Alternative zum Bauen auf der grünen Wiese
Eine Außenentwicklungsfläche im Nordwesten Bielefelds. Auf 11,8 Hektar Netto-Bauland könnten 445 Wohneinheiten entstehen - Einfamilien, Reihen-, Doppel- und Mehrfamilienhäuser. Doch wo bislang im Stadtteil Vilsendorf die Landwirtschaft dominierte, fallen nicht unerhebliche Erschließungskosten an. Kompensationsflächen sind auszuweisen. Hinzu kommen weitere Kosten für Planung und Fachgutachten sowie eine zu hinterlegende Bürgschaft. Es werden Straßen und Grünflächen zu unterhalten sein, ein Kindergarten ist zu bauen. Im Ergebnis wird die Entwicklung des neuen Wohngebiets insgesamt rund 11,5 Millionen Euro kosten.
Zum Vergleich: 463 Wohneinheiten könnten auf nur 1,5 Hektar Netto-Bauland auf einer Innenentwicklungsfläche in der Bielefelder Innenstadt entstehen. Aufgrund bereits vorhandener Infrastruktur sind die Erschließungskosten niedriger. Aufgrund der höheren Bebauungsdichte fallen auch die Kosten für Planung, Fachgutachten und später für die Straßenunterhaltung nicht so hoch aus aus. Und obwohl die Grunderwerbskosten im Innenbereich naturgemäß deutlich höher sind als im Außenbereich würde die Entwicklung dieses Areals nur rund 2,7 Millionen Euro kosten.
Nachverdichtung unter Umständen günstiger als Neubaugebiet vor der Stadt
So klar kann ein Vergleich der Kosten für Siedlungsentwicklung im Außenbereich mit solchen im Innenbereich ausfallen. Sicher: Die genannten Zahlen aus einer aktuellen Studie des Planungsbüros Drees und Huesmann (Bielefeld) sind ein Einzelbeispiel. Doch sie belegen, dass die Entwicklung von Wohnfläche durch Nachverdichtung unter Umständen günstiger ist als das Schaffen von Neubaugebieten auf der grünen Wiese. Doch nicht nur wegen des finanziellen Aspekts stellen Baulücken ein erhebliches Stadtentwicklungspotenzial dar. Objektiv betrachtet haben Nachverdichtung und Baulückenschließung gleich mehrere Vorteile: Mit dem kleinteiligen Eingreifen in innerstädtische Strukturen lassen sich Bausünden wie ungestaltete Garagenhöfe, Gewerbebrachen, un- oder untergenutzte Grundstücke gestalterisch aufarbeiten. Im Idealfall kann sogar die Gestaltqualität ganzer Stadtviertel steigen. Und mit der Nachverdichtung häufig desolat genutzter Blockinnenbereiche lassen sich hochwertige Wohnungen schaffen.
Wie das aussehen kann, zeigt das Projekt „Stavenhof“ in der Kölner Altstadt. Die beiden Kölner Architekten Brandlhuber und Knies standen vor der Aufgabe, in einer stark verschatteten, engen Baulücke in einer Seitenstraße ein Wohn- und Geschäftshaus zu platzieren. Als Lösungsansatz wählten sie flexible, unregelmäßige Grund- und Aufrisse. So gingen sie vom größtmöglichen Volumen gemäß aller Abstandsflächenbestimmungen aus und entfernten gerade so viel Masse, dass eine ansprechende Belichtungssituation entstand. So entstand ein Neubau, der sich in Größe und Nutzung an der umliegenden Bebauung orientiert und auf kreative Art neue Wohn- und Arbeitsräume im eng besiedelten Bereich schafft.
Die Nachverdichtungsmaßnahme stellt eine beispielhafte Lösung für eine Lückenbebauung im verdichteten urbanen Umfeld dar. Auf 335 Quadratmetern sind sieben Wohnungen mit 613 Quadratmetern Wohnfläche entstanden. Mit Maßnahmen wie diesen könnte flexibel auf die Angebotslücke reagiert werden, mit der im innerstädtischen Geschosswohnungsbau bis 2025 gerechnet wird. Außerdem ermöglichen solche und ähnliche Projekte, dem durch den demografischen Wandel verursachten Schrumpfungsprozess der Innenstädte durch Schaffung qualitätvoller Neubauangebote zu begegnen. Geringerer Energieverlust und Flächenverbrauch
Neben den genannten Argumenten sprechen sicherlich auch Aspekte des Umweltschutzes und der Ressourcenschonung dafür, Nachverdichtungsmaßnahmen den Vorzug zu geben: Die Bebauung von Baulücken entspricht einer ökologischen Stadtentwicklung im besten Sinne. Die geschlossene Bauweise weist weniger Energieverlust auf. Vorhandene Infrastruktur kann genutzt werden. Innerstädtische Wohnformen vermeiden Verkehr. Und schließlich reduzieren Nachverdichtungsmaßnahmen den Flächenverbrauch. Das gilt gerade dann, wenn ganze Stadtquartiere beispielsweise auf aufgelassenen Industriearealen entstehen - wie derzeit im Düsseldorfer Stadtteil Pempelfort zu beobachten.
Auf dem Gelände eines ehemaligen Güterbahnhofs entsteht seit 2007 ein ganzes neues Wohnviertel mit 400 Stadtwohnungen und 35.000 Quadratmetern Netto-Wohnfläche. Gesamtplaner ist Dr. Rainer Götzen (Ratingen) in Zusammenarbeit mit verschiedenen namhaften Architekten aus danz Europa. Besonderheit: Architekt Götzen ist mit seiner Interboden-Gruppe zugleich Projektentwickler. Die Nachfrage spricht für sich: Im ersten Bauabschnitt mit 92 Wohneinheiten waren nur wenige Monate nach Vermarktungsbeginn sämtliche Wohnungen verkauft.Vorhandene Baulücken müssen identifiziert werden
78.000 Baulücken mit einer Gesamtfläche von etwa 7.100 Hektar liegen in ganz Nordrhein-Westfalen brach. Das hat eine Studie der Universität Bonn im Jahr 2006 ergeben. Da lohnt es sich, vorhandene Baulücken zu identifizieren, um sie Bauherren anbieten zu können. Doch die Studie hat auch ergeben, dass es von Vorteil ist, wenn zusätzlich fundierte Aussagen zur Bebaubarkeit und zur Wirtschaftlichkeit getroffen werden können.
Für Architekten ergibt sich hier ein breites Tätigkeitsfeld. Denn eines können Nachverdichtungsmaßnahmen bei allen genannten Vorteilen dennoch sein: komplexe, langwierige und komplizierte Angelegenheiten. Damit sind sie für renditeorientierte Investoren vielleicht kaum von Interesse. Wohl aber für weitsichtige Bauherren, die die materiellen und immateriellen Chancen nutzen wollen, die sich mit der Schließung einer Baulücke bieten.
Die AKNW hat zum Thema "Nachverdichtung" ein Positionspapier erstellt:Studie des Planungsbüros Drees & Huesmann:
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