Ein Rückblick: Kündigungsgrund D-Mark

Um den nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgekommenen Tausch- und Schwarzmarkthandel in Deutschland einzudämmen und eine funktionierende Marktwirtschaft aufzubauen, vereinbarten die westlichen Siegermächte ohne Zustimmung der Sowjetunion, in ihren Besatzungszonen am 20. Juni 1948 eine Währungsreform durchzuführen. Diese Maßnahme führte im folgenden Jahrzehnt nicht nur zum steilen wirtschaftlichen Aufschwung, sondern hatte auch handfeste Auswirkungen auf das Bau- und Planungsgeschehen sowie auf die Berufstätigkeit der Architekten in Westdeutschland. Vor der Währungsreform lag die Baukonjunktur wegen des Mangels an Baustoffen darnieder. Durch die Methode der Baulenkung sollten Baustoffe den vorrangigen Bauprojekten zugeteilt werden, während weniger wichtige Vorhaben nicht angepackt werden konnten.

20. Juni 2018von Moritz Wild

Im Vordergrund standen die Wohnraumbeschaffung, um der Bevölkerung Obdach zugeben, und in diesem Zusammenhang die Reparatur des noch benutzbaren Baubestandes oder die Errichtung von Provisorien. Im Hochbau gab es für Architekten allerdings noch keine lohnenden Aufträge. Für die Gemeinden und Bauherren brachte die Währungsreform einen wirtschaftlichen Einschnitt, denn die Geldentwertung bei der Umrechnung von Reichsmark in D-Mark machte nach dem Zweiten Weltkrieg noch übrig gebliebene Finanzrücklagen und Ersparnisse zunichte. In der Folge mussten Gemeinden nicht nur die Entschuttung vorübergehend ruhen lassen, sondern auch die Planungsarbeiten für den Wiederaufbau und für die Instandsetzung wichtiger öffentlicher Gebäude wie Schulen und Rathäuser einstellen. Das Währungsgesetz beinhaltete eine für Freiberufler besonders kritische Regelung, denn es räumte Auftraggebern die Möglichkeit ein, vor der Reform geschlossene Verträge außerordentlich zu kündigen.

Davon machten sowohl öffentliche als auch private Auftraggeber bei Stadtplanungen und Hochbauaufträgen Gebrauch. Die Stadt Aachen beispielsweise nutzte die Währungsreform, um dem bisherigen freiberuflichen Planer zu kündigen und das neu aufgestellte Stadtplanungsamt die Arbeiten fortsetzen zu lassen. Manche Stadtvertretungen hatten erst dann neue Geldmittel zur Verfügung und beschlossen die förmliche Wiederbeauftragung, nachdem die Planungsleistungen schon erbracht waren. Auch private Bauherren nutzten das Ausnahmerecht. Hatten sie z.B. die Baugenehmigung erhalten und konnten anschließend den Bau mit den Bauunternehmern ohne die Werkpläne des Architekten ausführen, sparten sie dessen Honorar für die fortgefallenen Teilleistungen ein.

Einige öffentliche Auslober traten von vor der Währungsreform ausgeschriebenen oder schon laufenden Wettbewerben zurück, um angesichts der geschrumpften Finanzmittel Kosten einzusparen, was unter Berufs- und Kommunalvertretern für erregte Diskussionen sorgte,weil man sich uneins war, ob das Währungsgesetz das Rücktrittsrecht einräumte, da es sich bei den Wettbewerben nicht um Werkverträge,sondern um Auslobungen handelte. In Einzelfällen scheinen Lösungen erst nach besonders intensiven Verhandlungen gefunden worden zu sein.

Manche Wettbewerbe wurden vorübergehend aufgehoben oder vorausschauend bis hinter die Währungsreform vertagt; die Preisgelder wurden dann zu D-Mark-Zeiten für laufende und kommende Wettbewerbe grundsätzlich neu bemessen.Die Architekten traf dieses Vorgehen, weil sie nicht nur ihre aktuelle Einnahmequelle einbüßten,wenn sie mit den Auftraggebern keine Ratenzahlungen vereinbaren konnten, sondern auch weil ihr Kapital genauso von der Entwertung betroffen war wie das der Bauherren.Selbständige Architekten mussten alternative Geldquellen auftun, Kredite aufnehmen oder Mitarbeiter entlassen, um das Geschäft fortführen zu können. Selbst beamtete Architekten bemühten sich um Nebeneinkünfte durch private Architektenleistungen.

Erst mit wieder fließenden Geldern, auch aus Mitteln der Ministerien,konnten die Architekten bezahlt werden, von denen manche auch ohne Unterbrechung ihre Arbeiten im Vertrauen fortgesetzt hatten,bei erneuter Liquidität des Bauherrn die erbrachten Leistungen bezahlt zu bekommen. Architekten mit guten Beziehungen zu Fördermittelgebern erhielten – nicht nur 1948 – von Gemeinden den Auftrag oder die Zustimmung, mit den entsprechenden Stellen für die Gemeinden zu verhandeln. Sie schlugen damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Die Planungen konnten fortgesetzt werden und die Architekten erhielten ihr Honorar.Auch wenn die Währungsreform vor siebzig Jahren im ersten Moment ein harter Schlag war, profitierte der Berufsstand doch von ihren Auswirkungen wie dem allgemeinen wirtschaftlichen und dem bauwirtschaftlichen Aufschwung und der daraus resultierten langfristig besseren Auftragslage. 

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