UrbanSlam: "Gekommen um zu bleiben"

Durch die Flüchtlinge, die zu uns kommen, erhalten wir wieder die Chance auf Visionen!“ Prof. Christian Moczala, der an der FH Dortmund Architektur lehrt, gab die Richtung für den zweiten UrbanSlam der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen vor. Die Zuwanderung zwinge zu vielen neuen Baumaßnahmen, die eine qualitätvolle, aber auch innovative Architektur voraussetze, so Moczala in seinem Auftritt als „performing scientist“. Mit dem Leitthema „Gekommen um zu bleiben“ hatte die AKNW ihren zweiten UrbanSlam bewusst der aktuellen Fragestellung gewidmet, wie Architektur und Stadtentwicklung auf Flucht und Vertreibung reagieren müssen. Fünf junge Planerteams bzw. Einzelakteure stellten sich mit ihren Konzepten und Ideen dem kritischen Votum des Publikums, das mit 180 Gästen im künftigen Baukunstarchiv NRW in Dortmund ebenso zahlreich wie gespannt erschienen war.

22. April 2016von Christof Rose

„Wir wollen jungen, aufstrebenden Kolleginnen und Kollegen die Gelegenheit geben, sich mit ihren fachlichen Beiträgen pointiert zu präsentieren - und wir wollen die städtebauliche Diskussion befeuern“, erläuterte AKNW-Vizepräsident Michael Arns in seiner Begrüßung das Konzept des „UrbanSlam“. Maximal zehn Minuten standen den Slammerinnen und Slammern dann zur Verfügung, die intensiv genutzt wurden.

Den Auftakt machte der Kölner Architekt Martin Bachem, der sein Konzept einer „Stadtplastik“ für Köln vorstellte: Zur Bewältigung des Wohnungsbedarfs schlägt er die Herausarbeitung eines Hochhausrings vor, der die Ringstruktur des Stadtgrundrisses aufgreift und weithin sichtbar in die Höhe führt. „Wir brauchen Wohnhochhäuser in Köln“, erklärte der junge Architekt. „Wir dürfen sie aber nicht verstecken, sondern müssen sie als Ensemble gestalten.“

Einen anderen Ansatz der Stadterweiterung stellten drei junge Studierende der FH Dortmund vor. Julia Pütz, Björn Schwabe und Andree Agapov entwickelten für den Stadtteil Altenessen-Süd das Konzept eines „Fairtrade-Quartiers“: Hier könnten Flüchtlinge leben, die in lokale Wirtschaftsprojekte integriert werden (Gärtnerei, Lebensmittel, Restauration, Bauhandwerk, etc.), die auf fair angebauten und gehandelten Produkten basieren sollten. So könne ein Konzept mit Vorbildcharakter entstehen, das in den kommenden Jahren Nachahmer in vielen Städten finden und damit langfristig zu einem faireren Wirtschaftsleben führen könne, so die Vision der jungen Planer.
Ähnlich in der Aussage, aber anders im Vortrag präsentierte Isabel Finkenberger ihr „Manifest für die Zusammenstadt“: Auch die junge Planerin aus Köln forderte mehr Gemeinsinn und sozialen Ausgleich ein, trug ihre Thesen aber abstrakt und kämpferisch vor. Sie zitierte den Freiherrn Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge, der ein System gefordert hatte, „dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind“.

Ein konkretes Beispiel für eine städtebauliche Ergänzung stellte Christian Honstein, der an der TU Dortmund Architektur und Städtebau studiert, vor. Seine Vorschläge für ein „Neues Wohnen am alten Bergwerk Hamm-Ost“ setzten nicht auf radikale Brüche, sondern auf eine behutsame und respektvolle Entwicklung des Standorts auf der Grundlage vorhandener Strukturen.

Mit einem gerappten Gedicht stieg Anna Weber in ihr Thema „Afroshops & Shishabars“ ein. Ihre These lautete: Zuwanderung bringt Vielfalt, wenn wir uns im kontinuierlichen Dialog einander zuwenden. Ein gelebtes Beispiel sei die „Thai-Wiese“ in Berlin, eine kleine Grünanlage, in der sich ein regelmäßiger Austausch zwischen Deutschen und Zuwanderern aus Thailand entwickelt habe. Ursprünglich als Picknick gestartet, ist die „Thai-Wiese“ heute eine Art Lebensmittelbasar mit festen Regeln und Strukturen. Durch Dialogangebote habe auch die anfangs ablehnend eingestellte Nachbarschaft der Wiese für das interkulturelle Projekt gewonnen werden können.

Mit ihrem lebendigen Vortrag konnte Anna Weber auch das Publikum für sich gewinnen. Die von Moderatorin Patrycja Muc souverän und charmant geleitete Abstimmung per Applaus fiel eindeutig zugunsten der jungen Aachener Architektin und Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Gebäudelehre der RWTH aus.

Das überwiegend junge Publikum nutzte den Ausklang des Abends, um mit den Slammerinnen und Slammern zu diskutieren und zu feiern. Der UrbanSlam hat sich mit der zweiten Ausgabe als junges, urbanes Veranstaltungsformat erneut bewährt.

Teilen via