Warum der wachsende Markt der Gesundheitsdienstleistungen gerade auch für kleine und mittlere Büros interessant ist

Aktiv und vital - Strategien für den Healthcare-Markt

Der Gesundheitsmarkt befindet sich in einem dynamischen Wandel. Von Wirtschaftsanalysten wird er als der Megamarkt der Zukunft betrachtet. Veränderungen der demographischen und ökonomischen Rahmenbedingungen führen zu neuen Konzepten, wie der integrierten Versorgung, Prävention in Form von Medical-Wellness oder auch Betreutes Wohnen - verbunden mit einer zunehmenden Marktorientierung. Aus all dem ergeben sich vielfältige und ertragreiche neue Perspektiven für Architekten- und Ingenieurleistungen.

08. Februar 2007von Edgar Haupt und Götz Schönfeld

Um von den Entwicklungen profitieren zu können, bedarf es einer aktiven und überzeugenden Positionierung als planender Marktteilnehmer. Marktkompetenz und Marktzugang sind dabei die zentralen Erfolgsfaktoren für Architekten, konkret: exzellente Marktkenntnisse, Aufstellung als Werkleistungsmarke in der Gesundheitsbranche und strategische Akquisition. 

Markt verstehen und eröffnen

Der Healthcare Markt ist komplex. Unterschiedlichste nationale und internationale, private, gemeinnützige und öffentliche Spieler verursachen zahlreiche und zeitgleiche Entwicklungen. Dazu kommen die Auseinandersetzungen in der Gesundheitspolitik, die viel Bewegung bringen, zugleich zuverlässige Aussagen über das mittelfristig tatsächliche Marktgeschehen aber erschweren. Deutlich erkennbar ist jedoch der Trend vom hoch regulierten und versorgungsorientierten Kollektiv zum markt- und konsumorientierten Ich-Patienten - anders: Privatisierung, Konzentration, Marktbereinigung, neue Formen der Vorsorge, Versorgung und Pflege.

Es zeichnen sich drei Eckpfeiler in der Entwicklung ab: die Krankenhäuser, der Bereich Vorsorge/Pflege und die niedergelassenen Ärzte. Neben den üblichen Krankenhäusern wird es in Zukunft Medizinische Versorgungs- und Gesundheitszentren an den Schnittstellen stationärer und ambulanter Versorgung geben. Dazu werden sich verstärkt Patientenhotels, medizinisch orientierte Wellness-, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen etablieren. Die Fachärzte werden sich vermehrt in Ärztenetzen und Ärztehäusern zusammenschließen, da die Rentabilität von Einzelpraxen sinkt. 

Wirtschafts- und Standortfaktor Gesundheit

Zahlreiche Regionen sehen in der Gesundheits- und Medizinbranche neue Entwicklungsmotoren. Die heute schon ausgeprägte Infrastruktur des Ruhrgebietes mit 133 Krankenhäusern, 9.000 Haus-, Fach-, Zahnärzten und Kieferorthopäden, 1.100 Pflegeheimen, sechs Hochschulen, 13 Fachhochschulen und zahlreichen außeruniversitärer Forschungseinrichtungen und Wissenschaftszentren (Stand 2005) stehen vor einem hohen Modernisierungsbedarf im Standortwettbewerb mit anderen Metropolen Deutschlands. So hat sich mit der MedEcon Ruhr ein strukturpolitisches Netzwerk aus Unternehmen, Verbänden, Universitäten, Kommunen und dem Land NRW etabliert, das disziplinübergreifend die Entwicklung, Forschung und Ansiedlung fördert. Mitglieder sind u. a. der Regionalverband Ruhr (Prävention, gesundheitsbezogene Dienstleistungen, Sport- und Freizeitangebote), der Initiativkreis Ruhrgebiet (Kommunikation zur Darstellung von medizinischen Kompetenzen), die Projekt Ruhr GmbH (Entwicklung der Biomedizin und Medizin- und Gerontechnik) und der Verein pro Ruhrgebiet (Förderung von Neugründungen in der Gesundheitswirtschaft).

Aktuell wird in der Nähe der Ruhruniversität Bochum auf 90.000 qm der BiomedizinParkRuhr als Zentrum für Biotechnologie entwickelt. Auch die Krankenkassen definieren sich mit zahlreichen Initiativen neu, wie etwa das neue Medical Care Center der DKV in Köln. Dazu kommen zahlreiche private Betreibergesellschaften. 

Investitionen in Neubau und Bestand

Der programmatische Wandel geht einher mit einer Vielzahl baulicher Veränderungen: Neubauten, Sanierungen, Umnutzungen mit großen Aufgabenfeldern für Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsplanung und Ingenieurwesen. Nach Angaben der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) wurden allein von den Krankenhäusern für dieses Jahr 119 notwendige Baumaßnahmen mit einem Volumen von 650 Millionen Euro zur Förderung beim Land angemeldet. 120 Millionen Euro sind für Neuinvestitionen in 2007 zugesagt. Dazu kommen 210 Millionen für laufende Maßnahmen.

„Gesundheit“ ist für viele Akteure ein lukratives Investment: Beispiel Fortress Assetmanagement GmbH. Die Tochter des gleichnamigen Fonds betreibt die ehemaligen Filialen der Dresdener Bank und der Deutschen Bank in 1a und 1b-Lagen in NRW, die mittlerweile einen 50- bis 60-prozentigen Mieteranteil medizinischer Klientel aufweisen. „Architektur ist für uns und unsere Kunden die selbstverständliche Basis. Genauso wichtig sind Standort, Außendarstellung, Betriebsablauf, Miethöhe und Vertragssicherheit. Wir sind daher oft eher Unternehmensberater als Planer“, so die Stellenbeschreibung von Stephan Menn, Jansen Menn AC Architects and Consultants in Düsseldorf. Als Eigentümervertreter der Fortress Assetmanagement GmbH entwickelt das Büro Konzepte mit Ärzten und Therapeuten.

„Sicher war das fachliche Netzwerk meine erste Wahl. Doch es ist die Energie der Räume, die wesentlich zum Erfolg meiner Praxis beiträgt.“ Nach den Erfahrungen aus zehn anderen Praxen hat Klaus Breitung sein „PhysioSport“ in der MediaParkKlinik in Köln nach FengShui-Kriterien von der Architektin Ahuti Müller (ebenfalls Köln) gestalten lassen. „Die Atmosphäre stimmt, die Patientenbindung ist hoch und die Mitarbeiterfluktuation gering. Alle fühlen sich wohl.“ Die beiden Aussagen zeigen exemplarisch und konkret die Vielfalt der Anforderungen der Kunden und damit auch der Möglichkeiten für Planer - jenseits des angeblich aufgeteilten Krankenhausmarktes und gerade auch für kleine und mittlere Büros. Deren fachliche und geschäftliche Positionierung ist individuell, sollte für den besten Fall allerdings strategisch geplant und ausgeführt sein.Affinität, Präsenz, Dialog

„Im Laufe unserer Bürogeschichte ist es immer wieder vorgekommen, dass wir einen Auftrag im Healthcare Markt bekamen. Dabei haben wir diesen gar nicht als solchen begriffen. Heute treten wir gezielt als Gesundheitsarchitekten auf.“ Christian Kohl von Kohl:Fromme Architekten (Essen/Duisburg) illustriert den Bewusstseinswechsel vom marktpassiven Planer zum strategisch agierenden Spieler. Kohl:Fromme Architekten operieren in vier Kernkompetenzen - eine davon ist Healthcare. Entscheidende Kriterien für diese Ausrichtung waren gebaute Referenzen und Erfahrungen in der Forschung sowie die persönliche Affinität. In den Familien der Planer gibt es seit Generationen engen Bezug zur Medizin: „Dort erleben wir, wie und wozu die Menschen im Gesundheitssystem arbeiten. Auf der anderen Seite müssen wir als Architekten auf vielerlei Fragestellungen visualisierte Antworten geben.“

Schon im Vorfeld verlangen Bauherren branchengerechte Planungskompetenz zu Programmen, Recht, Infrastruktur, städtebaulicher Entwicklung und Standortentwicklung. Allerdings gilt es, diese erst einmal kennen zu lernen. „Von 1998 bis 2005 haben wir viel Geld ausgegeben, um an vermeintlich attraktiven Orten zu stehen. Heute machen wir mit der Unterstützung externer Multiplikatoren qualifizierte Kontakte in absehbarer Zeit“, erläutert Christian Kohl. Früh eingebunden sein, Bedarf erkennen, Wege bereiten, Aufträge holen, ja sich verdienen, ist eine architekturunabhängige Fleißaufgabe, die bei Kohl:Fromme Architekten gut geplant ist: vom visuellen Erscheinungsbild und themenorientierten Medien über Marktrecherche, gezielte Bewerbungen und Teilnahme an Wettbewerben bis hin zu einem stringenten Kontaktmanagement. Kohl:Fromme Architekten haben sich so als menschlich und fachlich kompetente Dialogpartner aufgestellt. Eine Maßnahme, die Erfolge bringt, wie etwa das Gesundheitszentrum Vita und das Wohn- und Demenzheim, die beide in Duisburg realisiert wurden. 

Involvement bei den Zielgruppen

Der Healthcare-Markt birgt sicher mehr Fragen als Antworten - gerade darum bietet er ja auch so viele Chancen. Einarbeiten, entdecken und einmischen ist die Devise für Planer aller Disziplinen. Die Balance zwischen den Anforderungen des Marktes und der dort aktiven Menschen sowie der eigenen Stärken ist die beste Voraussetzung für den Erfolg. Wissen, Leitungsfähigkeit und strategisches Handeln gehören ebenso dazu. Von zentraler Bedeutung ist schließlich das Involvement bei den Zielgruppen: Verstehen und in Projekte formulieren, was den Kunden bewegt! 

Edgar Haupt, aufBau Marketing und Coaching, Köln, www.aufbau.biz
Götz Schönfeld, Schönfeld+, Wedemark, www.schoenfeldplus.de

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