Skulpturen und andere Kunstwerke als eigenständiges Element oder Marketinginstrument?

Kunst am Bau in Nordrhein-Westfalen

Sei es ein Bild im Gebäude, eine Installation oder Lichtgestaltung, eine Skulptur vor, neben, integriert in oder an dem Bauwerk: Die Grenzen, wo Kunst am Bau anfängt und aufhört, scheinen sich zu verwischen. Für viele Künstler und Architekten bedeutet Kunst am Bau, ein Werk zu schaffen, das im Dialog mit der Architektur ein Ganzes bildet. Oft ist dies nur durch einen Eingriff am Bauwerk selbst und in Zusammenarbeit zwischen Künstler und Architekt möglich. - Am 22. April läuft die Bewerbungsfrist für den renommierten „Kunst am Bau“-Preis der mfi AG (Essen) ab, mit dem in den vergangenen Jahren immer wieder auch Projekte und Künstler aus NRW ausgezeichnet wurden. Anlass für einen Blick auf neuere Projekte und Tendenzen in Nordrhein-Westfalen.

10. März 2005von Nicole Böhle

Kunst am Bau ist ein Beitrag zur Baukultur und projiziert häufig ein positives Bild in die Öffentlichkeit. Besonders auffällig ist der Beitrag von Kunst am Bau an öffentlichen Gebäuden. Aber auch private Gebäude verwandeln sich durch künstlerische Kreativität und werden ein Blickfang für die Öffentlichkeit. Nicht zuletzt, weil die Medien mit Kommentaren und Berichten reagieren und so zur Imagebildung von Gebäuden beitragen. Neugier und Interesse bei Mietern, Nutzern und Passanten führen ebenfalls dazu, dass die „Baukunst“ immer mehr als Marketinginstrument in der Immobilienbranche eingesetzt wird.  

Die Bundesregierung hat sich zu ihrer kulturpolitischen Aufgabe bekannt: „Bei der Initiative Baukultur ist die Kunst am Bau ein wichtiges eigenständiges Element, das wir stärken wollen.“ Das sagte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Achim Großmann, am 11. März 2004 bei der Eröffnung des Expertenworkshops „Kunst und Architektur bei Bundesbauten“ in Berlin.NRW: Programm „Kunst und Bau“ 

In Nordrhein-Westfalen entwickeln Künstlerinnen und Künstler im Rahmen des „Kunst und Bau“-Programms des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport für staatliche Bauvorhaben Werke, die im Dialog mit der Architektur und ihrem Umfeld stehen und die einem breiten Publikum die alltägliche Begegnung ermöglichen. Das Ministerium übernimmt dabei auch eine Vorbildfunktion für Kommunen und private Bauherren. In den Jahren 2000 bis 2003 hat das Land Nordrhein-Westfalen 28 „Kunst und Bau“-Projekte abgeschlossen. Dafür wurden insgesamt 1,7 Mio. € verausgabt. Darin enthalten sind die Kosten für die beschränkten Wettbewerbsverfahren, die der Auftragsvergabe an die Künstler vorgeschaltet werden.2-%-Richtlinie 

Die Berufsverbände der bildenden Kunst bemühten sich bereits in den Zwanziger Jahren um eine staatlich garantierte Beteiligung von Künstlern an Bauprojekten der öffentlichen Hand. Damals sollte den so genannten „Hungerkünstlern“ ein Auskommen durch die öffentliche Hand gesichert werden. Auch in den Zeiten des Wiederaufbaus der Städte wurde die Forderung nach Förderung der bildenden Künste laut. Heute gibt es zwar immer noch keine staatlich garantierte Beteiligung, dafür jedoch eine Richtlinie, die besagt, dass bis zu zwei Prozent der Bauwerkssumme für Kunst am Bau ausgegeben werden „kann“.  

Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben individuelle Ansätze in dieser Frage, eine feste Regelung für die Förderung von Kunst am Bau gibt es nicht. Die Stadt Düsseldorf beispielsweise hat eine Kunstkommission gegründet, die mehrheitlich mit Kunstfachleuten besetzt ist und sich für „Kunst und Bau“-Projekte einsetzt. Eine Selbstverpflichtung zur Einhaltung der 2-%-Richtlinie hat sich die Stadt Düsseldorf jedoch nicht auferlegt. Öffentliche Preise 

Um „Kunst am Bau“ stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, stiftet die mfi Management für Immobilien AG seit einigen Jahren den mit 50.000 € dotierten „mfi Preis Kunst am Bau“. „Wir wollen dazu beitragen, Kunst nachhaltig als Teil des öffentlichen Lebens zu etablieren“, so der Vorstandsvorsitzende der mfi, R. Roger Weiss. „Gleichzeitig möchten wir neue Maßstäbe für öffentliche und gewerbliche Bauten setzen und weitere Unternehmen in Deutschland dazu bewegen, sich für die Kunst zu engagieren.“ Der „mfi Preis Kunst am Bau“ zählt zu den größten europäischen Kunstpreisen. Er zeichnet herausragende Kunstprojekte aus und würdigt die gelungene Zusammenführung von Kunst und Bauwerk.

Im Jahr 2002 ging der „mfi Preis Kunst am Bau“ an Bogomir Ecker für seine 2001 entstandene Arbeit „Aliud“. Der Bildhauer überzeugte die Jury mit seiner Arbeit in Ästhetik, Innovation und in der Beziehung von Kunst und Architektur gleichermaßen. Die Skulptur „Aliud“ (lat.: „ein anderes“) hängt an Drahtseilen befestigt, frei schwebend von einem Stahlträger am Gebäude der Zentralen Polizeitechnischen Dienste NRW (Schuster Architekten, Düsseldorf, 2000) in Duisburg. Unterhalb der Plastik befindet sich ein Bodenelement, das in Form und Material auf das Kunstwerk und ihre Position antwortet. Projekt „Schmuckes Parkhaus“ 

Aber nicht nur Neubauten können mit „Kunst am Bau“ verziert werden, auch Altbauten kann dadurch ein neues Gesicht verliehen werden. Parkhäuser zählen architektonisch üblicherweise nicht zu den attraktivsten Gebäuden im Stadtraum. Das galt jedenfalls für das 70-er-Jahre-Parkhaus der Baumeister Krass und Gäs am Carlsplatz nahe der Düsseldorfer Altstadt. Hier wurde nicht nur die bestehende wabenförmige Lochfassade mit ihrem dekorativen Hahnentritt-Muster mit einem neuen weißen Anstrich herausgeputzt. Was sich frei nach dem Motto „Kleider machen Leute“ aus solch einem Aschenputtel machen lässt, zeigt die vierköpfige Berliner Künstlergruppe „inges idee“ mit ihrer Installation „Schmuck“: Zehn überdimensionale Skulpturen wurden hier zum Blickfang für das einst schmucklose Gebäude. Die Grundidee, den Baukörper analog zu einem menschlichen Körper zu begreifen und ihn mit vertrauten Accessoires zu schmücken, entstand im Rahmen eines beschränkten künstlerischen Wettbewerbes des Industrieterrains Düsseldorf-Reisholz (IDR) und des Kulturdezernats im Jahr 2003.  

Das Konzept überzeugte die Jury formal, inhaltlich und in Bezug auf den behutsamen Umgang mit der vorhandenen Architektur und wurde Anfang 2004 realisiert. Blumen-Haarclip und Uhrenarmband sowie Halsketten und Armbändchen heben das Gebäude aus der Anonymität des Straßenzuges heraus und verleihen der Großgarage eine eigene Identität. Die „Schmuckstücke“ wiegen zwischen zwei und 230 Kilogramm und sind entsprechend an die Dimensionen des Gebäudes angepasst. Die IDR, eine Düsseldorfer Stadttochter, ließ sich im Zuge der Renovierung des Parkhauses dieses Gesamtwerk 300.000 € kosten. Kunst als Marketingstrategie Skulpturen, die eng im Zusammenhang mit der Architektur entstehen, sind die eine Seite von Kunst am Bau. Die andere greift derart in die Architektur ein, dass die Form sich sowohl funktional als auch architektonisch mit und durch die Kunst verbindet und somit als Ganzes begriffen werden kann. Die an einer Durchgangsstraße liegende Dürener „Ahorn Apotheke“, umgebaut von der Architektin Ute Piroeth, ist ein gelungenes Beispiel für eine bildhafte Identitätsdarstellung durch das Zusammenspiel von Grafik, Design und Architektur.   

Der Künstler Wolfgang Rüppel arbeitete an dieser „Baukunst“ und Corporate Identity maßgeblich mit. Ziel des Bauherrn war es, ein Zeichen für Veränderung zu setzen und ein größeres Kundenpotenzial zu erschließen. So beinhaltete der Entwurf eine Marketingstrategie mit einem für die Ahorn-Apotheke entwickelten Logo, bestehend aus einem roten Ahornblatt. Der Wiedererkennungseffekt beim Anblick des Logos wurde werbewirksam geschickt in Architektur und im Innenausbau integriert: von der schräg gestellten Glasfassade an der Gebäudeecke, die mittels Siebdruck mit krapplackroten Ahornblättern dekoriert wurde, über das Holzmaterial Ahorn bis hin zu Abdeckplatten des Verkauftresens, die ebenfalls mit Ahornornamenten verziert worden sind. Kunst am Bau bedeutet für die Architektin, „Alltägliches mit neuen Sichtweisen zu verbinden, Situationen zu überhöhen sowie räumliche Überraschungen zu schaffen“.  

Dipl.-Ing. Nicole Böhle ist freie Architekturjournalistin in Essen und bundesweit als Fachmedienfrau für Architekten tätig. www.nicole-boehle.de

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