Vernissage: Ausstellung "Neues Bauen im Westen"

„Das eine Bauhaus gibt es nicht. Es gibt allenfalls viele Bauhäuser!“ Mit pointierten Aussagen führte Prof. Dr. Thorsten Scheer (Peter Behrens School of Arts, Düsseldorf) am 5. Februar in die Ausstellung „Neues Bauen im Westen“ ein. Vor rund 200 Gästen stellte Prof. Scheer als Kurator der Ausstellung sein Herangehen an das komplexe Thema und die realisierte Ausstellung im Haus der Architekten vor.

07. Februar 2019von Christof Rose

Mit der Ausstellung „Neues Bauen im Westen“ zeichnet die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen die wichtigsten der Entwicklungslinien des Bauhauses aus rheinisch-westfälischer Perspektive nach. In über 250 Exponaten und 15 eigens für die Ausstellung geschaffenen Architekturmodellen bietet die Ausstellung dem Besucher die Möglichkeit, wechselseitige Einflussnahmen und Impulse zu überprüfen und auf Spurensuche bis in die Gegenwart zu gehen.

Einflüsse und Wechselwirkungen

„Das Bauhaus übt bis heute großen Einfluss auf Architektinnen und Architekten aus“, erläuterte Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, den Hintergrund des Projektes anlässlich der Vernissage. „Mit unserer Ausstellung wollen wir den architektonischen Schwerpunkt des Bauhauses im historischen Kontext beleuchten und aufzeigen, welche Wirkungen das Bauhaus für die weitere Entwicklung der baulichen Moderne entfaltet hat.“

Wie ist das Bauhaus im Rheinland und in Westfalen rezipiert worden? Welche Bauten verweisen unmittelbar auf die einflussreiche Kunst- und Bauschule? Welche früheren, parallelen und späteren Entwicklungen haben das Neue Bauen im Westen Deutschlands ausgemacht? – Mit der Wanderausstellung „Neues Bauen im Westen“ geht die Architektenkammer NRW diesen Fragen nach. In einer beeindruckenden Ausstellungsarchitektur werden Vorläuferentwicklungen wie der Hagener Impuls, die Arbeit des Werkbundes und der moderne Industriebau mit Peter Behrens nachgezeichnet und die Folgewirkungen des Bauhauses bis in die Nachkriegsmoderne dargestellt. Fotos, Texte und maßstabsgerechte Holzmodelle, die von Studierenden der Peter Behrens School of Arts (PBSA, HS Düsseldorf) angefertigt wurden, machen die Architekturentwicklung des „Neuen Bauens“ auch sinnlich erfahrbar.

Ausdruck gesellschaftlicher Umbrüche
Die Ausstellung weist dabei stets auf die gesellschaftlichen Hintergründe und Bezüge der Entwicklungslinien in Architektur und Städtebau hin. Denn, so unterstreicht Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen: „Der Einfluss der Bauhaus-Bewegung reichte über Industriearchitektur und Kunstgewerbe hinaus, prägte Mode und Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens und befeuerte die Sehnsucht nach demokratischem Aufbruch.“ Das Bauhaus verdichtete Strömungen und gesellschaftliche Entwicklungen seiner Zeit in einem katalytischen Prozess. Formale Vereinfachung und das Ziel, vor allem auf dem Feld des Wohnungsbaus zu einer konkreten Verbesserung der Lebensumstände einkommensschwacher Schichten beizutragen, prägten das Bild der Bauhausästhetik seit den 1920er Jahren.

Nachträgliche Stilisierung
„Das Bauhaus, das wir kennen und über das wir gewöhnlich sprechen, ist das Ergebnis seiner wechselvollen Rezeptionsgeschichte“, betonte Prof. Thorsten Scheer in seiner Ansprache. In der zeitgenössischen Presse etwa sei allenfalls in Randnotizen über die Gründung des Bauhauses berichtet worden. Vor allem in der Zeit der jungen Bundesrepublik aber habe das Bauhaus eine Wirkung entfaltet, die als Überlagerung künstlerischer und politischer Diskurse etwa in den Bonner Bundesbauten nachhaltig Spuren in Nordrhein-Westfalen hinterlassen habe. „Damit und selbstverständlich auch mit den Ursprüngen in Hagen sowie den dringend gebotenen Abgrenzungen vom zweckrationalen Industriebau des Ruhrgebiets und den Erscheinungen des sogenannten Bauhausstils beschäftigt sich die Ausstellung und bietet dem Besucher eine Vielzahl von unterschiedlichen Betrachtungsweisen.“

Landesverbund „100 Jahre Bauhaus im Westen“
Die Ausstellung sei ein zentrales Projekt innerhalb des Landesverbundes „100 Jahre Bauhaus im Westen“, unterstrich Dr. Joachim Henneke. Der Landesbeauftragte für das Bauhaus-Jubiläum hob hervor, dass die geplanten Stationen der Ausstellung in fünf weiteren NRW-Städten und in Berlin dazu beitragen würden, die Thematik an ein breites, kulturell interessiertes Publikum heranzutragen. „Die Architektenkammer ist dabei mit dieser beeindruckenden Ausstellung unser wichtigster Partner“, so Dr. Henneke.

www.neues-bauen-im-westen.de
Dies umso mehr, als die Ausstellung ergänzt wird um das Webportal www.neues-bauen-im-westen.de. Hier sind die in der Ausstellung gezeigten, aber auch viele weitere relevante Objekte des Neuen Bauens im heutigen Nordrhein-Westfalen in Bildern und Texten abrufbar. Die Architektenkammer NRW konnte unter Mitwirkung der Denkmalpflegeämter der Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL) insbesondere Bauwerke der 1920er und -30er Jahre zusammenstellen, die einen umfassenden Überblick gewährleisten. Das Spektrum der dargestellten Bauwerke reicht insgesamt vom Beginn des 20. Jahrhunderts über die Nachkriegsmoderne bis in die 1980er Jahre. Die Website bietet auch die Möglichkeit, regionale Themenschwerpunkte abzurufen und eigene Routen zu erstellen. „Wir wünschen uns, dass die Ausstellung und die Website vielfältige Anregungen für Rundreisen und Besuche von Objekten des Neuen Bauens vor Ort geben“, bekräftigte Dr. Hildegard Kaluza, Abteilungsleiterin im NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft, auf der Vernissage. Auch auf der Website des Landesverbundes unter www.bauhaus100-im-westen.de seien Empfehlungen für die eine oder andere „Petit Tour“ (in Ergänzung zu der bundesweiten „Grande Tour“) zu finden.

Die Wanderausstellung „Neues Bauen im Westen“ wird nach ihrer Erstpräsentation im Haus der Architekten auch an weiteren Standorten präsentiert: in der NRW-Landesvertretung in Berlin (13. – 31.05.2019), im Baukunstarchiv NRW in Dortmund (04.06. – 01.07.2019), in der Bürgerhalle des LWL in Münster (10. – 23.07.2019), im LVR-Haus in Köln (05. – 27.09.2019), im Technischen Rathaus Bielefeld (03. – 31.10.2019) sowie in der RWTH Aachen (14. – 28.11.2019).

„Neues Bauen im Westen“ ist ein Projektbeitrag der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen zum Landesverbund „100 Jahre Bauhaus im Westen“ und wurde mit Förderung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW realisiert. Kurator ist Prof. Dr. Thorsten Scheer (PBSA, Hochschule Düsseldorf). Projektpartner sind die Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen (LWL).

Bis 29.03.2019 im Haus der Architekten (Zollhof 1, 40221 Düsseldorf-Medienhafen). Öffnungszeiten: Mo-Fr 8.00 bis 17.00 Uhr. Auch an einigen Samstagen kann die Ausstellung besucht werden: 16.02.2019, 23.02.2019, 16.03.2019, 23.03.2019: jeweils 11.00 – 17.00 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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