Kommentar: Enteignung ist kein geeignetes Mittel!

Die Wohnungsnot ist vor allem in den Ballungsgebieten groß. Schon werden Rufe nach Enteignung laut. Warum dieser Schritt keine Lösung wäre: Ein Kommentar von AKNW-Vizepräsident Dr. Christian Schramm.

24. April 2019

Liebe Kollegin, lieber Kollege!

Kaum ein Begriff hat die bau- und wohnungspolitische Debatte der letzten Wochen so sehr dominiert wie der Begriff „Enteignung“. Und kaum ein Begriff hat mehr polarisiert. Für die einen ist das Instrument der Enteignung Teufelswerk aus der sozialistischen Mottenkiste, für die anderen die ultimative Antwort auf die Herausforderungen auf den Wohnungsmärkten unseres Landes.

Worum geht es hier genau? Richtig ist, dass insbesondere in den Ballungsgebieten die Wohnungsnot in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat – auch weil Wohnraum vielfach zu einem Spekulationsobjekt geworden ist. Selbst für Familien aus dem Mittelstand wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum in halbwegs zentraler Lage zu finden. Richtig ist aber auch, dass die Politik es trotz vielfacher Mahnungen versäumt hat, dieser Tendenz rechtzeitig entgegenzusteuern.

Dass nun Mieterinnen und Mieter bundesweit auf die Straße gehen und gegen die Wohnungsnot protestieren und dabei teilweise sogar die Enteignung von Wohnungskonzernen fordern, kann daher nicht verwundern. Ich habe in dieser Frage eine klare Haltung: Protestieren, ja, Enteignung von Wohnungsunternehmen, nein! Denn auch wenn das Mittel der Enteignung in unserem Grundgesetz unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen ist, bin ich davon überzeugt, dass es uns in dieser Sache nicht weiterhilft.

Durch die Enteignung von Wohnungsunternehmen – so wie derzeit in Berlin in einer Volksinitiative gefordert – entsteht keine einzige neue Wohnung. Hier würden Wohnungen allenfalls umgeschichtet. Es wäre sogar ganz im Gegenteil zu erwarten, dass Investoren langfristig verschreckt und von dringend benötigten Investitionen abgehalten würden.

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat schon seit langem darauf hingewiesen, dass insbesondere der kontinuierliche Rückgang der Zahl öffentlich geförderter Wohnungen mittelfristig zu massiven Problemen in der Wohnraumversorgung der finanziell schwächeren Bevölkerungsgruppen führen würde. Leider sehen wir uns heute in diesen Prognosen bestätigt. Was also ist zu tun? Der Weg zu mehr Wohnraum in unseren Städten führt über mehr Wohnungsbau – so einfach ist das. Dazu müssen die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau auf allen Ebenen optimiert werden. Baukosten müssen gesenkt, Vorschriften abgebaut, Genehmigungsverfahren verkürzt, zusätzliche Förderangebote geschaffen werden. Und auch die Reduzierung der Grunderwerbsteuer sollte hier in NRW endlich in Angriff genommen werden. Wichtig ist, dass tatsächlich ein gutes Klima für den Wohnungsneubau entsteht. Ich bin in diesem Zusammenhang im Übrigen auch großer Anhänger der Pläne des Bundes, künftig wieder verstärkt als Bauherr im Wohnungsbau aufzutreten.

Schön wäre es, wenn NRW diesem Beispiel folgen und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen würde. Das gilt auch für Kommunen und kommunalnahe Unternehmen, die in einigen Bundesländern bereits wieder dazu übergehen, als Bauherr aktiv zu werden, um ihren Mitarbeitern preisgedämpften Wohnraum anbieten zu können. Werkwohnungsbau, genossenschaftlicher Wohnungsbau, Nutzung von Erbbaurecht zur Aktivierung und Sicherung von Baugrund – es sind solche Ansätze, die es zu fördern gilt.

Wer darüber nachdenkt, mehrere Milliarden Euro an Steuermitteln für Enteignungen aufzubringen, um einen großangelegten Wohnungstausch in die Wege zu leiten, sollte besser erwägen, diese Mittel zu einer wirklich effektiven, weil marktfähigen Förderung zusätzlichen Wohnungsbaus zu verwenden. Die Aktivierung von ausreichendem und preisgünstigem Bauland bildet das Fundament zur Lösung der Krise auf dem Wohnungsmarkt.

Zu häufig werden noch immer Grundstücke in integrierten Lagen dem Markt entzogen, weil ihre Eigentümer auf eine steigende Rendite hoffen. Hier herrscht meines Erachtens dringender Handlungsbedarf, und hier muss der Staat endlich von seinen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen. Das Brachliegenlassen von braureifen Grundstücken schafft genauso wenig zusätzlichen Wohnraum wie die Enteignung von Wohnungsunternehmen.

Es grüßt Sie herzlich Ihr

Dr. Christian Schramm

AKNW-Vizepräsident

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