Sachverständigentag 2019: Aktuelle Themen für Sachverständige

Im Mittelpunkt des diesjährigen Sachverständigentages der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am 21. März standen die neue BGH-Rechtsprechung in Bezug auf den Wegfall des fiktiven Schadensersatzanspruchs sowie der Niederschlag der Datenschutzgrundverordnung in der Tätigkeit des Sachverständigen. Der Präsident der Architektenkammer, Ernst Uhing, begrüßte die rund 90 Teilnehmer des Sachverständigentages und stellte heraus, dass die gesetzlich zugewiesene Aufgabe des Sachverständigenwesens seit jeher einen wichtigen Bereich der Kammerarbeit darstelle.

15. April 2019von Dorothee Dieudonné

„Es wird in den nächsten Jahren für die Architektenkammer als Bestellungskörperschaft immer wichtiger, für ausreichenden Nachwuchs an öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu sorgen“, betonte Uhing. „In Zeiten guter Baukonjunktur und bei vergleichsweise bescheidenen Vergütungssätzen der Justiz überlegen sich Sachverständige inzwischen einmal mehr, sich überhaupt öffentlich bestellen zu lassen“. Vor diesem Hintergrund begrüßte der Präsident der Architektenkammer die beabsichtigte Anpassung der Stundensätze im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

Ernst Uhing erwähnte im Kreis der Sachverständigen auch die Arbeit des Qualitätszirkels Sachverständigenwesen in Nordrhein-Westfalen unter Federführung des OLG Hamm, dem auch die Architektenkammer NRW weiterhin angehört. Durch seine Arbeit will dieser dazu beitragen, dass durch eine effektivere Zusammenarbeit zwischen Gerichten und Sachverständigen der Sachverständigenbeweis zügig und qualitativ hochwertig durchgeführt wird. Zu den Aufgaben des Qualitätszirkels gehörte im vergangenen Jahr insbesondere auch die Veröffentlichung der Checkliste für Immobilienbewertungsgutachten.

Berufspolitische Schwerpunkte
Der Präsident wies auf verschiedene berufspolitische Schwerpunkte der Kammerarbeit NRW hin. Er sprach über die Kernpunkte der seit dem 01.01.2019 in Kraft getretenen neuen Landesbauordnung NRW als einen wichtigen Impuls für den Wohnungsbau in NRW, verwies auf die anstehende Novelle des Baukammerngesetzes NRW sowie das Befreiungsrecht, bei dem es zu der Frage, ob eine befreiungsfähige Tätigkeit vorliege, mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine äußerst positive Entwicklung gäbe.

Schließlich sprach Uhing auch über die HOAI und informierte die Teilnehmer über die seit Ende Februar vorliegenden Schlussanträge des Generalanwalts in dem Klageverfahren der EU-Kommission gegen die BRD vor dem Europäischen Gerichtshof, indem dieser die Mindest- und Höchstsätze bedauerlich als EU-rechtswidrig bezeichnet hat. Auch wenn das letzte Wort in dem Verfahren noch nicht gesprochen ist – das abschließende Urteil des EuGH ist für das zweite oder dritte Quartal 2019 zu erwarten – müssen wir uns nun zeitnah mit den Auswirkungen eines möglichen negativen Urteils befassen“, erläuterte Uhing.
Wichtig sei es, so Uhing, den Planern in Deutschland eine verlässliche und handhabbare Lösung in Abstimmung mit den zuständigen Ressorts der Bundesregierung an die Hand zu geben.

Ende des „Fiktiver Schadensersatzanspruchs“
Äußerst interessiert folgten die Zuhörer dem Fachvortrag von Referent Marko Heldt zu dem Thema „Ende des fiktiven Schadensersatzanspruchs im Werkvertragsrecht? – Aktuelle Rechtsprechung des BGH“. Heldt erläuterte den Sachverständigen die Leitsätze des BGH-Urteils vom 22.02.2018, wonach nun keine fiktiven Mängelbeseitigungskosten mehr vom Besteller des Werkes geltend gemacht werden können. Er arbeitete klar heraus, dass es in der Vergangenheit bei der fiktiven Schadensberechnung oft zu einer Überkompensation gekommen sei, weil es im Einzelfall schwierig war, die Mängelbeseitigungskosten fiktiv festzustellen und daher wirtschaftlich oft unvertretbare Ergebnisse herausgekommen seien.

Verzichte der Bauherr auf eine Beseitigung des Mangels und behalte das Werk, finde nach neuer BGH-Rechtsprechung eine Schadensbemessung im Wege der Vermögensbilanz statt, d.h. die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der mangelfreien und dem tatsächlichen Wert der mangelhaften Sache werde ermittelt. Heldt stellte klar, dass dem Bauherrn weiterhin die Möglichkeit offenstehe, für die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung einen Vorschuss zu fordern, über den nachfolgend abzurechnen ist. Heldt erläuterte, dass es anders bei einer Veräußerung aussähe. Hier entspräche der Mindererlös dem Schaden. Er wies weiter darauf hin, dass die neue BGH-Rechtsprechung sich auch auf Architektenverträge beziehe. Der Bauherr könne hier seinen Schaden bemessen, indem er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werkes ermittele und dies dem Architekten entgegenhalten. Anhand anschaulicher Beispielsfälle zeigte der Referent den Sachverständigen Lösungsmöglichkeiten zur Schadensbezifferung bei Nichtbeseitigung des Schadens durch den Bauherrn auf und wies auf das sachverständige Ermessen hin. Ziel sei es, einen angemessenen Wert zu ermitteln. Aus Sicht des Referenten werden erst zukünftige Urteile für die Frage der Schadensbezifferung helfen. Der BGH habe, so resümierte Heldt, bislang nur den Weg vorgegeben, mehr nicht. 

DSGVO in der Sachverständigentätigkeit
Im Anschluss referierte Rechtsanwältin Janina Winz zu dem Thema „Die Datenschutzgrundverordnung in der Tätigkeit des Sachverständigen“. Die Referentin erläuterte den Teilnehmern anschaulich die allgemeinen Rechtsgrundlagen und Besonderheiten der Datenschutz-Grundverordnung im Rahmen der Sachverständigentätigkeit. Dabei leitete sie ihren Vortrag mit einem Zitat von Professor Thomas Hoeren, Münsteraner Informationsrechtler ein, der die neue europäische Datenschutzverordnung als eines der schlechtesten, hirnlosesten Gesetze des 21. Jahrhunderts bezeichnet habe. Sie stellte jedoch klar, dass auch bereits vor dem 25.05.2018 datenschutzrechtliche Vorschriften anzuwenden gewesen seien.

Das Revolutionäre der Datenschutzgrundverordnung sei die nunmehr vorgesehene Höhe des Bußgeldrahmens bis zu 20 Millionen Euro für Unternehmen. Dabei arbeitete sie die zu beachtenden Unterschiede bei den Informationspflichten in Bezug auf Gerichtsgutachten und Privatgutachten für Sachverständige klar heraus. Sie wies darauf hin, dass die Sachverständigen bei der privatrechtlichen und auch bei gerichtlichen Beauftragung eigenständig Verantwortliche im Sinne der Datenschutzgrundverordnung seien. Es handele sich nicht, wie von einigen Stimmen in der Literatur angenommen, um eine Auftragsdatenverarbeitung. Die Referentin wies darüber hinaus auch auf die bestehenden Löschpflichten für Sachverständige hin, sofern keine Aufbewahrungspflichten im Einzelfall mehr bestehen.

Im Anschluss an die beiden Fachvorträge nutzten die Sachverständigen die Gelegenheit, ihre Erfahrungen mit Kolleginnen und Kollegen im persönlichen Gespräch auszutauschen.

Info: Sachverständige AKNW-Mitglieder
Insgesamt sind derzeit 89 Sachverständige von der Architektenkammer NRW öffentlich bestellt und vereidigt. In den letzten zwei Jahren konnten vier Sachverständige für die Bewertung und vier Sachverständige für Schäden an Gebäuden von der Architektenkammer NRW neu bestellt werden.

Für die Sachgebiete bestehen jeweils eigene Fachgremien. Im Bereich Schäden an Gebäuden hat sich die Architektenkammer dem bundeseinheitlichen, schriftlichen Überprüfungsverfahren angeschlossen. Die Auswertung der Ergebnisse und die Fachgespräche verbleiben jedoch weiterhin im Fachgremium der Architektenkammer NRW, wie bei den anderen Bestellungskörperschaften auch.

Lesen Sie hierzu auch:

Vortrag von RA Marko Heldt (PDF)

Vortrag von RAin Janina Winz (PDF)

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