Kommentar: Viele Geschlechter – eine Sprache

"Sprache ist - wie Architektur - ein hohes kulturelles Gut." Über geschlechtergerechte Sprache geht es im aktuellen Kommentar von AKNW-Präsident Ernst Uhing.

19. Februar 2019

Liebe Kolleg*innen, liebe Lesende!

Sie bemerken schon an dieser ungewohnten Anrede, worum es in diesem Editorial gehen soll - nämlich um die Frage, wie eine möglichst Geschlechter-gerechte Sprache in unserer vielfältigen professionellen und alltäglichen Kommunikation gefunden werden kann. Aus Gesprächen, die wir gegenwärtig zu diesem Thema führen, sowie aus der Lektüre der zahlreichen Veröffentlichungen in Zeitungen und Magazinen weiß ich, wie vielfältig die Reaktionen auf diese Thematik und wie unterschiedlich auch die persönlichen Haltungen dazu sind.

Ich bin der Überzeugung, dass wir uns dieser Frage immer wieder stellen müssen und dauerhaft darauf hinwirken sollten, dass Männer und Frauen auch in der Sprache gleich behandelt werden, und dass auch Personen, die sich weder als Frau noch als Mann fühlen, gleichberechtigt und ohne Vorurteil begegnet werden kann. 

Seit dem 22. Dezember ist es nun offiziell: In Deutschland gibt es eine dritte Geschlechtsoption im Geburtenregister. Menschen, die weder „weiblich“ noch „männlich“ sind, ist es nun möglich, „divers“ in ihren Ausweis eintragen zu lassen. Für die Betroffenen stellt die Anerkennung, dass es neben der männlichen und weiblichen auch weitere geschlechtliche Identitäten geben kann und nun auch juristisch darf, oftmals eine große Erleichterung dar. In der Alltagspraxis sind damit allerdings vielfältige Fragestellungen verbunden: im baulichen Sektor etwa bezüglich Sanitär- und Umkleidebereichen. Zunächst aber wird gegenwärtig intensiv diskutiert, wie sich unsere Sprache weiterentwickeln kann, um allen Geschlechtern möglichst gerecht zu werden. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen bemüht sich schon seit vielen Jahren darum, in schriftlichen Texten (wie im Deutschen Architektenblatt NRW), aber auch in Reden und Ansprachen immer wieder bewusst die männliche und die weibliche Form zu verwenden. Wir verzichten dabei auf Kürzelformen wie das große Binnen-“I“, auf das neue Geschlechter-Sternchen „*“ oder Slash-Lösungen „/“. Auch Partizipiakonstruktionen bleiben letztlich Behelfslösungen.

In unseren Publikationen weisen wir darauf hin, dass wir stattdessen zwar nicht durchgängig, aber immer wieder bewusst die männliche und die weibliche Form der personenbezeichnenden Nomen nutzen. Insgesamt soll dabei der Sprach- bzw. Lesefluss aber möglichst ungestört bleiben. Denn was hülfe der politisch perfekte Text, wenn er nicht mehr gelesen werden könnte? Mit dem Beschluss, künftig auch „divers“ im Personenstandsregister angeben zu können, stellt sich diese Frage in neuer Intensität. 

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat zu Jahresbeginn ihre Eintragungsformulare entsprechend angepasst. Ab sofort können Mitglieder und Antragsteller, die Mitglied werden möchten, neben „männlich“ und „weiblich“ auch „divers“ sowie „ohne Geschlechtsangabe“ ankreuzen. Wie sich die neue rechtliche Situation in der gesprochenen Sprache niederschlagen wird, gilt es zunächst abzuwarten. Sprache entwickelt sich in langen Zyklen. Die Duden-Redaktion zeigt sich ebenfalls noch abwartend, mit genau dieser Argumentation. Es wird sich in der politischen Diskussion, in der Redekunst und Debattenkultur sowie im Umgang der Medien mit dieser Frage erweisen, in welche Richtung sich die deutsche Sprache hier entwickeln wird. 

Sprache ist - wie Architektur - ein hohes kulturelles Gut. Unsere Kulturgüter entwickeln sich unter Kenntnis und Respekt vor der Historie behutsam weiter. Von ideologisch motivierten Einschnitten oder Vorschriften ist in diesem Feld grundsätzlich abzuraten. 

Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen begrüßt alle Regulierungen, die einen toleranten, akzeptierenden und integrierenden Umgang innerhalb unserer Gesellschaft unterstützen. Wir werden uns darum bemühen, diese Haltung auch in unserer Mitgliederkommunikation und ganz allgemein im Umgang mit der Sprache deutlich zu machen. Ich lade Sie herzlich dazu ein, uns Ihre Meinung zu dieser Thematik zu schreiben. 

Es grüßt Sie herzlich 

Ihr Ernst Uhing

Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen

uhing@aknw.de

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