200 Architektinnen und Architekten beraten bis Samstag über das Thema "Natur und Umwelt"

Architektenkongress auf Mallorca

„Natur und gebaute Umwelt“ - unter diesem Generalthema befassen sich gegenwärtig rund 200 Architektinnen und Architekten auf dem Internationalen Architektenkongress 2009 der Architektenkammer NRW in Palma de Mallorca. Vor welche Herausforderungen stellt der Klimawandel die Architektenschaft? Welchen Beitrag können Architekten und Stadtplaner leisten, um den Verbrauch natürlicher Ressourcen möglichst gering zu halten und um unsere Städte und Gemeinden zukunftsfähig zu gestalten? Diese Fragen stehen im Zentrum des Kongresses, der vom 10. bis zum 14. Juni 2009 im Kongresszentrum von Palma stattfindet.

11. Juni 2009

„Nachhaltiges, ökologisch ausgerichtetes Planen und Bauen ist ein Thema, dass wir alle sehr ernst nehmen müssen. Denn sonst werden wir unserer Verpflichtung gegenüber unseren Kindern nicht gerecht!“ Mit diesem programmatischen Statement eröffnete der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen am Donnerstag morgen den „Inselkongress“ der AKNW. Das Thema sei nicht nur von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auch von großer politischer Brisanz, da gegenwärtig die Regelung eines Nachfolgevertrages zum Kyoto-Protokoll ins Stocken geraten sei.  

„Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist das Zukunftsprinzip schlechthin“, betonte Kammerpräsident Miksch. „Durch unsere Planungen und Festlegungen greifen wir tief in die weltweiten Energie- und Stoffströme ein.“ Daher trügen Architektinnen und Architekten für die Entwicklung nachhaltigen Wirtschaftens eine entscheidende Verantwortung. Architekten und Stadtplaner müssten dabei auch die Aufwertung des Gebäudebestands aktiv angehen. Nach Schätzungen des NRW-Wirtschaftsministeriums seien mindestens 75 Prozent der Bestände unzureichend gedämmt. „Hier liegt eine riesige Aufgabe vor uns allen, vor allem wenn man sieht, dass wir im Moment eine Neubauquote von 1 % im Jahr haben.“ Der Investitionsbedarf werde auf 95 Milliarden geschätzt. Miksch hob das Innovationspotenzial der Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner in Deutschland hervor. Es gebe bereits viele theoretische Ansätze und auch praktische Beispiele für umweltverträgliches Bauen. Dazu werde der Kongress viele Impulse geben. Der nordrhein-westfälische Bauminister Lutz Lienenkämper betonte in seiner Rede, dass an der energetischen Überarbeitung des Bestandes kein Weg vorbei gehe. „Nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aus ökonomischen“, so Lienenkämper. Denn Wohnungen mit schlechten energetischen Werten seien langfristig nicht vermietbar. „Klimaschutz bleibt für die Landesregierung ein zentrales Ziel unserer Arbeit“, hob der Bau- und Verkehrsminister hervor. Entsprechende Kriterien seien deshalb in die Wohnungs- und Städtebauförderung eingeflossen. Er halte es für wichtig, nicht nur die Bauwerke, sondern auch Radwege und den Öffentlichen Personennahverkehr in ein ökologisches Gesamtkonzept einzubeziehen.

Letzten Endes sei es eine Frage der Baukultur, wie Politik und Fachleute sich dieses Themas annähmen. „Die gebaute Umgebung muss den Menschen Orientierung bieten, sie sollte für Menschen ‚Heimat’ sein“, postulierte Lutz Lienenkämper. Baukultur könne einen wesentlichen Beitrag zur Profilbildung von Städten und Stadtquartieren leisten. Hier lohne sich eine intensive Diskussion über eine effiziente Ästhetik, nämlich die Frage, wie anspruchsvolle Architektur kostengünstig realisiert werden könne. Auftraggeber und Bauherren müssten den Mut haben, mit exponierten Einzelbauwerken voranzupreschen. Eine Debatte über die Schönheit der Städte müsse die Kommunen eng einbinden. Denn die Planungshoheit liege nun einmal bei den Städten und Gemeinden. „Ich wünsche mir, dass unser Land Nordrhein-Westfalen sich international als Region der Baukultur, der hohen und aufregenden Architekturqualität positioniert“, erklärte Minister Lienenkämper.

Dies sei ein Ziel, das er sich gesteckt habe und das er mit Unterstützung der Architektinnen und Architekten erreichen wolle. Vielleicht lasse sich in gemeinsamer Anstrengung von Politik, Architekten, Wissenschaft und Baubranche eine internationale Bauplattform in NRW schaffen - ein Projekt mit Perspektive bis ins Jahr 2026, dem 80. Geburtstag des Landes Nordrhein-Westfalen. „Für Nachhaltigkeit gibt es kein Kochrezept; es handelt sich immer um einen Abwägungsprozess.“ Dr. Volker Hauff, Bundesminister a. D. und Vorsitzender des Rates für nachhaltige Entwicklung, zeichnete in seinem Vortrag „Strategien für eine nachhaltige Entwicklung“ die historische Genese des Gedankens der Nachhaltigkeit nach. Das Konzept sei vor rund 250 Jahren entstanden, als es in Europa eine Holzknappheit gab. „Damals war der Begriff ‚Nachhaltigkeit’ ein Krisenbegriff“, erläuterte Hauff. Danach sei der Begriff aber in Vergessenheit geraten, bis er in den 1970er Jahren wieder aufkam und heute allgegenwärtig ist. „Das Klimaproblem ist die wichtigste Herausforderung, mit der wir umgehen müssen“, so Volker Hauff. Untersuchungen im ewigen Eis haben ergeben, dass Klimaprozesse, die früher 1.600 Jahre benötigt haben, heute in einem Jahr ablaufen.  

Strategien des Rats für nachhaltige Entwicklung lagen in der Vergangenheit zunächst in einer Versachlichung der Diskussion. Der Rat schlug die Einführung von 21 Indikatoren vor, um überhaupt in der Lage zu sein, einzelne Wirtschaftsbereiche auf ihre Nachhaltigkeit zu überprüfen. Der Rat setzte außerdem 2001 auf Internationalität und auf die Eigeninitiative interessierter Kreise. Heute bezeichnet die Bundeskanzlerin die Nachhaltigkeit als Kernaufgabe jeder Politik. Nachhaltigkeit muss pro Kopf gerechnet werden. Jeder Mensch hat ein Entwicklungsrecht, das sich automatisch mit umweltschädlichem Verhalten verbindet. Will man den Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius begrenzen, dann dürfte jeder Mensch maximal zwei Tonnen CO2 im Jahr produzieren. In Deutschland liegt der Wert gegenwärtig bei 4,6 Tonnen. „Seit Mai leben wir alle auf Pump, auf Kosten unserer Nachfahren“, spitzte Hauff seine mahnenden Worte zu. „Wir müssen unser Leben in den kommenden Jahren an vielen Stellen ändern.“ Der Begriff „Nachhaltigkeit“ werde der zentrale Begriff des 21. Jahrhunderts, und das Prinzip Nachhaltigkeit müsse das zentrale Element der Globalisierung werden. Eine Einschätzung, die Michael Müller aus politischer Perspektive teilte. Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium sah unsere Gesellschaft am Beginn eines ökologischen Jahrhunderts. „Eine weitere Schaffung von Wohlstand auf Kosten der Umwelt ist nicht länger möglich.“ In Ländern wie Brasilien, Indien und China führe die nachholende Industrialisierung zu einer nachholenden Naturzerstörung. Die Folgen sind fatal: Es wird eine Erwärmung von 0,3 Grad pro Jahrzehnt befürchtet, mit dramatischen Folgen. Das Polareis schmilzt immer schneller, Phasen der Trockenheit im Süden Europas nehmen zu, Meeresspiegel steigen. 

Die Energie-, Material- und Ressourcenproduktivität müsse deutlich gesteigert werden, so Müller. Notwendig sei eine Verdoppelung. „Im reinen Status Quo sind die Probleme nicht zu lösen. Wir müssen gemeinsam alles dafür tun, um die Trendwende zu schaffen.“ Dabei seien die Architekten und Ingenieure wichtige Partner, da sie an wichtigen Stellschrauben drehen könnten. „Mir wäre wohler, wenn in den Unternehmen auf den entsprechenden Stellen wieder Architekten sitzen würden und nicht Finanzexperten.“

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