Der türkische Architekt Cengiz Bektaş faszinierte mit seinem Werkvortrag „Tradition extended“

Werkvortrag Cengiz Bektaş: „Der Mensch zählt - nicht die Geste!“

Er gilt als einer der bedeutendsten Architekten der Gegenwart in der Türkei: Cengiz Bektaş ist Architekt, Stadtplaner, Autor, Poet, Philosoph und Lehrer. Am 21. November hielt Bektaş im Düsseldorfer Haus der Architekten einen Werkvortrag, der seine Philosophie und seine Haltung zur Architektur in beeindruckender Weise vermittelte. „Der Mensch ist der Maßstab der Architektur - nicht die große Geste“, betonte Bektaş.

23. November 2006von Christof Rose

Dass Cengiz Bektaş auch in Deutschland kein Unbekannter ist, bewies der große Andrang im Haus der Architekten: Über 200 Gäste wollten den renommierten türkischen Architekten erleben und die Gelegenheit zum Gespräch mit ihm suchen.

„Cengiz Bektaş ist ein Architekt mit einer poetischen Ader, der Poesie in seine Arbeit aufnimmt und als Vermittler zwischen Orient und Okzident wirkt“, stellte Dr. Christian Schramm, Vizepräsident der Architektenkammer NRW, den Kollegen aus Denizli in Anatolien vor.

1963 gründete Bektaş sein erstes Büro in Ankara. Wie sein Werkvortrag zeigte, erstellte Bektaş in über 40 Jahren Planungs- und Realisierungsarbeit ein umfangreiches Oeuvre, wobei er sich auf kleinere und mittelgroße Bauaufgaben konzentrierte. „Architektur ist wie eine Pflanze, die aus dem Boden wächst“, veranschaulichte der türkische Architekt seine Planungsphilosophie. Deshalb sei Architektur immer an den Ort und seine Geschichte gebunden, deshalb sei es falsch, historische Bauwerke heute zu imitieren. „Die Tradition ist wichtig, sie ist unser Fundament“, so Bektaş. „Sie muss aber immer weiter wachsen und fortentwickelt werden.“Beispielhaft präsentierte Cengiz Bektaş unter dem Vortragstitel „Tradition extended“ verschiedene Schulbauten und die Etimesgut Moschee in Ankara, die er in 1963 als „vermutlich erste moderne Moschee der Türkei“ realisierte. Grundriss und Lichtführung wurden hier so geplant, dass das Gotteshaus zu jeder Tageszeit nutzbar ist, anders erscheint und viele Besucher „zutiefst menschlich berührt“, erläuterte der Architekt. Bektaş baute kontinuierlich Wohnhäuser und Bildungsbauten; aber auch Shoppingcenter, Fabriken und Banken finden sich in seinem langen Werkverzeichnis. „Architektur muss immer an den Nutzer denken; es darf uns niemals um Modeschneiderei oder Effekthascherei gehen“, appellierte Bektaş. Er selber wohnt seit über 30 Jahren in einem Stadtteil von Istanbul, in dem er mittlerweile eine Vielzahl von Gebäuden saniert und aufgewertet hat. Zudem gestaltet er immer wieder mit Nachbarn und Freunden Plätze und Verkehrsflächen so um, dass sie zu Aufenthaltszonen werden, auf denen kommuniziert, gespielt und gefeiert werden kann.

„Cengiz Bektaş besitzt ein Sendungsbewusstsein, mit dem er die Übel der Welt erkennt und klar benennt“, hatte Ercan Agirbas, Architekt und Gastprofessor an der Peter Behrens School of Architecture (PBSA), die Bektaş nach Deutschland eingeladen hatte, zur Einleitung in den Vortrag erläutert. Eine Aussage, die sich durch den Werkvortrag beeindruckend bestätigte.Im Anschluss ließ der 72-jährige geduldig eine Vielzahl von Rückfragen und Anmerkungen aus dem Publikum zu, die vor allem von jungen Architektinnen und Architekten bzw. von Studierenden gestellt wurden. Fragen nach dem Arbeitsmarkt für Architekten in der Türkei quittierte Bektaş mit dem Hinweis, dass ein Architekt immer weiter lernen müsse - mindestens, bis er 40 Jahre alt sei. „Orientieren Sie sich an guten Beispielen, lernen Sie am Vorbild“, ermutigte Bektaş. „Und vergessen Sie nie: Richtlinie für das Planen und Bauen ist nicht Farbe, Politik oder Religion - sondern die Menschlichkeit!“

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