Auftakt zum Projekt "Zukunft - Kirchen - Räume": Kirchengebäude anpassen und umnutzen

Es gibt keinen anderen Baubestand, der unsere Kulturgeschichte so umfassend abbildet, wie Kirchengebäude.“ Mit dieser Aussage fasste Prof. Tim Rieniets, der langjährige Geschäftsführer der Landesinitiative StadtBauKultur NRW, die Motivation für das Projekt „Zukunft – Kirchen – Räume“ treffend zusammen. Gemeinsam mit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und der Ingenieurkammer-Bau NRW und unter Mitwirkung der evangelischen und katholischen Kirche in Nordrhein-Westfalen konnte die Landesinitiative am 14. Februar eine neue Website freischalten, mit der alle, die sich für den Erhalt von Sakralbauten in NRW einsetzen, beraten und unterstützt werden sollen. „Sakralbauten sind nicht nur für Kirchgänger ein emotionales Thema, sondern auch für Architektinnen und Architekten, die sich mit ihrer Weiterentwicklung befassen“, betonte Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer NRW, in einer Gesprächsrunde anlässlich des Auftakts in Bochum. „Kirchen strahlen fast immer ganz stark in ihr Umfeld ab: städtebaulich und sozial.“

15. Februar 2019von Christof Rose

Als verbindendes Element für ganz Europa sah Dr. Jan Heinisch, Staatssekretär im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, den Kirchenbau in seiner Historie. Von den 6000 Sakralbauten in NRW seien etwa 3000 in Denkmalschutzlisten eingetragen. Man müsse davon ausgehen, dass ca. 1500 Kirchenbauten in den kommenden Jahren nicht mehr für ihren Ursprungszweck benötigt würden. „Kirchen stiften Identität und sind den Menschen ein Stück Heimat“, führte Dr. Heinisch aus. Für die Gemeinden und ehrenamtlich Aktiven, die vor Ort letztlich verantwortlich zeichneten, sei der Umgang mit diesen Bauwerken eine große Herausforderung. „Mit dem Projekt ‚Zukunft – Kirchen – Räume. Kirchengebäude erhalten, anpassen und umnutzen‘ wollen wir Orientierung und Beratung bieten.“

Wie Esther Heckmann, Projektmanagerin der StadtBauKultur NRW, ergänzte, soll das neue Projekt engagierten Menschen eine ganz praktische Hilfestellung offerieren: „Eine Internetplattform mit allen Informationen zur Anpassung oder Umnutzung von Kirchen. Hier findet man auch viele gute Beispiele und kompetente Ansprechpartner.“

Für die christlichen Kirchen stellt die Entwidmung jedes Kirchengebäudes eine große Herausforderung dar. „Es gibt keine Patentrezepte dafür, wie mit einer profanierten Kirche zu verfahren ist“, erklärte Dr. Thomas Weckelmann, der Leiter des Evangelischen Büros NRW. Solche Prozesse lösten bei den betroffenen Gemeinden Unsicherheit und Ängste aus. „Eine qualifizierte Beratung ist hier sehr hilfreich.“

AKNW-Präsident Ernst Uhing unterstrich, dass es deshalb sehr wichtig sei, dass Kirchengemeinden und andere Engagierte frühzeitig auf die Expertise von Architektinnen und Architekten zurückgreifen, wenn es darum geht, Perspektiven für nicht mehr benötigte oder umzugestaltende Kirchengebäude zu entwickeln. „Es gibt bereits eine Menge Erfahrung und Know-how in diesem Bereich, auf die alle, die sich für ihre Kirche engagieren möchten, zurückgreifen können.“ Prinzipiell sei eine veränderte Weiternutzung oder eine vollständige Umnutzung für Sakralbauwerke aus jeder Epoche denkbar. Ein Aspekt, der auch Dr. Antonius Hamers, dem Leiter des Katholischen Büros NRW, am Herzen lag. „Viele Gemeinden möchten das älteste Bauwerk, oft eine Hallenkirche aus dem 19. Jahrhundert, erhalten. Uns ist aber auch wichtig, moderne Kirchenbauten der Nachkriegszeit zu erhalten, die bauliche Zeugnisse eines modernen Verständnisses von Kirche sind.“

Projektaufruf an Kirchengemeinden

Mit der Vorstellung der Website www.zukunft-kirchen-raeume.de wurde auch der Projektaufruf „Zukunftskonzept Kirchenräume“ gestartet. Kirchengemeinden und Pfarreien, aber auch bürgerschaftlich Engagierte aus Nordrhein-Westfalen sind dazu eingeladen, sich mit ihrer Problemstellung oder ihrem Projektvorhaben bezüglich der Weiterentwicklung eines Kirchengebäudes zu bewerben. Angeboten wird die professionelle Begleitung der Erarbeitung eines Grobkonzeptes, auf das weitere Überlegungen dann aufsatteln können. Das Projekt „Zukunftskonzept Kirchenräume“ steht unter der Schirmherrschaft von Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen. „Wir möchten in einem ersten Schritt etwa acht Projekte auf den Weg bringen und dazu fachliche Expertise und Begleitung anbieten“, erläuterte Dr. Hanna Hinrichs, Geschäftsführerin der Landesinitiative StadtBauKultur NRW.

Auch das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW (M:AI) beschäftigt sich mit dem Thema der Zukunft von Kirchenräumen. Ab September zeigt das M:AI die Ausstellung „Fluch und Segen. Kirchen der Nachkriegsmoderne“ zur Bedeutung von Kirchenbauten und zu möglichen Strategien für Erhalt, Umbau oder Umnutzung. Ausstellungsort ist die Kirche St. Gertrud von Gottfried Böhm in Köln. „Wir haben im Rheinland eine der höchsten Dichten an Sakralbauten in ganz Deutschland“, erklärte Dr. Ursula Kleefisch-Jobst, Direktorin des M:AI. „Unsere Ausstellung soll zeigen, dass diese Bauwerke nicht nur aus christlich-theologischer Sicht interessant, sondern auch gebaute Geschichte unserer Gesellschaft sind.“

Hintergrund

Rund 6000 Kirchen existieren in Nordrhein-Westfalen. Dieser große und vielfältige Bestand aller Größen und Bauepochen dokumentiert eine reiche Bautradition und prägt bis heute das Bild unserer Städte und Quartiere. Bis zu 30 Prozent dieser Kirchengebäude werden langfristig vom Leerstand betroffen sein. Der demografische Wandel und die Säkularisierung der Gesellschaft führen dazu, dass die Gebäude für ihre ursprüngliche Bestimmung im bisherigen Umfang nicht mehr benötigt werden. Um Sakralgebäude vor Leerstand und Verfall zu schützen, müssen sie häufig baulich angepasst oder einer völlig neuen Nutzung zugeführt werden. Diese Räume zu erhalten und in angemessener Weise an die Veränderungen anzupassen, ist ein wichtiges Anliegen und eine große Herausforderung – nicht nur für die betroffenen Kirchengemeinden, sondern auch für unsere Gesellschaft als Ganzes.

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