"Stiftung Deutscher Architekten" - Ergebnisse des Sommerseminars 2001

"Stiftung Deutscher Architekten" - Ergebnisse des Sommerseminars 2001

Natur trifft Technik, Idylle ergänzt um Ingenieurskunst: Die "Müngstener Brücke" und das sie umgebende Tal der Wupper zwischen Remscheid, Solingen und Wuppertal waren Thema des diesjährigen Sommerseminars der "Stiftung Deutscher Architekten". Unter dem Motto "Spurwechsel und Brückenschlag" entwickelten 28 Nachwuchs-Architektinnen und -Architekten aus ganz Deutschland in drei Tagen Workshop-Arbeit (28. bis 30. August) neue Ideen und Konzepte, wie die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands künftig Anziehungskraft auf Touristen aus Nah und Fern ausüben kann. Vorschläge, die Realität werden sollen: Die Konzepte der jungen Architekten werden Eingang finden in die Überlegungen zur REGIONALE 2006!

30. August 2001

Manchem im Städtedreieck zwischen Wuppertal, Solingen und Remscheid gilt sie als "Eiffelturm des Bergischen Landes" - die Müngstener Brücke. Die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands überspannt seit 1897 das Tal der Wupper und verbindet Remscheid und Solingen. Ein beeindruckendes Bauwerk in einer attraktiven Umgebung. Aber: Das touristische Potenzial der Müngstener Brücke ist bislang kaum erschlossen. Das soll anders werden - und das kann anders werden, meinen die Teilnehmer des Sommerseminars der Stiftung Deutscher Architekten, einer Einrichtung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen.

Zentrale Überlegung der 28 Workshop-Teilnehmer war, die Beziehung von Naturerlebnis im attraktiven, idyllischen Tal der Wupper mit dem technischen Meisterwerk der Müngstener Brücke, die weiterhin alle zehn Minuten von Zügen befahren wird, neu zu definieren. Die Vorschläge der jungen Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner bezogen sich auf fünf Themenbereiche:

1. Schlagspur - Ein Fußweg als Schnitt durchs Tal
Tal und Brücke sollen für Besucher zu einem einheitlichen Erlebnis verbunden werden. Dazu schlägt eine Arbeitsgruppe vor, das Tal und die angrenzenden Berge durch einen neuen, schnurgeraden Fußweg zu durchschneiden, der mit jedem Schritt neue Perspektiven auf die Brücke und die reizvolle Tallandschaft ermöglicht. Die neue "Schlagspur" würde die bisherigen Wege an vielen Stellen kreuzen, neue Verbindungen schaffen und vor allem die Müngstener Brücke aus vielen neuen Winkeln erfahrbar machen. Zugleich ein sehr behutsames Verfahren, soll der Einschnitt doch nach Vorstellung der jungen Architekten nur zwei Meter breit sein und mit regionalem Schiefer befestigt werden.

2. Bewegende Momente - Berge und Brücke in neuer Verknüpfung
Die bislang im Tal der Müngstener Brücke vorhandenen Wege sind zufällig entstanden und schlecht ausgewiesen. Durch dichte Bewaldung bieten sich kaum spannende Einblicke ins Tal. Die Brücke bleibt für Fußgänger tabu. All dies muss geändert werden, meinte eine zweite Arbeitsgruppe. Sie schlägt einen Rundweg entlang der Bergkuppen links und rechts der Wupper vor, so dass sich ein Oval bildet, das in der Mitte von der Müngstener Brücke durchschnitten wird. Auch diese muss für Fußgänger begehbar gemacht werden. Bestehende Pavillons und Wegkreuzungen könnten in das Konzept eingebunden und durch neue Aussichtspunkte, Stege, Brücken und kleine Bauwerke ergänzt werden. Ziel ist, neue Anlaufpunkte für Wanderer und Radtouristen zu schaffen, um das Tal als Naherholungsgebiet deutlich attraktiver machen würden.

3. Blickpunkte - Tal und Berg im Dialog
Die bisherige Situation im Tal der Müngstener Brücke ist mehr als unbefriedigend: Es gibt eine Straße, an der sich in konzeptloser Folge wenig attraktive Gebäude und Parkplätze aneinander reihen. Eine der fünf Arbeitsgruppen, die sich unter den Seminarteilnehmern herausgebildet hatten, schlug vor, den motorisierten Verkehr am Taleingang abzufangen und die Straße ins Tal zu einem einladenden Eingangsportal für Fußgänger und Radfahrer umzuwandeln. Dazu gehören Wegweiser, neue Radwege entlang der Wupper und in die Berge, eine erkennbare Führung der Besucher durchs Tal und hin zur Brücke. Durch das Anlegen von Gärten und Parkzonen könnte eine harmonische Verbindung des technischen Bauwerks Brücke mit der Naturbelassenheit von Berg und Tal geschaffen werden. Gleichzeitig sollen in dem Wald entlang der Berghänge kleine und größere Lichtungen geschlagen werden, die Blicke ins Tal ermöglichen und umgekehrt zu Entdeckungsausflügen und Spaziergängen reizen.

4. Rückgrat Wupper - Neue Rast-, Ruhe- und Spielplätze am Wasser
Die Müngstener Brücke ist zweifellos ein spannendes touristisches Objekt. Allerdings: Bislang folgen Besucher dem klassischen Verhalten von Rundreise-Touristen: Anfahren - fotografieren - abfahren. Dabei bietet das Tal ideale Gegebenheiten für einen dauerhaften Aufenthalt. Dazu müssen neue Freiräume zum Verweilen einladen. Notwendig, so die Teilnehmer des Sommerseminars, ist eine Öffnung zur Wupper: Denkbar ist, einen Strand und Liegewiesen anzulegen, Spielplätze zu schaffen, Lager- und Campingstätten einzurichten. Eine Gruppe präsentierte den Ansatz, in unregelmäßigen Abständen große Steine, vielleicht aus leuchtendem Plastik geformt, entlang des Talverlaufs am Flussrand zu platzieren. Diese könnten einerseits zum Verweilen und Schwimmen einladen, andererseits von weither (insbesondere vom Zug aus, der über die Brücke fährt) neugierig auf das Tal machen.

5. i kubi3k - Information, Identifikation, Innovation
Information, Innovation, Identifikation - das sind die drei "i", welche die fünfte Arbeitsgruppe als Zukunft für das Brücken-Tal vorschlug. Das Tal der Müngstener Brücke solle ein Erlebnisraum werden, mit dem sich Menschen identifizieren können! Die Müngstener Brücke als technisches Baudenkmal muss unmittelbar erfahrbar werden. Sie war der Inbegriff der Innovation vor mehr als 100 Jahren, heute soll die Region so entwickelt werden, dass die Müngstener Brücke auch als Symbol für die künftige Innovationskraft stehen kann. Es wird vorgeschlagen, die Brückenpfeiler frei zu legen und Sichtachsen entlang des Brückenverlaufs zu schlagen. Das Tal entlang der Straße soll durch neue Bauwerke ergänzt werden: z. B. durch kleine quadratische Räume, in denen Ausstellungen stattfinden können oder in denen sich Firmen aus dem Bereich der IT- und Zukunftstechnologien präsentieren können. Damit würde dem historischen Fortschrittsoptimismus der Müngstener Brücke ein modernes Pendant hinzugefügt.

Allen Vorschlägen war gemein, dass sie bewusst auf populistische Inszenierungen an der Brücke und Eingriffe in das Brückenbauwerk verzichteten: "Sie sind sehr behutsam mit der Natur umgegangen und haben großen Respekt vor der fast mystischen Ausstrahlung dieses technischen Meisterwerkes gezeigt", lobte Hans-Ulrich Ruf, Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und der Stiftung Deutscher Architekten, die Seminarteilnehmer. "Ihre Arbeiten belegen, dass Sie innerhalb kürzester Zeit kreative, ungewöhnliche Ideen entwickeln können, ohne dabei die Realisierbarkeit aus dem Auge zu verlieren." Auch Henry Beierlorzer, Geschäftsführer der REGIONALE 2006 Agentur, die als gemeinsames Strukturprogramm der bergischen Städte Wuppertal, Solingen und Remscheid auf eine Belebung des Tourismus in der Region abzielt, zeigte sich begeistert: "Die Seminarteilnehmer haben eine Vielzahl von Konzepten entwickelt, die wir in unsere Arbeit für die REGIONALE einbinden können und werden." Beierlorzer sagte zu, die Teilnehmer noch einmal zu einem Planungsworkshop einladen zu wollen, um die verschiedenen Ansätze der Arbeitsgruppen zu einem Gesamtkonzept für die REGIONALE 2006 weiter zu entwickeln.

Das Sommerseminar der Stiftung Deutscher Architekten / Architektenkammer Nordrhein-Westfalen fand in Kooperation mit der REGIONALE 2006, dem Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen sowie den Städten Remscheid und Solingen statt.


Hintergrund "Stiftung Deutscher Architekten"

Die Stiftung Deutscher Architekten engagiert sich als gemeinnützige Einrichtung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen besonders für junge Berufskolleginnen und -kollegen. Die Nachwuchsförderung ist eine der besten Investitionen für die Zukunft der Architektur, der Baukultur und nicht zuletzt auch für die Zukunft des Berufsstandes. In diesem Sinn veranstaltet die Stiftung Deutscher Architekten alle zwei Jahre ein "Sommerseminar" für Absolventen und Berufsstarter der Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung, in dem praktisches Arbeiten an einem konkreten Projektthema gefordert wird. Darüber hinaus vergibt die Stiftung alle zwei Jahre einen "Förderpreis" an besonders talentierte Studenten der oberen Fachsemester.

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