AKNW warb auf der Expo Real-Messe für nachhaltiges Planen und Bauen

Explodierende Baukosten, anziehende Zinsen, Zurückhaltung von Investoren im Wohnungsbau, unsichere wirtschaftliche Zeiten: Die EXPO REAL-Messe in München als Pulsmesser der deutschen Immobilienbranche hatte in diesem Jahr intensiven Gesprächsbedarf. Nach zwei Jahren Pandemiepause war das Land Nordrhein-Westfalen vom 4. bis 6. Oktober mit NRW.Urban, NRW.Global Business und der NRW.BANK sowie dem BLB NRW wieder auf dem großen Branchentreffen in München präsent. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen war ebenfalls erneut Partnerin auf dem Landesstand, der unter dem Motto „Europe’s Heartbeat“ stand, und bezog in zahlreichen Foren der Messe Stellung.

06. Oktober 2022von Christof Rose

„Wir haben starke Unternehmen in der Immobilienbranche und das fachliche Know-how, um den Anforderungen der Zeit zu begegnen“, erklärte Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, zum Messeauftakt auf dem gemeinsamen Landesstand am 4. Oktober. Dem bevölkerungsreichsten Bundesland NRW komme bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele im Bereich der Immobilienwirtschaft eine besondere Rolle zu. Für die NRW-Architektenschaft unterstrich AKNW-Vizepräsident Klaus Brüggenolte, dass alle politisch Verantwortlichen aufgefordert seien, die Rahmenbedingungen für das Planen und Bauen im Lande weiter zu optimieren. „Es wäre gut, wenn mehr Forschung und Experiment möglich wären“, sagte der Vizepräsident der größten deutschen Architektenkammer mit Blick auf die gegenwärtig diskutierte Einführung eines „Gebäudestyps E“. Zugleich hob er hervor, dass auch ein kostenorientiertes Planen und Bauen nicht auf eine anspruchsvolle und zukunftsfähige Architektur verzichten müsse. „Im Gegenteil: Nachhaltigkeit umfasst auch eine lange Nutzungsdauer“, unterstrich Klaus Brüggenolte.

Nachhaltig Planen und Bauen

Um das Themenfeld „Nachhaltiges Planen und Bauen“ drehten sich verschiedene Diskussionsrunden am Stand der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen.

So betonte AKNW-Vizepräsidentin Katja Domschky anlässlich der Begrüßung zum traditionellen „blue afternoon“ der Architektenkammer NRW mit der NRW.Bank auf dem Landesstand vor über hundert Gästen die Bedeutung einer systematischen Ertüchtigung des Gebäudebestandes. „Das Know-how unseres Berufsstandes ist gefragt, wenn wir den Gebäudebestand in unserem dicht bebauten Bundesland nach den Zielen des Green Deals der Europäischen Union zeitnah überarbeiten wollen“, so die Düsseldorfer Architektin. Die Landesregierung wolle dabei vor allem auf die Entwicklung der Wohnraumversorgung achten, erklärte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach. Die Wohnraumförderung bleibe in NRW auf einem hohen Niveau. Dass die Anreize stimmen müssten, damit diese Gelder auch abgerufen werden, betonte Birgit Maria Rosczyk von der NRW.Bank. „Es gibt vielfältige Förderprogramme in NRW – sprechen Sie uns gerne an“, sagte die stellvertretende Leiterin des Bereichs Förderberatung und Kundenbetreuung.

Im Dialog zwischen AKNW-Vorstandsmitglied Manfred Krick und der Geschäftsführerin des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW, Gabriele Willems, wurde deutlich, schon die Aufarbeitung, Analyse und Ertüchtigung des Gebäudebestands eine enorme Herausforderung darstellt. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes NRW werde seine mehr als 4100 Gebäude sukzessive nachhaltig weiterentwickeln, führte Gabriele Willems aus. „Bis 2030 wollen wir 35 Prozent CO₂ an unserem Gebäudebestand einsparen gegenüber 2019“, so die Geschäftsführerin des BLB NRW. Gabriele Willems präsentierte als ein Beispiel für das klimaangepasste Bauen den Ersatzneubau des Landesrechnungshofs NRW von Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten - ein nachhaltiges Bauwerk im BNB-Standard Silber. 

Um den Change-Prozess voranzubringen, habe der BLB NW ein Umsetzungsprogramm ins Leben gerufen. „Wir stellen zudem ein geändertes Mindset unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fest“, berichtete Gabriele Willems. So sei etwa beim Umbau des Behrens-Baus am Düsseldorfer Rheinufer gezielt rückgebautes Material gesichert und für eine erneute Nutzung aufbereitet worden.

„Mit der Einführung des Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude ist eine langjährige Forderung unserer Kammer umgesetzt worden: Die Umstellung der Nachhaltigkeitsförderung weg vom betriebsgedingten Energieverbrauch und der Gebäudedämmung hin zu einer holistischen Betrachtung von Bauwerken und Siedlungen“, betonte AKNW-Vorstandsmitglied Manfred Krick. 

Holistischer Ansatz

Architektinnen und Architekten bräuchten nachvollziehbare Kriterien und Instrumente, um die zahlreichen Facetten einer nachhaltigen Planung realisieren und gegenüber ihren Bauherren durchsetzen de facto zu können.

Als wichtiger Faktor für ein waldreiches Land wie Nordrhein-Westfalen wurde in den Gesprächsrunden auf dem Landesstand NRW immer wieder auf den Baustoff Holz verwiesen. Bauministerin Ina Scharrenbach etwa sprach den aktuellen „Landeswettbewerb“ in Würselen an, bei dem es darum geht, auf dem Gelände einer ehemaligen Printenfabrik eine neue Wohnsiedlung zu gestalten - ausdrücklich unter Verwendung von Holz. „Vor allem bei der Schaffung von Wohnraum durch Ergänzungsbauten und Nachverdichtungen ist der Baustoff Holz ein wichtiger Faktor“, erläuterte Manfred Krick die Sicht der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Für Planerinnen und Planer gelte es aber stets, abzuwägen, welcher Baustoff für welche Bauaufgabe der richtige sei - unter Berücksichtigung aller Faktoren nach dem cradle-to-cradle-Prinzip.

Förderung auf Nachhaltigkeit ausrichten!

Wege zum klimagerechten Um- und Weiterbauen wurden auf der Expo Real-Messe auch in den Gesprächsforen auf dem Gemeinschaftsstand von Bundesarchitektenkammer (BAK), Bundesstiftung Baukultur, DGNB und BKI diskutiert. 

„Wir müssen grundsätzlich neu denken und unsere Infrastruktur vollständig überarbeiten.“ Mit dieser Kernaussage eröffnete die Präsidentin der BAK, Andrea Gebhard, eine politische Diskussionsrunde. Es sei richtig, den Schwerpunkt künftig auf die Ertüchtigung und Entwicklung des Gebäudebestandes zu legen; dabei müsse aber auch der Umbau unserer Mobilität und der grauen Infrastruktur bedacht werden. „Wir haben mit der neuen Bundesregierung enge Gesprächskontakte entwickelt, sodass ich die Chance sehe, das Planen und Bauen zum echten Game-Changer bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele zu entwickeln“, sagte die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer in Richtung von Sören Bartol, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. 

„Es ist ein großer Schritt, den wir gerade machen“, meinte Bartol, „denn mit QNG werden erstmals Umwelteffekte- und -kosten in der Fördersystematik auf den Lebenszyklus von Bauwerken bezogen.“ Eine Entwicklung, welche die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ausdrücklich begrüßte. „Es ist jetzt wichtig, konkret zu werden und etwa über den Gebäudepass klare Fakten zu dokumentieren“, unterstrich DGNB-Geschäftsführerin Dr. Christine Lemaitre.

Fokus auf Forschung und Kreislaufwirtschaft

Für die Bayrische Architektenkammer brachte deren Präsidentin Lydia Haack den Vorstoß in die Debatte ein, einen neuen „Gebäudetyp E“ ins Bundesbaurecht aufzunehmen, der individuelle Reduzierungen anzuwendender Normen im Sinne eines experimentellen Planens und Bauens ermöglichen soll. „Wir wollen, dass Planende und Aufraggeber gemeinsam entscheiden können, wo sie ggf. Abstriche an dem enormen Wust von Normen und Technischen Baubestimmungen machen wollen“, beschrieb Haack das Ziel. Schließlich wolle man erreichen, dass schnell mehr Wohnraum gebaut wird – und das bei hohen Qualitäten. 

Ein Aspekt, den auch Rainer Nagel betonte. Der Vorsitzende der Bundesstiftung Baukultur warf einen kritischen Blick auf viele der Präsentationen auf der Expo Real. „Wir sehen immer noch sehr viel Investoren- und Klötzchen-Architektur“, meinte Rainer Nagel. Der Fokus müsse auch im Immobiliensektor stärker auf die Zukunftsfähigkeit von Gebäuden gerichtet werden, auf ihre Langlebigkeit und Recyclierbarkeit. „Ich glaube, dass die Branche dringend eine Neuausrichtung braucht, auch hier auf der Messe“, sagte der Vorsitzende der Bundesstiftung Baukultur. „Wir brauchen auch hier künftig gute, wirtschaftliche Beispiele für die Arbeit im Bestand und die Kreislaufwirtschaft.“

„Rebuild Ukraine“

Erstmals war die Ukraine mit einem Stand auf der Expo Real vertreten. Kiew ist Partnerstadt von München, und so wollte die Messe nicht nur der Hauptstadt, sondern dem Land insgesamt ein Forum bieten. In den Foren am Stand ging es um die Möglichkeiten des künftigen Wiederaufbaus, aber auch über Vergangenheit und Gegenwart sowie um Kooperationen und das Bilden von Netzwerken.

Weitere Infos zur Messe unter www.exporeal.net

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