Arthur Pfeifer (1879-1962) und Hans Großmann (1879-1949)

Arthur Pfeifer (1879-1962) und Hans Großmann (1879-1949)

Die derzeit geführte Diskussion über die Umgestaltung der Mülheimer Innenstadt und der Ruhrpromenade kreist vor allem um das städtebauliche Erbe des Mülheimer Architekturbüros Pfeifer und Großmann. Der Rathauskomplex und die Stadthalle an der Ruhr sind hierzulande die prominentesten Beispiele dieses außergewöhnlichen Architektenpaares. Im gesamten Ruhrgebiet entstanden eine Reihe öffentlicher, privatwirtschaftlicher, sozialer und kirchlicher Bauten, die überregional von besonderer Bedeutung sind. - Ein weiterer Beitrag unserer Reihe „Retrospektive: Einflussreiche Architekten, Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner in NRW“.

10. März 2006von Willi Landers

Das Beispiel Pfeifer/Großmann zeigt, dass gerade eine Büropartnerschaft mit unterschiedlichen Persönlichkeiten zu einem wertvollen Ganzen reifen kann. Arthur Pfeifer (geb. 1879 in Mühlberg) und Hans Großmann (geb. 1879 in Zürich) sind früh zu einer solchen eigenständigen und von der persönlichen Haltung geprägten Schaffensweise gelangt. Großmann absolvierte sein Architekturstudium an der ETH Zürich, Pfeifer an der Technischen Hochschule Karlsruhe und in Berlin. Beide lernten sich während eines Praktikums bei Prof. Hermann Billing 1905 kennen. Im Anschluss an diese Zeit gründeten sie ihr gemeinsames Büro. Das Aufgabenspektrum ihrer Architektengemeinschaft war sehr breit angelegt; sie schufen nicht nur Wohn- und Verwaltungsgebäude, sondern auch Brücken, Wassertürme, Erholungsheime, Schulen u. v. m.

Zunächst aber bewiesen und entwickelten Pfeifer und Großmann an bürgerlich-profanen Bauaufgaben Zeitgeist und ihre moderne Architektursprache. Gemeinsam forderten sie, in der Baukunst Wahrheit und Sachlichkeit in Schönheit zusammen zu führen. Zweck und Charakter des Hauses möge sich mit seiner künstlerischen Erscheinung decken, denn das äußere Erscheinungsbild sollte sich aus dem „Inneren“ einfach und folgerichtig entwickeln. Ihre Grundsprache war der Ausdruck eines gediegenen Wohlstands, der aus der Physiognomie eines Herrschaftshauses spricht. Der herrschaftliche Charakter dieses Wohntypus‘ findet im Inneren den stärksten Ausdruck. In ihren Anlagen entwickelten Pfeifer und Großmann die Grundsätze der modernen Familienhausgliederung mit Elementen wie der zentralen Diele, flankierenden Treppenhäusern und ringförmig angelegten Räumen um einen Hof.  

Von Karlsruhe ins Ruhrgebiet
Die neuen Ansätze für Siedlungs- und Wohnformen fielen vor allem im Ruhrgebiet auf fruchtbaren Boden, das in den 20er Jahren eines der fortschrittlichsten Industriezentren der Welt war. Pfeifer und Großmann verbanden ihr Verständnis bürgerlicher Wohnformen mit Modernität und Innovationsfreude; wobei sie sich gegenüber einem unbekümmerten Fortschrittsglauben eine gewisse Grundskepsis bewahrten. Diese Haltung deckte sich mit dem Lebensgefühl vieler Menschen im Ruhrgebiet. Durch die Büroteilung in ein Karlsruher Büro mit Dependance in Mülheim wurden architektonische Einflüsse des Nach-Klassizismus aus dem badischen Raum ins Ruhrgebiet getragen.

Pfeifer und Großmann stehen mit ihrem städtebaulichen Wirken im Zentrum der aufkommenden Gartenstadtbewegung in Deutschland. In Karlsruhe-Rüpürr (der ersten Gartenvorstadt 1906, neben Dresden-Hellerau) wirkten Pfeifer und Großmann planerisch mit. Obgleich die Idee der Gartenstadt nach Ebenezer Howard im Kern nach der Entwurfsphilosophie des Büros Pfeifer/Großmann zu anti-städtisch angelegt war, bewies das Architektenduo gerade in Mülheim an der Ruhr und in Oberhausen-Sterkrade, wie ein verdichteter innerstädtischer Raum aufgelockert werden kann. Die Vielseitigkeit der Bauten, die im Mülheimer Atelier unter der Leitung von Dr. Hans Großmann geschaffen wurden, ist bis heute stadtbildprägend für Mülheim und ein unmittelbarer Ausdruck der wirtschaftlichen und städtebaulichen Entwicklung des Ruhrgebietes. Hans Großmann lebte bis 1949 in Mühlheim an der Ruhr, Arthur Pfeifer starb 1962 in Karlsruhe. Das Büro Pfeifer und Großmann bestand bis in die 1950er Jahre.  

Projekte in NRW
Stadthalle Mülheim a. d. Ruhr
Rathauskomplex Mülheim a. d. Ruhr
Klarahaus, Mülheim a. d. Ruhr
Wasserkraftwerk Raffelberg
Hotel Duisburger Hof, Duisburg
Eingangspavillon Solbad Raffelberg
Verwaltungsgebäude Rheinisch-Westfälische Wasserwerke, Mülheim a. d. Ruhr
Haus eines Arztes, Herne
Haus Nathanael, Mülheim a. d. Ruhr
Villa Hochheimer, Gelsenkirchen
Feierabendhaus in Mülheim a. d. Ruhr
-> zahlreiche weitere Wohnhäuser und Geschäftshäuser im Ruhrgebiet 

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