Kündigung des Architektenvertrags wegen Überschreitung der Baukosten

20. Mai 2015von Dr. Sven Kerkhoff

Architektin A wendet sich mit folgender Frage an die Architektenkammer NRW: „In einem Bauvorhaben bin ich mit Erbringung der Leistungsphasen 6 bis 8 beauftragt. Gestern hat mein Bauherr unseren Architektenvertrag aus heiterem Himmel gekündigt. Seine Begründung: Ich hätte die Baukosten massiv überschritten. Das kann doch nicht richtig sein. Baukosten sind doch Sache des Kollegen, der mit den Leistungsphasen 1 bis 5 beauftragt war - oder sehe ich das falsch!?"

Leider ja! In einem vergleichbaren Fall hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Urteil vom 16.12.2014 (AZ: 9 U 491/14) ausdrücklich festgehalten: Der nur mit den Leistungsphasen 6 bis 8 beauftragte Architekt muss sich zur Erfüllung der von ihm als Grundleistung geschuldeten Pflicht zur Kostenkontrolle schon vor der Auftragserteilung des Bauherrn an Bauunternehmer über den vom Bauherrn gewollten Kostenrahmen von diesem informieren lassen.

In dem vom OLG behandelten Fall verhielt es sich so, dass der Bauherr zunächst ein Architekturbüro mit den Leistungsphasen 1 bis 5 beauftragt hatte. Dieses schätzte die zu erwartenden Baukosten auf 400 000 Euro. Der Bauherr teilte dem Architekturbüro im weiteren Verlauf mit, er habe maximal 600 000 Euro zur Verfügung. Die im Rahmen der Leistungsphase 3 erstellte Kostenberechnung belief sich auf rund 800 000 Euro.

Der im Anschluss mit den Leistungsphasen 6 bis 8 beauftragte Architekt erstellte Leistungsverzeichnisse, auf deren Grundlage der Bauherr einige Bauhandwerker beauftragte. Der Bauherr kündigte dem Architekten sodann aus wichtigem Grund und stoppte das Bauvorhaben. Der Bauherr rügte, dass der Architekt seine Leistungen mangelhaft erbracht habe; insbesondere werde der von ihm vorgegebene Kostenrahmen von 600 000 Euro bei einer Fortführung des Bauvorhabens erheblich überschritten.

Das OLG folgte der Argumentation des Bauherrn. Der bauausführende Architekt hätte sich nach der durch den in Leistungsphase 3 tätigen Architekten erstellten Kostenberechnung erkundigen müssen! Wörtlich spricht das OLG, angelehnt an die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 21.03.2013, AZ: VII ZR 230/11), von einer „Pflicht zur Initiative“. Nur so hätte der hinzugekommene Architekt die von ihm geschuldete „Kostenkontrolle“ der Leistungsphase 7 ordnungsgemäß durchführen und dem Bauherrn eine realistische Kostenprognose liefern können.

Zwar dürften die inhaltlichen Anforderungen an die Kostenkontrolle nicht übertrieben werden, es gehe jedoch um die konkrete Information des Bauherrn unter Berücksichtigung von dessen Kenntnissen (vgl. Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 12. Auflage 2014, § 34 Rn. 183). Deshalb entlaste es den bauüberwachenden Architekten nicht, wenn dieser in seinem Architektenvertrag mit dem Bauherrn kein „maximales Baukostenlimit“ vereinbart habe und er lediglich auf die Ergebnisse des planenden Architekten habe aufbauen sollen. Der Architekt hätte vielmehr selbst aktiv werden und den Bauherrn nach den anzustrebenden maximalen Kosten fragen müssen. Tut er das nicht und überschreiten die Baukosten das Limit des Bauherrn deutlich, hat der Bauherr ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund.

Praxistipp:

In dem vom OLG München behandelten Fall war die  HOAI 2002 anzuwenden. Die Entscheidung ist jedoch auf die HOAI 2013 übertragbar. Die entsprechende Grundleistung der Leistungsphase 7 HOAI 2013 lautet: „Vergleichen der Ausschreibungsergebnisse mit den vom Planer bepreisten Leistungsverzeichnissen oder der Kostenberechnung.“ Die Entscheidung  des OLG München zeigt wieder einmal, dass das Thema Baukosten  ein Bauvorhaben – und damit auch den Architekten – von Anfang bis Ende begleiten. Auch der zu einem späteren Zeitpunkt hinzutretende Architekt sollte diesem Thema daher besondere Aufmerksamkeit schenken, denn die Folgen einer Pflichtverletzung können im Einzelfall erheblich sein: Darf der Bauherr den Architektenvertrag aus wichtigem Grund kündigen, steht dem Architekten nur ein seinen tatsächlichen Leistungen entsprechender Honoraranspruch zu. Hat der Architekt seine vertraglichen Leistungspflichten schuldhaft verletzt, kann dem Bauherrn zudem ein Schadensersatzanspruch zustehen. 

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