Disneyland oder Identität? - 06. Architekturquartett NRW diskutierte über "Denkmal!"

Die Bewahrung oder gar die Rekonstruktion längst verloren geglaubter historischer Fassaden - ist das ein Zeichen rückwärts gewanderter Fassadenarchitektur oder ein Offenbarungseid moderner Architektur? Mit dieser Frage setzte sich am 22. Mai in Köln das "06. Architekturquartett NRW" auseinander. Mit kontroversen Thesen und Argumenten.

25. Mai 2012von Christof Rose

Es ging lebhaft zu in dem 06. Architekturquartett NRW, das im Kölner Triangle-Turm im rechtsrheinischen Deutz stattfand. Das Thema „Denkmal!“ wurde anhand von drei neuen Objekten diskutiert, die AKNW-Pressesprecher Christof Rose den rund 200 interessierten Teilnehmern jeweils mit Fotos, Videosequenzen und Grundrissen vorstellte. 

So auch die Neugestaltung der Rheinhallen in Köln. Von den früheren Hallen der KölnMesse blieben nach den Planungen von HPP nur die denkmalgeschützte, expressionistische Fassade sowie der Messeturm und der Ehrenhof stehen. Das Innere wurde mit modernen Bürobauten und einem Sendestudio für die RTL Medien Gruppe gefüllt. Das Bauwerk sei sicherlich in Ordnung, bilanzierte Dr. Dankwart Guratzsch, Architekturkritiker für DIE WELT, wandte aber ein: „Die Außenwand ist von einer solchen Signalhaftigkeit, dass es kaum zu glauben ist, dass man den Inhalt einfach austauscht.“ Immerhin sei der Eindruck des Bauwerks im Stadtbild weitgehend erhalten geblieben, „deshalb haben die Bürger das wohl so hingenommen“. 

Guratzsch warb dafür, die Perspektive der Bürgerinnen und Bürger insgesamt ernster zu nehmen. Es müsse doch nachdenklich stimmen, wenn die Menschen nur noch auf die Fassade blickten und die Inhalte überhaupt keine Rolle mehr zu spielen schienen. 

Ganz anders verhielt es sich beim dritten Projektbeispiel des Abends: Die erneuerte Musikschule in Hamm (wulf Architekten) zeigt den Altbau aus dem Jahr 1972 noch in ihrem Innern, scheint von außen aber mit einer weißen Putzfassade ein kompletter Neubau zu sein. „Das Haus gehört zu einer wichtigen Epoche der Bürgerschaft und hat einen engen Bezug zu den Menschen“, lobte Prof. Petzinka. Zudem sei es konzeptionell nachhaltig, möglichst viel der Substanz eines Vorgängerbaus in eine Neuinterpretation zu integrieren. 

Andrea Pufke zeigte sich dagegen enttäuscht, dass von dem Bau der 1970er Jahre von außen nichts mehr zu erkennen sei. Prof. Kunibert Wachten, der als vierter Teilnehmer des Quartetts die Gesprächsrunde leitete, wies darauf hin, dass es eine große Leistung und ein starkes Statement für eine verschuldete Kommune wie Hamm sei, überhaupt ein solches Kutur- und Bildungsbauwerk errichten zu können. Kritischer sah der Journalist Dankwart Guratzsch die Musikschule in Hamm. Das neue Bauwerk bilde den Geist des Alten nicht mehr ab. "Ich halte die große Geste, mit der das Bauwerk da steht, für deutlich übertrieben." Man müsse stärker im Kontext bauen, sonst stehe der Bau eben da "wie ein weißer Elefant in der Steppenlandschaft".

Guratzsch wies darauf hin, dass es nachdenklich stimmen müsse, wenn heute viele Menschen "den Drang verspüren, ganze Stadtteile wieder wie früher aufzubauen". Man dürfe dieses Phänomen auch nicht einfach mit einem ironischen Lächeln vom Tisch wischen: "Fachleute nennen es Disneyland, viele Menschen nennen es Identität." Auch der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Hartmut Miksch, sprach sich dafür aus, die Bürgerinnen und Bürger stärker in Planungsprozessen zu berücksichtigen. "Wir werden künftig mehr mit den Menschen reden müssen - in Planungsprozessen und auf noch vielen Veranstaltungen wie dieser heute Abend", bilanzierte Miksch nach einer lebhaften und kontroversen Debatte. 

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