Oben wohnen - das "Sternhaus" in Düsseldorf

Der Turm scheint ein wenig aus der Zeit gefallen. Im Vergleich zu den strahlend-weißen Bürohochhäusern in der Nachbarschaft wirkt das 18-stöckige Wohnhochhaus mit dem schönen Namen „Sternhaus“ in Düsseldorf-Golzheim wie ein wuchtiger Fels im Strom der Zeit. Dicht gereihte Balkonbrüstungen aus Sichtbeton, die aus vorgefertigten Blumentrögen bestehen, dominieren als horizontales Muster die Fassaden. Die geschlossenen Flächen dazwischen sind mit geschosshohen Waschbetonplatten verkleidet, und der Eingang an der Nordseite besteht aus zwei schmalen Türen, die in ein gedrungenes Foyer führen, von dem zwei Aufzüge die Etagen erschließen. Dennoch, der Solitär, mit dessen Bau 1968/69, vor 50 Jahren, begonnen wurde, bestimmt mit seinen 63 Metern noch immer seine Umgebung.

27. Januar 2019von Frank Maier-Solgk

Hierzu trägt neben der herausgehobenen Lage am Schnittpunkt zweier Ausfallstraßen vor allem der markante Gebäudegrundriss bei: Drei Sechsecke sind sternförmig um einen wiederum 6-eckigen Versorgungskern angeordnet. Das Architekturbüro HPP hatte hier im Sinne strukturalistischer Ideen das gleiche Muster verwendet wie beim kurz zuvor begonnenen Rank-Xerox-Verwaltungsgebäude auf der anderen Rheinseite, das als Beispiel des Betonbrutalismus seit 1994 unter Denkmalschutz steht.

Bauherr des Sternhauses war eine Bauträgergesellschaft für Facharztpraxen, von denen viele nach der Fertigstellung 1972 einzogen. Gemeinschaftslabore und eine gemeinsame Abrechnungsstelle unterstützten die Praxen, während oben großzügige Wohnatmosphären für die Ärzteschaft geplant wurden und im UG ein Schwimmbad der Entspannung diente. Die Moderne gab sich in einem umfassenden Sinn funktionalistisch.Man kam noch ohne Wortgeklingel aus: Was heute Concierge heißt, gab es auch damals, nannte sich aber simpel „Pförtnerservice“. 

Heute belegen den unteren Gebäudeteil fast ausschließlich die Showrooms der Modelabels, die in diesem Viertel seit Jahren schon eine Art dezentraler Modemesse etablierten. Bei 12 bis 15 Euro, unterhalb der mittleren Marge der Stadt, liegen laut Immobilienfirma die Quadratmeterpreise; dem Alter des Hauses muss man Tribut zollen. Aber der Stadtteil, der traditionell als Konsulatsviertel gilt und heute ein hochwertiger Bürostandort ist, bietet eben doch Vorteile: Verkehrsgünstig gelegen, der Rhein in der Nachbarschaft, glänzen die Wohnungen in den oberen acht Etagen mit einer 1 a Aussicht über Stadt und Fluss.

Das Sternhaus war zu seiner Entstehung fast ein Prototyp. Ein Jahr später wurde in Köln mit dem 143 m hohen Colonia-Haus (Architekt: Henrik Busch) das damals europaweit höchste Wohnhochhaus fertig gestellt. In München machte zuvor das Arabella-Hochhaus (1969, Architekt Toby Schmidbauer) von sich reden. Doch insgesamt blieb der Typus zumindest in seiner anspruchsvollen Variante eine Rarität - bis in den letzten Jahren Platzknappheit, der Run in Innenstädte und Finanzmarkttrends dem vertikalen Bauen wieder Aufwind bescherte, auch in Düsseldorf. „Die Düsseldorfer schlafen sich nach oben“, schrieb vor kurzem die Immobilienzeitung. Hier sollen nach einer Marktstudie (2017) aktuell 2200 Wohnungen im Hochgeschossbereich errichtet werden. 

Im Kontrast zu den 1970er Jahren, als man Wohnhochhäuser mit sozialen Problemen identifizierte, entsteht die heutige Generation wieder in bevorzugter Innenstadtlage, meist in Verbindung mit einer Mantelbebauung aus flachen Geschoßwohnungsbauten. Das Düsseldorfer „Quartier Central“ entlang der Bahngleise wird bereits von drei neuen Wohntürmen beherrscht (HPP/Hadi Teherani; HPP; Molestina/RKW). In Bau ist in der Landeshauptstadt der sogenannte „Rheintower 740“ auf dem ehemaligen Gelände des Dominikus-Krankenhauses (J. Mayer H, Höhler + Partner; auch hier dient die Sockeletage der medizinischen Versorgung), und das nächste Wohnhochhauszentrum entsteht auf dem ehemaligen Postgelände hinter dem Hauptbahnhof.  Während diese Generation der Wohnhochhäuser in Düsseldorf bei einer Höhe von rund 60 Meter verbleibt, wird schließlich der „UpperNord Tower“ (CG Gruppe) mit 120 Metern neue Wohndimensionen erschließen. Ein Ende der Entwicklung ist nicht absehbar.

Und auch wenn die in der Regel hochpreisigen Landmarken aufgrund der noch überschaubaren Zahl und der Kosten die aktuelle Wohnungsnachfrage kaum lösen werden, sind ihre Auswirkungen doch beträchtlich: Sie verändern die soziale Struktur ihrer Umgebung; in städtebaulicher Hinsicht sind sie inzwischen zu kommunalen Aushängeschilder avanciert. Eine architektonische Kritik, die den Namen verdient, steht noch aus.                            

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