheit bis zur Fassadengestaltung hohe Anforderungen aufwirft. Schließlich sind architektonisch repräsentative Unternehmenssitz ein den Innenstädten auch aus Kostengründen selten geworden.Auch der runde RWE-Turm gehört lange schon einem amerikanischen Immobilienfond.

Autor: Dr. Frank Maier-Solgk

Teilen via