Für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen bleibt es beim Grundsatz des Leistungswettbewerbs

Die Entscheidung des EuGH zur Europarechtswidrigkeit der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI wirft auf den ersten Blick die Frage auf, ob das in Vergabeverfahren existierende Prinzip des Leistungswettbewerbs bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen erhalten bleibt.

08. Juli 2019von Dr. Klaus Greb, Fachanwalt für Vergaberecht, Berlin

Das Prinzip des Leistungswettbewerbs besagt, dass insbesondere die Qualität der angebotenen Lösung bzw. Leistung das wesentliche Zuschlagskriterium sein soll. In Abgrenzung dazu gibt es den Preiswettbewerb, der sich dadurch auszeichnet, dass der Preis in der Regel zwar nicht das einzige, aber das maßgebliche Zuschlagskriterium ist. Folglich ist es im Anwendungsbereich von Abschnitts 6 der VgV, wo die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen geregelt ist, ausgeschlossen, den Preis als alleiniges Zuschlagskriterium festzulegen (Stolz, VergabeR 2016, 351, 362). Wegen des qualitativen Elementes von Planungsleistungen ist der Preis als wesentliches oder gar alleiniges Zuschlagskriterium ungeeignet, weil eine am Preis ausgerichtete Wertung der Angebote qualitative Elemente von Planungsleistungen nicht berücksichtigt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.12.2013 – Verg 22/13, VergabeR 2014, 401).

Der Leistungswettbewerb wird auch nach der EuGH-Entscheidung zur HOAI für den Abschnitt 6 der VgV und damit für die Vergabe von Architektenleistungen maßgeblich sein. Das gilt nicht nur wegen des insofern unverändert und klar formulierten § 76 Abs. 1 S. 1 VgV. Vor allem wegen des dahinter stehenden gesetzgeberischen Gedankens bleibt es beim status quo.

Der Gesetzgeber hat den Leistungswettbewerb nicht allein wegen der Mindest- und Höchstsätze der HOAI, sondern wegen der generellen gesetzlichen Preisordnung für Architekten- und Ingenieure in Gestalt der HOAI festgelegt (Verordnungsbegründung, BT-Drs. 18/7318, S. 205/206). Die HOAI kann in jedem Fall und wird aller Voraussicht nach als solche erhalten bleiben. Damit ist der dieser Aspekt des gesetzgeberischen Willens nach wie vor aktuell.

Dessen ungeachtet dienen die Vorschriften in Abschnitt 6 der VgV dazu, dass der öffentliche Auftraggeber ein Vergabeverfahren durchführt, in dem der konkrete Leistungsinhalt noch unbestimmt ist. Wollte der öffentliche Auftraggeber einen reinen Preiswettbewerb durchführen, müsste er den konkreten Leistungsinhalt vorab festlegen. Sonst würde der öffentliche Auftraggeber bei der Wertung Äpfel mit Birnen vergleichen, nämlich unterschiedliche Leistungsinhalte alleine nach dem Preis beurteilen. Auf diese Weise kann das wirtschaftlichste Angebot nicht ermittelt werden. Zwar ist es auch bei Architekten- und Ingenieurleistungen nicht unmöglich, dass eine Lösung vorab durch den örtlichen Auftraggeber ermittelt wird, auf welche die Bieter lediglich ein Preisangebot abgeben müssen. Das ist jedoch in der Regel nicht das Ziel eines Auftraggebers, der Architekten- und Ingenieurleistungen ausschreibt. Dieser will vielmehr auch zwischen unterschiedlichen Lösungen wählen, strebt also einen Lösungswettbewerb – sprich: Leistungswettbewerb – an (vgl. Schneider, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl. 2019, VgV § 76 Rn. 13).

Angesichts all dessen sind öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Anwendung von Abschnitt 6 der VgV auch nach der EuGH-Entscheidung zur HOAI zur Durchführung eines Leistungswettbewerbs verpflichtet. Um dieser Verpflichtung Rechnung zu tragen, bietet es sich an, verstärkt die Möglichkeit einer Festpreisvergabe (§ 58 Abs. 2 S. 3 VgV) zu nutzen.

Die vorbezeichneten Erwägungen gelten auch für Beschaffungen nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO). Denn grundlegende vergaberechtliche Wertungen, wie der Leistungswettbewerb bei Architektenleistungen, sollen auch für Vergaben auf Basis von § 50 UVgO (Sonderregelung zur Vergabe von freiberuflichen Leistungen) gelten (vgl. Budde, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, UVgO § 50, Rn. 52). Alles andere würde der ursprünglichen Intention der UVgO widersprechen, ein Abbild der VgV zu sein, damit für alle Rechtsanwender ein Gleichklang der Vorschriften unter- wie oberhalb der EU-Schwelle ermöglicht wird.

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