Architektenhaftung: Aktuelle Rechtsprechung und Entwicklungen
Rechtliche Aspekte spielen in der Arbeit der Architektinnen und Architekten zunehmend eine wichtige Rolle. Eines der zentralen Probleme ist dabei die Frage der Haftung. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hatte dazu für den 27. November Mitglieder sowie Anwälte, Richter und andere Juristen zu einer Vortragsveranstaltung in die Kunstsammlung NRW (K20) in Düsseldorf eingeladen. 300 Zuhörer informierten sich über die aktuelle Rechtsprechung und Entwicklungen, die die Referenten, Rechtsanwälte Dr. Jörg Zerhusen und Dr. Andreas Lachmann (Partner in der Sozietät Rotthege, Wassermann & Partner in Düsseldorf) anhand von konkreten Beispielfällen anschaulich darstellten.
„Allein die Beherrschung der fachlichen Seite reicht für Architektinnen und Architekten heute nicht mehr aus, um sich vor Haftungsansprüchen zu schützen.“ Mit diesen Worten führte der Vizepräsident der AKNW, Alfred Schlüter, in die Veranstaltung ein. Die Rechtsprechung sei in den letzten Jahren immer komplexer und nuancenreicher geworden, so Schlüter, Kammermitglieder müssten sich inzwischen sehr weit in die juristische Materie einarbeiten. Besonders die Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung beim Zusammentreffen von Objektüberwachungs- und Ausführungsfehlern führe zu einem großen Haftungsrisiko für Architekten. Ebenso besorgniserregend sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Honorarminderung bei einer vertraglichen Vereinbarung und anschließenden Überschreitung einer Kostenobergrenze sowie die Rechtsprechung zu dem Erfordernis der dauerhaften Genehmigungsfähigkeit einer Planung.
Steigende rechtliche Anforderungen
Den Veranstaltungsteilnehmern wurde durch die Fachvorträge vor Augen geführt, wie hoch die Anforderungen der Rechtsprechung an eine mangelfreie Planung sind, die der Architekt im Rahmen seines Werkvertrages schuldet. Betont wurde auch, wie weit die Aufklärungs-, Hinweis- und Regelungspflichten des Architekten beispielweise im Falle der Änderung des Stands der Technik oder im Falle eines Genehmigungsrisikos gehen. Den Rechtsanwälten gelang es, die Kammermitglieder für die im Rahmen der Planungs- und Ausführungsphase aufgestellten Haftungsfallen zu sensibilisieren. Die Entscheidung des Brandenburgischen OLG, wonach der Architekt erhebliche Kenntnisse des Bau-rechts besitzen muss, lies die Frage aufkommen, inwieweit Architekten in den Bereich der Rechtsberatung einsteigen müssen. In dem zugrundeliegenden Fall des OLG haftete der Architekt für eine dem Bauherrn empfohlene, aber fehlerhafte Vertragsstrafenklausel im Bauvertrag. Er hatte die vom BGH für Vertragsstrafen neu festgelegte Obergrenze von 5 % nicht beachtet. Kritisch äußerte sich Rechtsanwalt Zerhusen zu einer Entscheidung des OLG Naumburg zu den Objekt-überwachungspflichten des Architekten in Bezug auf insolvenzgefährdete, ausführende Unternehmen. Danach besteht bei gefährdeten Unternehmen eine erhöhte Überwachungspflicht für jeden Arbeitsschritt - so, wie sie nach ständiger Rechtsprechung auch bei fehlerträchtigen Arbeiten gilt. Auf das Risiko der Haftung für Tätigkeiten aus reiner Gefälligkeit wies Dr. Zerhusen sehr deutlich hin. Er riet den Architekten zur eindeutigen vertraglichen Leistungsbestimmung, Festlegung von Leistungsziel und Leistungsrisiken.Wichtig: Aufklärung des Bauherrn
Lachmann verdeutlichte das Risiko des fehlenden Versicherungsschutzes für den Architekten in Bezug auf gestalterisch oder baurechtlich problematische Bauvorhaben. Er wies auf die Notwendigkeit hin, die Bauherren beispielsweise im Falle von fehlenden DIN-Normen im Vorfeld hinreichend aufzuklären. Zusammenfassend betonten die Referenten, dass die derzeitige Rechtsprechung an die Architektinnen und Architekten hohe Anforderungen stelle. Deutlich wurde auch, dass die Tendenz gegenwärtig dahin geht, dass sich die rechtliche Position der Architekten weiter verschlechtern wird. Aussagen, die beim Publikum der Fachveranstaltung für einige Ernüchterung sorgte. Die große Teilnehmerzahl und die vielfältigen Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum im Anschluss an die Vorträge der Referenten verdeutlichten aber das große Interesse und die hohe Praxisrelevanz des Themas im Berufsalltag der Architekten und Juristen.
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