Barrierefreiheit als elementaren Bestandteil eines Gebäudes verstehen!

Ein Gastbeitrag von Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen über Inklusion in der Architektur.

13. Juli 2018

Inklusion ist die uneingeschränkte Teilhabe eines jeden Menschen am gesellschaftlichen Leben. Dies gilt insbesondere auch für Menschen mit Behinderungen. Inklusion bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen selbst entscheiden können, wo und wie sie leben. Dies setzt allerdings voraus, dass sie überhaupt erst einmal in der Lage sein müssen, eine Wahl zu treffen. Für Menschen mit Behinderungen ist Barrierefreiheit für diese Wahl das A und O. Barrierefreiheit hat ganz unterschiedliche Ausprägungen: So ist Barrierefreiheit im digitalen Bereich zu beachten (z. B. bei der Gestaltung von Internetseiten und Apps), beim Ausbau des ÖPNV oder bei der Ausrichtung von Veranstaltungen(etwa durch Bereitstellung von Gebärdensprachdolmetschern).

Vor allem aber ist für viele Menschen mit Behinderungen die Barrierefreiheit von Gebäuden ein wichtiges Thema. Die Forderung nach Barrierefreiheit ist einer der zentralen Punkte der UN-Behindertenrechtskonvention wie auch des Behindertengleichstellungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, Barrierefreiheit in den unterschiedlichen Bereichen umzusetzen und zu fördern.

Zur praktischen Umsetzung von Barrierefreiheit bei Gebäuden ist das Bauordnungsrecht der zentrale Anknüpfungspunkt. Deshalb schaffen wir mit dem Baurechtsmodernisierungsgesetz die Voraussetzungen dafür, dass barrierefrei gebaut wird. Und wir unterstützen dies mit entsprechenden Förderprogrammen. Die Verpflichtung zur Barrierefreiheit trifft in erster Linie den Staat. Aber Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur gelingen kann, wenn sich alle beteiligen.

Es gibt eine staatliche Verantwortung, für barrierefreie Gebäudezu sorgen – unabhängig davon, ob sie in öffentlichem oder Privateigentum sind. Aber auch die private Bauwirtschaft und die Wohnungswirtschaft müssen einen Beitrag zur Barrierefreiheit leisten, den die Landesregierung durch gesetzliche Maßnahmen und Förderprogramme steuert und begleitet.

Die Arbeit der Architekten ist für die Herstellung von Barrierefreiheit von grundlegender Bedeutung. Sicherlich gibt es viele Dinge, die an einem bestehenden Gebäude nachträglich geändert werden können. Aber zum einen ist Nachrüsten fast immer teurer, als Barrierefreiheit gleich von Anfang an zu berücksichtigen. Und zum anderen lassen sich die – oft entscheidenden – Bewegungsflächen in der Regel nicht im notwendigen Umfang nachrüsten. Hier ist es also wichtig, bereits bei der Planung und Bauüberwachung die Barrierefreiheit im Blick zu haben.

Gerade angesichts der langen Nutzung von Gebäuden muss mit großer Sorgfalt auf die Einhaltung der Barrierefreiheit geachtet werden. Denn sonst scheitert Inklusion über viele Jahre hinweg an baulichen Barrieren.Zunächst einmal ist hier die Landesregierung gefragt: Barrierefreiheit bedeutet nach unserem Verständnis „Erreichbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit“.

Zur Umsetzung dieser Vorgaben muss Nordrhein-Westfalen eine entsprechende technische Baubestimmung zur Barrierefreiheit erlassen. Nach Verabschiedung des Baurechtsmodernisierungsgesetzes soll dies durch das zuständige Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung in Abstimmung mit meinem Haus erfolgen. Damit setzen wir dann die Standards zur Barrierefreiheit eines Gebäudes, die von allen Beteiligten verbindlich zu beachten sind.Gerade bei öffentlich zugänglichen Gebäuden ist Barrierefreiheit ein wichtiges Merkmal. Dies gilt natürlich vor allem für Gebäude der öffentlichen Hand, denn der Staat hat bei der Umsetzung von Inklusion eine Vorbildfunktion. Aber auch öffentlich zugängliche Gebäude im Privateigentum unterliegen Anforderungen zur Barrierefreiheit.

Auch im Wohnungsbau müssen Standards für Barrierefreiheit durchgängig umgesetzt werden. Die Verbände der Menschen mit Behinderungen haben einmal das Ziel formuliert, dass die Barrierefreiheit beim Bauen den gleichen Stellenwert erhalten muss wie der Brandschutz. Denn für die Betroffenen steht und fällt die Nutzbarkeit eines Gebäudes eben mit der Barrierefreiheit. Deshalb muss Barrierefreiheit von allen am Bau Beteiligten als elementarer Bestandteil des Gebäudes verstanden, beachtet und umgesetzt werden.

Inklusion setzt voraus, dass wir alle Behinderungen als Teil menschlicher Vielfalt verstehen. Dieser Vielfalt müssen wir auch Rechnung tragen, wenn wir Gebäude errichten und umbauen. Die Architektenschaft ist aufgerufen, Barrierefreiheit als grundlegendes Prinzip zu verstehen und in ihrer Arbeit durchgängig zu berücksichtigen.

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