Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, uhing@aknw.de, Foto: Ingo Lammert /Architektenkammer NRW

Kommentar: Chance zu einem echten Wandel

Die Corona-Krise ist ein harter Einschnitt. Planungsarbeit wird für die Überwindung der Krise zwingend benötigt. Planung ist systemrelevant, und viele Investitions- und Fördermaßnahmen werden in den baulichen Sektor fließen. Nutzen wir den Einfluss, der uns dadurch zufällt, um daran mitzuwirken, einen echten Wandel zu gestalten!

19. Juni 2020

Liebe Kollegin, lieber Kollege!

Wir befinden uns aller Voraussicht nach in der „schlimmsten Rezession seit Bestehen der Bundesrepublik“. Prognosen wie die der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind Anlass, verstärkt darüber nachzudenken, wie sich unser Land in den kommenden Jahren entwickeln wird. Deutschland steht mit seiner Wirtschaftskraft im internationalen Vergleich günstig da, und das beschlossene „Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket“ der Regierungskoalition mit einem Volumen von kaum vorstellbaren 130 Milliarden Euro wird dazu beitragen, den wirtschaftlichen Rückgang zumindest abzufedern – im Idealfall aber neue Wachstumsimpulse auszulösen.

Ein „Weiter so“ wird und darf es aber nicht geben. Erhebliche Teile der Investitionen des Pakets sind für bauliche Maßnahmen vorgesehen, für den technischen Ausbau der Infrastruktur, für die Bereiche Mobilität und ÖPNV. Es muss dabei ernst gemacht werden mit dem Ziel, all diese Maßnahmen zu nutzen, um der klimagerechten Umgestaltung unserer Gesellschaft ein bauliches Gesicht zu geben.

Mit der Landesregierung und zahlreichen Partnern aus der Bau- und Immobilienbranche arbeiten wir gegenwärtig im Bündnis „Prima.Klima.Wohnen“, um auf breiter Front für einen ressourcenschonenden Wohnungsbau zu werben. Dazu gehört u. a. eine Siedlungspolitik, die die viel diskutierte „Verkehrswende“ ernst nimmt und etwa das Fahrrad als Verkehrsmittel in der Stadt dem Auto mindestens gleichstellt. Auch der konsequente Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs muss bei uns endlich ein Niveau erlangen, das sich mit Vorbildern wie Dänemark messen kann. Und wenn jetzt Schulen, Kitas und Hochschulen im großen Stil saniert und ausgebaut werden können, gilt auch hier: Es darf nicht einfach „mehr vom Gleichen“ geben. Die Gelegenheit muss ergriffen werden, regenerative Energiequellen, ökologische Baustoffe, zeitgemäße Grundrisse zu implementieren, um den gesellschaftlichen Einschnitt, den die Corona-Pandemie darstellt, für eine echte Neuausrichtung zu nutzen.

Dazu gehören auch Fragen nach der Nutzung des öffentlichen Raums, zum Umgang mit älteren Menschen in unserer Gesellschaft, mit Behinderung und Zuwanderungshintergründen. Wir alle spüren, dass die junge Generation sich wieder verstärkt engagiert, um gegen Umweltzerstörung, Rassismus und für demokratische Prinzipien öffentlich einzutreten. Auch in unserer Branche tun sich junge Leute zusammen, um dafür zu kämpfen, ein besseres Morgen zu planen und zu bauen.

Die Architektenkammer NRW spiegelt diese Strömungen und Diskussionen in ihren Gremien umfassend wider – im Vorstand, den Fachausschüssen und in vielen Arbeitsgruppen. Mit unserer Kampagne „Junge Planer“ wollen wir auch den Nachwuchs frühzeitig in unsere Debatten einbeziehen. Die Architektenschaft braucht den Austausch aller Generationen, und die AKNW braucht die aktive Mitarbeit von Kolleginnen und Kollegen aller Altersgruppen. Wenn im Herbst dieses Jahres wieder die Wahl zu unserer Vertreterversammlung ansteht (vgl. S. 9), besteht für alle Kammermitglieder die Möglichkeit, sich auch aktiv zur Wahl zu stellen, um sich in den Kammergremien zu engagieren. Sprechen Sie uns persönlich oder die verschiedenen Berufsverbände und natürlich die Geschäftsstelle der AKNW gerne an!

Die Corona-Krise ist ein harter Einschnitt. Die Architektinnen und Architekten, Stadtplanerinnen und Stadtplaner können – im Vergleich zu anderen Berufsgruppen – dabei relativ optimistisch sein, weil Planungsarbeit für die Überwindung der Krise zwingend benötigt wird. Planung ist systemrelevant, und viele Investitions- und Fördermaßnahmen werden in den baulichen Sektor fließen. Nutzen wir den Einfluss, der uns dadurch zufällt, um daran mitzuwirken, einen echten Wandel zu gestalten!

Es grüßen Sie

Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
Klaus Brüggenolte, Vizepräsident
Susanne Crayen, Vizepräsidentin Dr. Christian Schramm, Vizepräsident

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