Architektenexkursion zur Expo 2010

Architektenexkursion (I): Shanghai - Stadt der Superlative

In fünfzehn Stunden einmal um die halbe Welt. Wie lang hat wohl Marco Polo gebraucht, frage ich mich und lege den Reiseführer zur Seite. Wer über Dubai nach Shanghai zur Expo fliegt, erlebt eine Welt in raschem Wandel. Schon der Flughafen Düsseldorf, von dem aus wir gestartet sind, ist nicht klein. Wenn man aber nach gut sechs Stunden Flug in Dubai aus dem Flugzeug steigt und den International Airport betritt, wechselt man in eine andere Welt. Um Mitternacht wimmelt es hier von Menschen aus scheinbar aller Herren Länder, eine Sprachen- und Kulturvielfalt wird deutlich, die an kaum einem anderen Ort dieser Welt auf so engem Raum zu finden sein dürfte. Als Transit-Flughafen verbindet Dubai den asiatischen Raum und Australien mit Europa. Ein modernes Babel, wobei das möglicherweise Sündige an diesem Ort im Konsum besteht. Der Flughafen von Dubai ist eine einzige lange Mall, die sich über mehrere hundert Meter schnurgerade erstreckt und in der alle prominenten Lifestyle und Luxusmarken zu finden sind.

07. Juni 2010von Christof Rose

Noch zwei Stunden Wartezeit dann weiter nach Shanghai. Wir nähern uns bei gutem Wetter von Süden, so dass die Lage der Stadt an der Küste des ostchinesischen Meeres aus der Luft gut zu erkennen ist. Südlich, entlang der Küste, ziehen sich endlose Felder und Wasserbecken, die dem Meer abgerungen wurden und auf denen Ackerbau und Fischzucht betrieben wird. Eine Stadt wie Shanghai mit etwas 20 Millionen Menschen will versorgt sein.Außerdem aus dem Flugzeug gut zu sehen: Die Grundstruktur von Lingang New City. Eine neue Stadt, die vom Hamburger Architekturbüro gmp entworfen wurde und derzeit in Bau ist. Das Zentrum bildet ein riesiger, kreisrunder See, von dem aus strahlenförmig die Hauptverkehrsachsen abgehen. Die Straßen sind schon gebaut, und auch einige Wohnhaus-Cluster sind gut zu erkennen. Die weitaus meiste Fläche ist noch unbebaut bzw. ist als Baustelle zu erkennen. Aber Lingang New City steht erst am letzten Tag unserer Exkursion auf dem Programm. 

Nach der Landung auf Shanghai Pudong International Airport empfängt uns der freundliche Herr Feng. Der junge Chinese spricht fließend Deutsch und wird uns in den nächsten Tagen durch die Stadt und auf die Expo führen. Zunächst erwartet unsere Reisegruppe, die aus 32 Architektinnen und Architekten bzw. dem Beruf nahestehenden Interessierten besteht, ein technisches Erlebnis der besonderen Art. Vom Flughafen Shanghai geht es mit 431 km/h in die Stadt. Eine Station, knapp acht Minuten Fahrzeit - das ist der Transrapid, der hier wie ein Shuttle hin und her fährt. 2003 wurde die Hochtempobahn von Siemens und Thyssen-Krupp fertig gestellt und vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder feierlich mit eröffnet. Immer in der Hoffnung, dass die Chinesen diese Referenzstrecke zum Anlass nehmen würden, weitere und längere Transrapidstrecken zu bauen. Was bislang nicht erfolgt ist.

Dafür ist die Fahrt mit dem rasanten Zug ein Erlebnis. Die hohe Geschwindigkeit wird zügig erreicht und ist für den Fahrgast kaum spürbar. Würde der Zug sich nicht an einigen Stellen geneigt in die langgezogenen Kurven legen, könnte man Tempo 400 kaum von Tempo 200 eines ICE unterscheiden. So schnell kommt man jedenfalls kaum sonst wo vom Flughafen in die Stadt…Und in was für eine Stadt: Shanghai erstreckt sich auf 100 km x 120 km Fläche. In den vergangenen 20 Jahren sind eine Vielzahl neuer und neuester Hochhausbauten entstanden, die der Metropole einen modernen, einen westlichen Anstrich geben. Überhaupt ist Shanghai - etwa im Vergleich zur Hauptstadt Peking - auffallend jung, urban und westlich orientiert. Zahlreiche, meist prachtvolle Hotels konkurrieren im Stadtbild mit modernen Bürogebäuden, die oft mit einer Multi-Media-Fassade zusätzlich auf sich aufmerksam machen. Vor allem in den Abendstunden, wenn die Dämmerung einsetzt, beginnt die Stadt zu leuchten und geheimnisvoll zu strahlen. Pudong, der neue Stadtteil im Südosten, setzt städtebaulich auf Größe, Höhe und Licht. Ein Farbenmeer, das den ungeübten Betrachter zu erschlagen droht. Tritt man aber ans Ufer des Huangpu-Flusses, erhält man einen überwältigenden Blick auf die Kernstadt, die sich entlang der Promenadenstraße des Huangpu, dem Bund, mit einer nicht enden wollenden Perlenkette von architektonischen Highlights und Prachtbauten schmückt. Hier stehen sanierte Bauten aus der Kolonialzeit neben modernen Hochhäusern. Und auch wenn manch’ auffallendes Bauwerk uns bekannten Bauten zum Verwechseln ähnlich sieht (z. B. die zwei stadtbildprägenden Hochhäuser, die dem Chrysler-Building und dem Hochhaus aus Fritz Langs Stummfilm „Metropolis“ nachempfunden sind), ergibt sich doch insgesamt eine Stadtsilhouette, die ungeheuer beeindruckend ist. Samstag am späteren Abend drängelten sich entsprechend tausende von Menschen am Huangpu-Ufer, um dieses Bild zu fotografieren, sich vor der Kulisse Shanghais ablichten zu lassen, sei es in natura oder als chinesische Prinzessin verkleidet.Zum Abschluss des aufregenden und anstrengenden ersten Tages empfahl unser Fremdenführer Herr Feng den gemeinsamen Besuchs eines Restaurants. Die meisten Exkursionsteilnehmer wollten dabei sein und zahlten gerne den Preis von 200 Yuan (was bei gegenwärtigem Kurs etwa 25 Euro entspricht). Etwas leichtfertig, wie sich dann schnell heraus stellte. Wie in allen chinesischen Touristenstädten wurde auch hier ein Lokal aufgesucht, das zwar gruppendynamisch vorteilhaft eingerichtet ist. Man aß an drei großen, runden Tischen, die Speisen werden dann auf einem großen Drehteller in der Mitte platziert, so dass sich alle selbst bedienen können. Allein - die dargereichten Speisen waren doch eher karg und konnten nicht überzeugen. Da spendete auch das eine, im Preis inkludierte Tiger-Bier wenig Trost. Immerhin: Der Rückweg bot Shanghai bei Nacht, und alleine die kleine Stadtrundfahrt, die sich erneut anschloss, und ein kurzer Spaziergang durch die Fußgängerzone wogen die Enttäuschung über das Essen mehr als auf. 

Ein gelungener Start in die Architekten-Exkursionswoche Shanghai. 

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