"NRWlebt.": Leben in neuer Heimat

Albi Lugjaj formuierte drei Ziele und drei Wünsche: Weiter Deutsch lernen, die Ausbildung abschließen und später eine Arbeit finden – Das hat sich der junge Flüchtling aus Albanien vorgenommen, daran arbeitet er schon seit seiner Ankunft in Deutschland. Und eine kleine Wohnung, Freunde finden und Plätze für gemeinsame sportliche Betätigungen. Der 17-Jährige fasste damit Hoffnungen und Vorstellungen vieler junger Männer und Frauen zusammen, die zu uns nach Deutschland kommen. In der Veranstaltung "Leben in neuer Heimat" der Aktionsplattform "NRWlebt." ließ die Architektenkammer NRW junge Flüchtlinge zu Wort kommen. "Es wird viel über Asylbewerber gesprochen, wir wollten einmal wissen, wie insbesondere junge Zuwanderer unser Land wahrnehmen - und was sie sich von ihrer gebauten Umwelt wünschen", führte AKNW-Präsident Ernst Uhing in die Veranstaltung ein. Mehr als 200 Interessierte erlebten in den Räumlichkeiten des künftigen Baukunstarchivs NRW am Dortmunder Ostwall eine ebenso vielfältige wie informative Veranstaltung mit Videos, Interviews und vielen Impulsvorträgen.

26. Februar 2016von Christof Rose

"NRWlebt." war bewusst nach Dortmund gegangen, um die Frage zu diskutieren, wie Migrantinnen und Migranten Wohnungen, Quartiere und Infrastrukturen erleben und wie das Planen und Bauen in Deutschland sich durch Zuwanderung möglicherweise wandeln wird. Etwa 12 000 Asylbewerber und Flüchtlinge lebten Ende Februar in der Westfalenmetropole, erörterte Bürgermeisterin Birgit Jörder. Die Stadt könne damit umgehen und begreife die Zuwanderung auch als Chance.

Bildung, Arbeit, Kultur und Sport - auf diesen vier Pfeilern bauen die Kommunen und das Land ihre Integrationsbemühungen im Kern auf. Der Wunsch nach einer Wohnung, nach den eigenen vier Wänden ist bei nahezu allen Zuwanderern stark ausgeprägt, bestätigte auch Bianca Euteneur von der Stiftung angekommen, die junge Flüchtlinge in Berufsschulausbildung bringt und begleitet. "Genauso wichtig sind aber auch Kontaktflächen, Räume, die Austausch ermöglichen", berichtete Frau Euteneuer aus ihrer Erfahrung.

Die Architektenkammer NRW hatte zwei Videofilme produzieren lassen, in denen junge Männer und Frauen aus unterschiedlichen Herkunftsländern über ihre Wünsche und Erfahrungen berichteten. "Es ging dabei oft um das Gefühl der Sicherheit, das auch in einer Wohnung oder einem Zimmer, das ich abschließen kann, zum Ausdruck kommt", resümierte Jonas Bomba von der Kölner Agentur Cinephiles, die die Interviews und Filme im Auftrag der AKNW erstellt hatte. Zu spüren war aber auch der dringliche Wunsch, angenommen und Teil der deutschen Gesellschaft zu werden.

Viele Flüchtlinge seien traumatisiert und müssten nach ihrer Ankunft erst einmal auch innerlich zur Ruhe kommen, beschrieb Gökce Tekin von der Übergangseinrichtung Adlerstraße in Dortmund die Situation, mit der sie und ihre Kolleginnen täglich umgehen müssen. "Wir stellen aber fest, dass die Menschen, die wir aufnehmen, von einer tiefen Erleichterung und Dankbarkeit erfüllt sind." Dies gehe in der aktuellen öffentlichen Diskussion immer wieder unter.

"Wir müssen uns als Gesellschaft für eine positive Aufnahmehaltung engagieren und immer wieder dafür kämpfen", warb Anton Rütten vom NRW-Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales. Aufnahme und Integration sei eine Querschnittsaufgabe, für sein Haus ebenso wie für die Gesellschaft insgesamt. "Dem Wohnen kommt für eine gelingende Integration eine Schlüsselrolle zu", unterstrich Rütten.

Dr. Hannes Schammann, Juniorprofessor für Migrationspolitik an der Universität Hildesheim, warb dafür, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Zuwanderer strukturell, kulturell und sozial integriert werden können. "Erst wenn das gelingt, werden sich die neuen Mitbürger dauerhaft mit unserem Land identifizieren", so Prof. Schammann. Er erinnerte daran, dass Stadtteile, die von Migrantinnen und Migranten besonders nachgefragt sind, oftmals die Funktion eines "Brückenkopfes" übernähmen. Man gehe zunächst dort hin, wo schon Landsleute wohnen, um im Idealfall später in andere, "bessere" Stadtteile weiter zu ziehen. Auch Schammann sah die Zuwanderung als Chance für eine Gesellschaft im demografischen Wandel.

Wie wichtig die gebaute Umwelt für die Menschen ist, insbesondere für Menschen, die eine neue Heimat suchen, zeigte ein dritter Videofilm, der zwei junge Männer durch die Bochumer Hustadt begleitete. Beide zeigten sich begeistert von den Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen des hochverdichtdeten Wohnquartiers, das im Zuge der Baus der Uni Bochum ab Ende der 1960er Jahre entstanden war und 30 Jahre später als "Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf" galt. "Damals haben sich viele Bewohner der Hustadt an den Rand gedrückt gefühlt", berichtete Sebastian Mayer-Druzba, Leiter des Kinder- und Jugendzentrums HuTown. Durch die Sanierung der Gebäude, die Neugestaltung von Plätzen und Spielzonen und neue soziale Angebote lebten die Menschen heute wieder gerne in der Hustadt. "Das haben die Architekten und Stadtplaner wirklich gut hingekriegt", sagt Rapper Timmi am Ende des Videofilms. Denn auch das zog sich durch alle Interviews und Filmsequenzen: Die Menschen wollen ankommen und sich mit ihrem Quartier und ihrer Wohnung identifizieren. "Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner haben die Möglichkeit, daran mitzuwirken, dass dies möglichst vielen gelingt", fasste Moderatorin und Journalistin Karin Niemeyer zusammen.

Vortrag

"Migration – Wie ändert sie unsere Gesellschaft, wie müssen Architektur und Stadtplanung reagieren?" - Prof. Dr. Hannes Schammann (PDF)

Videos

Die drei Filmbeiträge, die bei der Veranstaltung gezeigt wurden, können Sie auf der Seite der Aktionsplattform "NRWlebt." sowie im Youtube-Channel der AKNW noch einmal ansehen.

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