Regierungsbildung in NRW: Bündelung von Bauen und Wohnen, Landesplanung und Stadtentwicklung in einem Ressort notwendig

Architektenkammer fordert starkes Bauministerium

"Die ökonomische und kulturelle Bedeutung der Architektur und der Bauwirtschaft in unserem Land muss sich in einem starken NRW-Bauministerium widerspiegeln, in dem die Ressorts Bauen und Wohnen, Landesplanung und Stadtentwicklung gebündelt werden müssen!" Diese Forderung erhob der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Hermannjosef Beu, heute vor der Landespressekonferenz in Düsseldorf. Die Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen biete die Möglichkeit, die Aufsplittung von Kompetenzen auf verschiedene Ministerien rückgängig zu machen und damit ein politisches Signal zu setzen.

30. Mai 2000

Die Erfahrung der vergangenen fünf Jahre habe gezeigt: Die Abspaltung des Ressorts Städtebau vom Bauministerium und seine Integration in das mit sehr unterschiedlichen Aufgaben befasste Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport hat sich nicht bewährt. Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen habe insbesondere bei städtebaulichen Wohnprojekten immer wieder feststellen müssen, dass es zu Kompetenzüberschneidungen zwischen den Ministerien gekommen sei. "Hier sind Reibungsverluste entstanden, die unnötig waren und die eine einheitliche Planung erschwerten", resümierte Hermannjosef Beu. Gleiches gelte für den Bereich Landesplanung, der dem Umweltministerium zugeordnet ist. Eine stringente Landesplanung sei auf das engste verbunden mit der Entwicklung unserer Städte, mit Siedlungsprojekten und innovativen Bauvorhaben. Der Präsident der Architektenkammer verwies auf die ministerielle Struktur in den 80er Jahren, die als positives Beispiel dienen könne. Damals waren die Zuständigkeiten für Landes- und Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen in einem Ministerium zusammengefasst. Diese Struktur habe eine innovative Infrastrukturpolitik ermöglicht, die Nordrhein-Westfalen bundesweit zum Vorbild gemacht habe. Eine Position, die drohe, verloren zu gehen, wenn sie nicht gezielt ausgebaut werde. Deshalb erwartet die Architektenkammer im Zuge der Regierungsbildung in NRW ein deutliches Signal zu Gunsten von Planungskultur und Bauqualität. "Die nachhaltige Planung und städtebauliche Entwicklung unseres dichtbesiedelten Bundeslandes ist eine große Verantwortung und eine der zentralen Herausforderungen der künftigen Landesregierung!"

Der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen betonte, dass für eine enge Verzahnung der Bereiche Bauen und Wohnen, Landesplanung und Stadtentwicklung in einem starken Ressort ökonomische, ökologische und kulturelle Gründe zwingend seien:

Architektur und Bauwesen sind von herausragender volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung. In Westdeutschland erwirtschaften sie 9,2 Prozent des Brutto-Inland-Produktes. Allein das Bauhauptgewerbe in Nordrhein-Westfalen verzeichnet im Jahr einen Gesamtumsatz von 34 Milliarden Mark (1998). Die vornehmlich mittelständisch strukturierten Unternehmen der Branche geben 170.000 Menschen Arbeit. Jede Erhöhung der Baunachfrage um eine Mark bewirkt über die dadurch angeregte Wirtschaftstätigkeit in vor- und nachgelagerten Sektoren eine gesamtwirtschaftliche Produktionszunahme um 2,40 Mark. Jede Milliarde DM, die hier investiert wird, schafft oder sichert rund 12.000 Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft und den Zulieferbetrieben. Klare Rahmenbedingungen und schnelle Genehmigungsverfahren sind unverzichtbare Voraussetzung für eine prosperierende Bauwirtschaft. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Zuständigkeit innerhalb der Landesregierung für den gesamten Bau- und Planungssektor in einer Hand liegt.

Für die nachhaltige Entwicklung unserer Städte und Gemeinden ist es unerlässlich, Bauplanung, Städtebau, Regionalplanung und Landesplanung als Einheit zu betrachten. Nur so ist ein zielgerichteter Entwicklungsprozess möglich, der auch langfristig ein ausgewogenes Verhältnis von Stadt und Land, von Verkehrs- und Grünflächen gewährleistet. Ökologisches Bauen und ein verantwortungsbewusster Umgang mit Ressourcen muss auch weiterhin durch das Land gefördert werden. Der gezielte Einsatz von Fördermitteln und die Sicherung insbesondere der Ressource "Boden" können nur durch eine langfristige Strategie aus einem Guss sichergestellt werden.

Das von der Landesregierung beschlossene Bau- und Liegenschaftsmanagement, das künftig für die Errichtung, Verwaltung und Pflege der landeseigenen Gebäude zuständig ist, muss nach Auffassung der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen zwingend dem Bauministerium zugeordnet werden. "Die Pflege des architektonischen Erbes ist keine Aufgabe, die nach rein kaufmännischen Kriterien im Finanzministerium erledigt werden kann", erklärte Kammerpräsident Beu. Eine solche Zuordnung würde das Land in die 70er Jahre zurückwerfen, als die Zuständigkeiten für Bauen und Wohnen im Finanzministerium angesiedelt waren. "Die Fehler, die damals durch das reproduzierbare Bauen insbesondere im Hochschulbau gemacht worden sind, haben deutlich gezeigt, dass die Landesregierung Bauen nicht nur als quantitative, sondern vor allem als qualitative Aufgabe annehmen muss." Schon in der Struktur der Ministerien müsse deutlich werden, dass Bestandspflege und Immobilienmanagement keine fiskalischen, sondern primär baukulturelle Aufgaben seien. Ein kompetentes Bauministerium werde ein wirtschaftliches Bestandsmanagement mit Aspekten der Stadt- und Regionalentwicklung, der Denkmalpflege und der Gestaltqualität unserer gebauten Umwelt in Einklang bringen.

"Die Pflege und Förderung von Baukultur, der Gestaltqualität unserer Städte und Wohnhäuser, unserer Liegenschaften und Landschaften, ist keine Luxus-Aufgabe, die man in schweren Zeiten einfach streichen kann", betonte der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Das Gegenteil sei der Fall: Funktionierende Städte und qualitätvolle Architektur gewännen in unserer Dienstleistungsgesellschaft ständig an Bedeutung. Als weiche Standortfaktoren spielten Architektur und Städtebau bei der Anwerbung von Investoren und Fachkräften heute eine wichtige Rolle für das Gelingen des Strukturwandels in NRW. Deshalb richtete Kammerpräsident Hermannjosef Beu den eindringlichen Appell an Ministerpräsident Wolfgang Clement: "Schaffen Sie ein einheitliches Ministerium für Bauen und Wohnen, Landesplanung und Stadtentwicklung! Ein starkes Land NRW braucht ein starkes Bauministerium!"

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