Die Stiftung Deutscher Architekten unterstütz-te Studierende der RWTH Aachen und der Uni Siegen bei der Umsetzung eines Hilfspro-jekts im Kongo

Studenten bauen für Studenten

„Es ist schon ein kleines Wunder, was hier in nur einem Monat entstanden ist“, so eröffnete tief bewegt der kongolesische Rektor der Université du Kasayi, Prof. Nyeme Tese, die Abschlussfeier des Projektes „Des étudiants construisent pour des étudiants“ (Studenten bauen für Studenten) am 29. März 2010 in Kananga in der Demokratischen Republik Kongo. Ja, wir haben es mit viel Schweiß, Ausdauer, Improvisation und Kreativität und gegenseitiger Hilfe geschafft, zwei Gebäude als Initialprojekt für die geplante neue Baufakultät im Kongo zu errichten.

26. April 2010von Prof. Dipl.-Ing. Rolf Westerheide

Das Projekt ist von der Vision geleitet, mit der Entwicklung und dem Neubau der Université du Kasayi einen wichtigen Baustein zur wirtschaftlichen und soziokulturellen Stabilisierung einer bislang vernachlässigten Region im Herzen Afrikas – in der Demokratischen Republik Kongo – zu setzen. Wir - das ist eine Gruppe bestehend aus 15 Studenten und sieben Hochschulmitarbeitern der RWTH Aachen (unter der Leitung von Prof. Rolf Westerheide) und der Universität Siegen (unter der Leitung von Prof. Bernd Borghoff), die am 27. Februar 2010 in die demokratische Republik Kongo geflogen sind, um dort ein Wohn- und Küchengebäude für Studenten der kongolesischen Université du Kasayi zu realisieren.

Die Reise war der bisherige Höhepunkt einer Entwicklung, die vor 14 Jahren begonnen hat. Seit 1996 existiert in Kananga, der Hauptstadt der Provinz Kasai-Occidental, die erste nachkoloniale Hochschule, die „Université Notre-Dame du Kasayi“. Seit 2001 ist der Lehrstuhl für Städtebau und Landesplanung der RWTH Aachen mit einem Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Rolf Westerheide und Stefan Krapp an der weiteren Entwicklung der Hochschule beteiligt.   

Viele Projektideen an der RWTH Aachen

In den letzten Jahren gab es an der RWTH zahlreiche Projekte und Entwürfe, die sich mit der Situation im Kongo befasst haben und aus denen viele Projektideen hervorgegangen sind. Das neueste Entwurfs- und Realisierungsprojekt - ein Studentenwohnheim für die kongolesischen Studenten, eine Kooperationsarbeit zweier deutscher Unis und einer jungen kongolesischen Uni - wurde finanziert von der Stiftung Deutscher Architekten, vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD), vom „Verein zum Aufbau und Austausch mit der Université du Kasayi (U.KA.) Kongo“ und vom Institut für Städtebau und Landesplanung der RWTH Aachen.

Der Entwurfsprozess erforderte aufgrund der finanziellen und technischen Ressourcen interdisziplinäre, innovative Herangehensweisen – unter Einbeziehung angepasster Technik-, Klima- und Konstruktionskonzepte, die in Symbiose mit den architektonischen Ideen entstanden sind. Da wir es bei der baulichen Umsetzung vor Ort nicht mit einem Team von erfahrenen Baupraktikern zu tun hatten, kam der Planung des Bauprozesses und der Erstellung einzelner Bauteile eine wesentliche Bedeutung zu.

Nach dem ersten großen Staunen und der Befürchtung, mit den Mitteln, Werkzeugen, der Hitze und dem Regen niemals in der kurzen Zeit einen solchen Gebäudekomplex aufbauen zu können, wurde die Begeisterung vor Ort immer größer. Denn die Herausforderung, quasi nur mit Handarbeit und mit Baumaterialien, die alle aus dem unmittelbaren Umfeld der Baustelle und Region stammen, zu arbeiten, spornte alle gleichermaßen an - Deutsche und Kongolesen.

Erbauen konnten wir die beiden Gebäudekomplexe nur durch die intensive und harte körperliche Arbeit der kongolesischen und deutschen Studenten. Auf der Baustelle gab es weder fließendes Wasser noch Elektrizität und auch keine Bau- und Werkzeugmaschinen. Alles wurde per Hand und Körperkraft geleistet.

Unser Bauprojekt musste mehrere Kriterien erfüllen: Es musste 1. sehr kostengünstig geplant und ausgeführt werden, 2. eine impulsgebende Wirkung bezüglich Materialverwendung und Ressourcenschonung haben, 3. über das architektonische Produkt eine identitätsstiftende Wirkung für die Uni und die Studenten auslösen, 4. einen architektonischen Ausdruck bekommen, der sich vom bisher Gebauten positiv abhebt, und 5. in der gemeinsamen Arbeit den Begriff „interkultureller Austausch“ persönlich erfahrbar machen. 

In der Planung extremen klimatischen Bedingungen Rechnung getragen

Alle Beteiligten sind sich einig, dass wir die anvisierten Ziele weitgehend erreichen konnten. Wir haben gegenüber herkömmlichen Bauprojekten durch den Einsatz von z.B. Maniok als Mörtel und Putzzuschlag teuren Zement ersetzen können (s. nebenstehender Text). Dies hat eine Kostenreduktion von 8000 Euro bewirkt. Wir haben in Planung und Ausführung den extremen klimatischen Bedingungen in der Savanne dadurch Rechnung getragen, dass wir durch die Stellung der Gebäude und die Dachüberstände sowie durch Raumhöhe und Durchlüftungsmöglichkeit für einen sehr guten Sonnen- und Regenschutz gesorgt haben.

Der in diesem Sinne nachhaltige und konstruktiv solide Baukomplex integriert sich gut in die Landschaft, eröffnet wunderbare Ausblicke und schafft auch in dem Hofraum, der in einer eintägigen Gemeinschaftsarbeit geebnet wurde, sehr wichtige Kommunikationsmöglichkeiten. Durch die Ausrichtung und Höhe des Daches und die vertikale Ausrichtung von je drei Fenstern für die einzelnen Zimmer entsteht durch die Querlüftung und Lichtmenge ein angenehmes Raumklima.

Die extrem starken Regenfälle und Wassermassen erfordern besondere Vorkehrungen bezüglich geregelter Wasserableitung und langsamer Versickerung. Nachdem das stabile, den starken Winden trotzende Dach fertiggestellt war, haben wir mit dem Lauf des Wassers eine Art Regenrigole gebaut und das Ganze dann einem in das Gelände modellierten Versickerungsbereich zugeführt. Die kongolesischen Arbeiter und Bauern konnten uns hierzu die entscheidenden Tipps in der Befestigung dieses Landschaftsbauwerks geben. Das Projekt stand immer unter dem Leitgedanken des gegenseitigen Lernens. Diese Haltung hat es uns und unseren Studierenden erleichtert, von den wenigen kongolesischen Bauarbeitern vor Ort sehr viel im Umgang mit den im Kongo gebräuchlichen Materialien zu erfahren, und die Kongolesen haben am Ende des Projektes unsere Stringenz im Entwurf und in der Arbeit schätzen gelernt.

Alle Architekturen im Kongo funktionieren nur dann wirklich gut, wenn sie die Komplementarität von innen und außen einer gebauten Struktur berücksichtigen. Das heißt Vorbereiche, überdachte Zonen, Windschutz und Durchlüftung, eine richtige Ausrichtung zur steil stehenden Sonne und Multifunktionalität der gemeinschaftlichen Bereiche (in unserem Fall das Küchengebäude) müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Die Begegnungen mit den Verantwortlichen und Entscheidern der Universität, der Bürgermeisterin, dem Gouverneur und vielen neugierigen Studierenden und Bewohnern der Umgebung haben uns Hoffnung gemacht, dass in diesem ausgebeuteten Land Architektur verbinden kann.

Info

Maniok als Mörtelersatz Maniok ist eines der Hauptnahrungsmittel im Kongo. Die reife Maniokwurzel wird geschält, getrocknet und in Mühlen zu Mehl verarbeitet. Die Abfälle (Schale, Endstücken, faule Stellen) können ebenfalls zum Mehl verarbeitet werden, das als Rohstoff zur Mörtelherstellung eingesetzt wird.

Das Maniokmehl wird allerdings nicht wie Zement in Pulverform direkt verwendet. Das Maniokmehl wird mit Wasser und Maismehl zu einem dickflüssigen Bindemittel verarbeitet. Dazu werden ca. 80 Liter Wasser erwärmt und etwa 10 Liter Maniokmehl untergerührt. Nachdem das Wasser etwas Bindung hat, werden 10 Liter Maismehl hinzugefügt. Die Mischung wird unter ständigem Rühren ca. 60 Minuten gekocht. Ergebnis ist eine dicke, Kleister ähnliche, grüngraue Flüssigkeit.

Um den Maniokkleber zu lagern, wird eine Grube ausgehoben, in die der fertige Kleber geschöpft wird. In dieser ist der Kleber mehrere Tage haltbar. Um den Wasserverlust durch Verdunstung und Versickerung auszugleichen, wird regelmäßig Wasser untergemischt. Der Mörtel wird in einem Mischungsverhältnis aus acht Schubkarren dunkler Erde, fünf Schubkarren Sand und sieben Eimern Maniokkleber hergestellt. Je nach Verwendungszweck wird im Nachhinein noch Maniokkleber oder Wasser hinzugefügt, um die Mörtelfähigkeit zu verbessern. Für horizontale Fugen wird eine trockenere, für vertikale Fugen wird eine weichere Mischung hergestellt. Der Mörtel braucht in der Sonne ca. zwei Tage, um auszuhärten. Die Festigkeit entspricht in etwa der einer mageren Zementmischung. Wir sind uns darüber im Klaren, dass hier noch weiterer Forschungsbedarf zum konstruktiven Einsatz erforderlich ist. Die RWTH Aachen und die Uni Siegen werden sich hierin auch verstärkt weiter engagieren.

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