Aktionsplattform „NRWlebt.“ der Architektenkammer NRW zog nach drei Jahren Bilanz

„Das Planen und Bauen in Deutschland muss noch stärker auf die Herausforderungen des demografischen Wandels reagieren.“ Mit diesem Appell zog die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am 3. Mai 2017 Bilanz unter ihre Aktionsplattform „NRWlebt.“ Zum Abschluss des Projektes stellte die Architektenkammer vor 200 Gästen in Düsseldorf acht Thesen vor, die als Handlungsempfehlungen an die Akteure der Planungs-, Bau- und Immobilienwirtschaft formuliert wurden. „Unsere Gesellschaft wird weiterhin insgesamt älter, weniger und bunter“, stellte Klaus Brüggenolte, Vizepräsident der Architektenkammer NRW, auf der Veranstaltung in der Akademie der Wissenschaften und der Künste fest. „Unsere Wohn- und Arbeitsorte, unsere Freiräume und Infrastrukturen, unser Städte und Gemeinden müssen so gestaltet werden, dass sie für alle Bevölkerungsgruppen dauerhaft nutzbar bleiben.“

05. Mai 2017

Im Mai 2014 hatte die Architektenkammer NRW unter dem programmatischen Titel „Ideen, Perspektiven und Visionen für das Planen und Bauen im demografischen Wandel“ die Aktionsplattform „NRWlebt.“ ins Leben gerufen. Unter der Schirmherrschaft von NRW-Bauminister Michael Groschek verfolgte „NRWlebt.“ das Ziel, die vielfältigen Aspekte, die der demografische Wandel für die Planungsbranche umfasst, intensiv öffentlich zu diskutieren und damit den Handlungsdruck zu unterstreichen, der sich aus der Alterung und Schrumpfung der deutschen Gesellschaft sowie der Zuwanderung ergibt. In drei Jahren wurden in sieben dezentralen Veranstaltungen quer im ganzen Land Herausforderungen und Chancen, die der demografische Wandel dem Berufsstand der Architektinnen und Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplanern bietet, diskutiert und analysiert. „Wir brauchen die durchmischte Stadt, in der Jung und Alt, Arm und Reich, Alteingesessene und Zuwanderer miteinander leben können“, hob Klaus Brüggenolte hervor. Zu den zentralen Aufgabenstellungen der Branche gehöre der barrierearme Umbau von Gebäuden, öffentlichen Freiräumen und Verkehrsangeboten, die qualitätvolle Entwicklung öffentlicher Plätze und Grünflächen sowie die Entwicklung neuer Wohn- und Arbeitsorte in der Stadt.

Michael von der Mühlen, Staatssekretär im Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, unterstrich in der Abschlussveranstaltung in Düsseldorf die Bedeutung der vielfältigen Diskussionsprozesse, die „NRWlebt.“ im Lande angestoßen und geführt habe. Als dringliche Handlungsfelder sah von der Mühlen die Schaffung bezahlbaren Wohnraums in den Wachstumsstädten und eine engere interkommunale Kooperation bei der Entwicklung der Infrastrukturen. „Wir müssen die Innenentwicklung unserer Städte vorantreiben und parallel dazu die Stadt-Umland-Kooperationen verbessern“, erklärte der Baustaatssekretär. Wichtig sei dabei, die Bevölkerung in Planungsprozesse einzubeziehen und neue Beteiligungsformate zu entwickeln. Die Aktionsplattform „NRWlebt.“, die konsequent auf einen Dialog zwischen Planungsfachleuten und interessierten Laien setzte, habe dazu vielfältige Anregungen geben können.

Die Architektenkammer NRW hatte mit „NRWlebt.“ in den Jahren 2014 bis 2017 unterschiedliche Ansätze gewählt, um Bürgerinnen und Bürger für die Fragestellungen des demografischen Wandels zu interessieren. So wurden in Köln unter dem Titel „Mobiler leben“ Stadterkundungsspaziergänge angeboten. Die Bedeutung des Sozialwohnungsbaus in Deutschland wurde in einem Fotowettbewerb herausgearbeitet, bei dem Profi- und Hobbyfotografen aufgerufen waren, ihre Bilder vom geförderten Wohnungsbau einzureichen. Im Themenfeld „Leben in neuer Heimat“ wurden Video-Gespräche mit jungen Flüchtlingen geführt, um die Perspektive von möglichen künftigen Mitbürgern in den Diskurs einzubinden. In Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen wurden darüber hinaus immer wieder Best-Practice-Bespiele vorgestellt, mit denen die konkrete Umsetzung von Planungsideen anschaulich dargestellt werden konnte.

Die Dokumentation der Themen von „NRWlebt. – Planen und Bauen im demografischen Wandel“ sowie eine Sammlung der realisierten Objektbeispiele findet sich auf der Online-Plattform www.nrw-lebt.de. Hier sind auch zahlreiche Vorträge aus den einzelnen Veranstaltungen und zusammenfassende Berichte abrufbar. Die Abschlussbroschüre „Planen und Bauen im demografischen Wandel: Themen und Thesen aus drei Jahren NRWlebt.“ kann kostenlos bei der Architektenkammer NRW bestellt werden unter zentrale@aknw.de.

Die Aktionsplattform „NRWlebt.“ war ein Projekt der Landesinitiative StadtBauKultur NRW 2020.

Thesen der Architektenkammer NRW zum Planen und Bauen im demografischen Wandel


These 1: Der demografische Wandel muss in großer Breite gesellschaftlich aufgegriffen und diskutiert werden. Kurzfristig intervenierende Phänomene werden die grundsätzliche Entwicklung nicht maßgeblich verändern.
 
These 2: Der barrierearme Umbau unserer gebauten Umwelt ist eine zentrale Aufgabe, die gesellschaftlich gewollt, politisch gestützt und in der Planungspraxis konsequent berücksichtigt werden muss. Mehrkosten, die durch den Anspruch auf Barrierefreiheit und Inklusion entstehen, müssen entsprechend gesellschaftlich getragen werden.
 
These 3: Lebenswerte Städte sind fußgängerfreundlich. Das Fahrrad muss in Städten und Quartieren eine echte Alternative zum Auto-Verkehr werden – insbesondere in den Wachstumsstädten unseres Landes. Der ÖPNV muss für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich und verständlich sein.
 
These 4: Der Rückbau von nicht mehr benötigtem Wohn- und Gewerberaum muss als Chance für die Entwicklung neuer, auch gemeinnütziger Qualitäten genutzt werden. Mehr Grün bedeutet mehr Lebensqualität und stärkt die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt.
 
These 5: Das Wohnen ist für die zu uns kommenden Menschen der direkte Weg in die Gesellschaft. Für eine gelingende Integration muss auf verschiedenen Ebenen parallel gearbeitet werden: strukturell, kulturell und sozial. Quartiere und Viertel müssen Schutz bieten, aber auch Kontaktflächen offerieren, damit ein Austausch zwischen den Kulturen gelingen kann.
 
These 6: Wir brauchen mehr Innovationskraft und Freiheit im urbanen Wohnungsbau. Die Vielfalt der Gesellschaft muss ein differenzierteres Angebot auf dem Wohnungsmarkt nach sich ziehen. Entsprechende Ansätze müssen mit Förderkonzepten und steuerlichen Anreizen unterstützt werden.

These 7: Angesichts der dramatisch schrumpfenden Zahl von Sozialwohnungen muss die Wohnungsbauförderung in NRW auf dem aktuell hohen Niveau gehalten werden. Die starken Wohnungsunternehmen müssen in die Pflicht genommen werden, ihrer großen sozialen Verantwortung gerecht zu werden. Zusätzlich sollte mit einer breit angelegten Imagekampagne für die Qualitäten des geförderten Wohnungsbaus geworben werden.
 
These 8: Wer sich zukunftsfähig aufstellen will, muss Probleme offen ansprechen und Instrumente entwickeln, um Bürgerinnen und Bürger zu aktivieren. Jenseits einzelner Fördermaßnahmen oder von Leuchtturmprojekten stärkt ein kooperatives Engagement von Eigentümern und Anwohnern die Identifikation mit dem Ort. So entstehen Standortqualität, Mut für Unternehmungen, Zuversicht für Investitionen und Vertrauen darauf, dass einzelne Dörfer und Kleinstädte durch interkommunale Vernetzung und Zusammenarbeit zukunftsfähig aufgestellt werden können – auf politischer Ebene wie auch im Erleben der Bürgerinnen und Bürger.

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