"NRWlebt." in Siegen: Innovationsraum Land

Wenn eine Stadt in zwei Dekaden mehr als ein Drittel ihrer Einwohner verliert, dann steht ihre Zukunft mehr als infrage. Wie können Gemeinden, denen es ähnlich geht wie der Stadt Altena im Sauerland, den Prozessen des demografischen Wandels gegensteuern und sich für die Zukunft stabilisieren? Dieser Frage ging die siebte dezentrale Veranstaltung der Aktionsplattform „NRWlebt.“ der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am 8. März in Siegen nach. Mehr als 200 interessierte Kammermitglieder und Gäste aus dem Sauer- und dem Siegerland folgten den Vorträgen zur Entwicklung des ländlichen Raumes, lernten Best-Practice-Beispiele kennen und diskutierten mit den Referentinnen und Referenten über Ideen und Konzepte.

14. März 2017von Christof Rose

"Der neue Landesentwicklungsplan wird nicht jedem hier gefallen“, leitete Dr. Alexandra Renz von der NRW-Staatskanzlei ihren Impuls ein. Sie stellte die wichtigsten Elemente des LEP 2025 vor, der am 8. Februar 2017 in Kraft getreten war. Ein zentraler Gedanke laute, dass sich die Bevölkerungsentwicklung künftig auf infrastrukturell entwickelte Bereiche konzentrieren soll. „Ein breites Wachstum in die Fläche an den Ortsrändern ist weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll“, erläuterte Dr. Renz. Neubaugebiete sollen künftig entlang von ÖPNV-Trassen und Bereichen mit einer infrastrukturellen Grundversorgung ausgewiesen werden. Abgelegene Ortschaften hätten das Nachsehen. „Trotzdem ist diese Festlegung richtig“, bekräftigte Alexandra Renz, die in der Staatskanzlei an der Ausgestaltung des Landesentwicklungsplans 2025 entscheidend mitgewirkt hatte. Eine Position, die in der abschließenden Diskussion nicht unwidersprochen blieb. „Sie nehmen uns Entwicklungsmöglichkeiten“, beklagte ein Architekt aus Brilon.

Stabil stellt sich in der Region Siegerland das Oberzentrum Siegen dar. „Entgegen früherer Prognosen ist unser Schrumpfungsprozess gestoppt. Wir wachsen sogar wieder leicht“, erklärte Bürgermeister Steffen Mues. Das liege an dem hohen Studentenanteil, den die Hochschule Siegen der Stadt beschere. „Jeder fünfte unserer Einwohner ist ein Studierender“, so Mues. Gleichwohl achte die Stadt Siegen auf einen guten Austausch mit den benachbarten Ortschaften.

Auch die weiteren Referentinnen und Referenten der „NRWlebt.“-Veranstaltung unterstrichen die Notwendigkeit einer stärkeren interkommunalen Kooperation. „Kleine Orte auf dem Lande müssen sich Aufgaben konstruktiv teilen, um gemeinsam für ihre Bürgerinnen und Bürger attraktiv zu bleiben“, erklärte der Präsident der Architektenkammer NRW, Ernst Uhing. Die Folgen des demografischen Wandels seien schon heute überall spürbar. „Es ist höchste Zeit, zu handeln“, appellierte Uhing an die politisch Verantwortlichen, aber auch an die Architektinnen und Architekten im Saal.

Viele Kommunen aus dem Sauer- und Siegerland haben sich deshalb im Strukturentwicklungsprogramm „Regionale 2013“ engagiert. 42 konkrete Projekte seien umgesetzt worden oder noch in Arbeit, berichtete Dr. Stephanie Arens von der Südwestfalen Agentur. Vom städtebaulichen Großprojekt wie „Siegen - Zu neuen Ufern“ über den Ausbau von Stärken wie im „Netzwerk Zukunft: Kurorte neu profiliert“ bis hin zur „Denkfabrik Lüdenscheid“ reiche das Spektrum. „Die Projekte sind der konkrete Anlass, die Netzwerkbildung im Hintergrund die große Stärke unserer Regionalen in Südwestfalen“, hob Stephanie Arens hervor.

Auch die Hochschule Siegen befasst sich seit langem intensiv mit der Frage, wie der ländliche Raum auf Schrumpfungsprozesse und Überalterung reagieren kann. Prof. Dr. Hildegard Schröteler-von Brandt stellte nicht nur statistische Prognosen und einordnende Analysen vor, sondern auch ganz konkrete Projekte, die sie mit ihren Studentinnen und Studenten entwickelt hatte.

In einem „Marktplatz der Ideen“ präsentierte der Pressesprecher der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Christof Rose, dann noch drei Strategien, mit denen sich Kommunen der Region eine Zukunftsperspektive erarbeiten wollen: Eine aktive Annahme der Zuwanderung (Bespiel Altena), die gezielte Entwicklung touristischer Highlights („Vom Kuhdorf zum Q-Dorf: Referinghausen) sowie die intensive Entwicklung des Einfamilienhausbestandes der 1960er und -70er Jahre (Projekt „HausAufgaben“ der Regionale 2016), der so umgestaltet werden soll, dass Menschen darin auch in hohem Alter noch leben können - und ein Haustausch mit jungen Familien besser organisiert werden kann. „Drei exemplarische Strategien von vielen weiteren denkbaren Ansätzen, die Mut machen und zur Nachahmung einladen“, resümierte die Moderatorin des Nachmittags, Beate Schmies. Die Leiterin des WDR-Studios in Siegen unterstrich, gerne in einem kleinen Ortsteil des Oberzentrums Siegen zu wohnen. „Unser ländlicher Raum ist sehr schön - wir müssen aber gemeinsam konsequent an seiner Entwicklung arbeiten!"

Vorträge

Dr. Alexandra Renz (Staatskanzlei NRW): Der Landesentwicklungsplan 2025 (PDF) 
Prof. Dr. Hildegard Schröteler-von Brandt, Dr. Stephanie Arens: Perspektiven für ländliche Räume (PDF)

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