Eine Gruppe von Männern und Frauen steht zusammen, die Personen lächeln.
Referentinnen und Referenten der ARCH-E-Roadshow (v. l.): Dr. Philip Steden und Anja Kranz, Edda Kurz, Heike Blohm-Schröder, Prof. Torsten Schröder, Reto Gmür, Dirk Baackmann und Harald Wennemar. - Foto: Ingo Lammert/Architektenkammer NRW

Attraktivität von Wettbewerben steigern

Dass Wettbewerbe einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Baukultur und zur Qualitätssicherung leisten, wird immer wieder betont. Die Situation in Deutschland - wie in anderen Ländern - ist jedoch durch einen kontinuierlichen Rückgang an Wettbewerben, vor allem offenen Wettbewerben gekennzeichnet. „Das derzeitige Vergabewesen“, so hat es unlängst BAK-Präsidentin Andrea Gebhard formuliert, „wirkt sich nachteilig auf innovative Architektur und Baukultur aus, weil es zu stark auf formaljuristische, wirtschaftliche und technische Kriterien fokussiert ist“.

05. September 2025von Dr. Frank Maier-Solgk

Handlungsbedarf ist also gegeben. Insofern besaß die halbtägliche Fachtagung „ARCH-E-Roadshow“ der Bundesarchitektenkammer (BAK) in der Architektenkammer.NRW am 1. September eine gewisse Dringlichkeit. Kammerpräsident Ernst Uhing betonte zur Begrüßung: „Wir wollen ändern, dass vor alle junge Büros an der Teilnahme an Wettbewerben durch zu hohe Hürden gehindert werden.“

Konkreter Anlass der Tagung war die Vorstellung des Projektes „ARCH-E“. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein 2023 ins Leben gerufenes EU-Forschungsprojekt, dessen Ziel es ist, die europäische Wettbewerbskultur durch grenzüberschreitende Maßnahmen zu fördern. Laut aktueller BAK-Umfrage nehmen nur acht Prozent der Büros in Deutschland an grenzüberschreitenden Wettbewerben teil. Dr. Philip Steden und Anja Kranz von der BAK stellten die Grundlinien des Projekts vor, an dem derzeit elf Länder mitwirken, erläuterten dessen Ziele und Perspektiven.

Arch-E fokussiert drei Schwerpunkte: Zum einen wurde das Wissen über die heterogene Wettbewerbslandschaft in Europa gesammelt und aufgearbeitet. Zum zweiten hat man ein 1.000 Begriffe umfassendes Glossar erarbeitet, das die unterschiedlichen nationalen Begrifflichkeiten klärt, und schließlich entwickelte man ein vertieftes Analyse-Survey über spezifische Lücken und Probleme, die einer stärkeren Internationalität entgegenstehen. 

Arch-E-Map

Dr. Torsten Schröder, Assistant Professor oft Sustainability in Architectural Design an der Eindhoven University of Technology, der für die methodische Tool-Entwicklung zuständig war, erläuterte die durch Interviews und Umfragen entwickelte europäische Arch-E-Map; eine Karte, die Informationen, Kontakte und darüber auch Best-Practice-Beispiele zusammenführt. Das praktische Handbuch ist abrufbar unter www.arch-e.eu.

Schweiz

Die Schweiz gilt als Land, dessen Wettbewerbssituation sich heute vergleichsweise günstig darstellt. Reto Gmür vom Bund Schweizer Architektinnen und Architekten erläuterte die aktuellen Entwicklungen beim Nachbarn, der (nebenbei) zu den Ländern gehört, in denen deutsche Architektinnen und Architekten sich, wenn auch in geringer Zahl, an Wettbewerben beteiligen (vgl. www.dabonline.de). Aktuell werden, so Gmür, in der Schweiz rund 250 öffentlich ausgeschriebene Architekturwettbewerbe (sowie Studienaufträge) im Jahr durchgeführt, wobei die Situationen durch große Unterschiede zwischen den einzelnen Kantonen gekennzeichnet ist. Auffallend ist auch die vergleichsweise hohe Zahl an offenen Wettbewerben (40 %). Neue Tendenzen des Vergabewesens betreffen den Versuch, vom reinen preislichen Wettbewerb wegzukommen. Eine Orientierung über die wichtigsten Schritte bei der Vergabe von Architektur- und Ingenieuraufträgen gibt ein neuer Wegweiser. Aber auch die Schweiz leidet, berichtete Reto Gmür, am zunehmenden Aufwand, der mit einer Wettbewerbsteilnahme verbunden ist. Besonders im Bereich Nachhaltigkeit (Haustechnik) werde eine Detailtiefe gefordert, die einen schwer zu tragenden Aufwand erfordert. 

Slowenien

Ein unbekanntes Terrain dürfte für die meisten die Situation in Slowenien sein, über die Dr. Špela Kryžanowski von der 2003 gegründeten und für das Wettbewerbswesen zuständigen Chamber of Architecture and Spatial Planning of Sloveni berichtete. Gut 1.000 Architekturbüros gibt es in dem Land, von denen knapp 89 Prozent Ein-Personen-Büros sind. Die Wettbewerbssituation, so Kryžanowski, zeichne sich durch einen hohen Prozentsatz an offenen Wettbewerben aus (90 %). Darüber hinaus regelt ein Public-Procurement-Act die verpflichtende Anwendung von Wettbewerben ab einer Obergrenze von 2,5 Mio. Euro. Es gibt Vorschriften über klein besetzte Jurys von sieben Personen; auf eine automatische Eliminierung von Büros, die sich nicht an den vorgegebenen Aufgabenstruktur halten, verzichtet man in Slowenien.

RPW: „Sonstige Zulassungsvoraussetzungen“

Derzeit finden im Vorfeld der nächsten Überarbeitung der „Regeln für Planungswettbewerbe“ (RPW; die letzte stammt von 2013) im Bundesbauministerium Fachgespräche statt. Daran beteiligt ist auch Edda Kurz, die Präsidentin der Architektenkammer Rheinland-Pfalz und Vorsitzende des BAK-Ausschusses Wettbewerb und Vergabe. Ihre und die Zielsetzung ihrer Kollegen und Kolleginnen ist es, Wettbewerbe attraktiver zu machen - bei Beibehaltung der Grundstruktur des bestehenden Regelwerks sowie bei unveränderten Grundprinzipien wie klarer Aufgabenstellung, Anonymität, Kompetenz des Preisgerichts und Auftragsversprechen. 

Möglichkeiten für mehr Attraktivität lägen vor allem in der Vereinfachung, wobei der entscheidende Punkt in den über die fachlichen Qualifikationen hinausreichenden „sonstigen Zulassungsvoraussetzungen“ (vgl. § 4, Abs. 1 RPW) gesehen werde, auf die man besser verzichten sollte - jedenfalls bei Bauaufgaben mittlerer Komplexität. Edda Kurz: „Ansonsten strangulieren wir uns zu Tode.“ Auch ein weiterer Vereinfachungsvorschlag, nämlich angesichts der großen Zahl an Teilnehmenden bei gleichwertigen Lösungen stärker das Losverfahren zum Einsatz zu bringen, ist in den Gesprächen derzeit in der Diskussion. Es sei einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. 

Ökonomische Vorteile durch Wettbewerbe?

Wie man Wettbewerbe Bauherren näherbringen kann, ist auch das Anliegen von Dr. Nikolaus Hellmayr, Wettbewerbsorganisator aus Graz und Berater der österreichischen „Kammer der Ziviltechniker:innen“. Hellmayr stellte eine selbst konzipierte, bislang noch unveröffentlichte Studie vor, die die wirtschaftlichen Vorteile von Wettbewerben für die Bauherrenschaft mit Zahlen zu belegen sucht. Abgesehen davon, dass sich Wettbewerbe maximal auf 4,4, Prozent der Baukosten belaufen, konnte durch eine vergleichende Analyse von 40 Wettbewerben (davon 28 in Deutschland) hinsichtlich der Kosten (BGF) gezeigt werden, dass in den meisten Fälle eine deutliche Kostenreduktion gegenüber einer Vergabe ohne Wettbewerb gegeben war. Zur Begründung: Erst Wettbewerbe ermöglichen den Überblick darüber, welche räumlichen und technischen Vorschläge welche ökonomischen Folgen haben, wobei der ökonomisch günstigere Vorschlag in der Regel auf ein „consistently implemented spatial and functional program“ zurückzuführen ist. (Vgl. ww.arch-e.eu). Entgegen den landläufigen Vorurteilen - besonders unter unerfahrenen Bauherren, so Hellmayr -  „sind Wettbewerbe kein Luxus.“

NRW: Positionen und Erfahrungen

Vielleicht können solche ökonomischen Argumente in der Praxis ein Umdenken gerade dort bewirken, wo auch andere Vergabeverfahren als die Wettbewerbe gang und gäbe sind. Zur Wettbewerbssituation in Nordrhein-Westfalen tauschten Heike Blohm-Schröder, Leiterin Geschäfts- und Zentralbereich Baumanagement und Justizvollzug des BLB NRW, und Dirk Baackmann, Stellvertretender Leiter des Stadtplanungsamtes Düsseldorf, ihre Erfahrungen aus. 

Grundsätzlich betrachtet der BLB Wettbewerbe als „strategisches Werkzeug“, so Heike Blohm-Schröder. Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes habe bei seinen mehr als 4.500 eigenen Gebäuden immer wieder Wettbewerbe durchgeführt und werde dies weiter tun. Angesichts nicht zuletzt auch der gesetzlichen Vorschrift zur Wirtschaftlichkeit bleibe diese Praxis jedoch auf Projekte „mit hoher gestalterischer und städtebaulicher Relevanz“ beschränkt.

Hier wünschte sich Harald Wennemar, Vorstandsmitglied der Architektenkammer NRW, eine deutliche Steigerung der ausgelobten Wettbewerbe. „Der BLB NRW muss hier mit gutem Beispiel vorangehen“, so Wennemar, der auch Vorsitzender des AKNW-Ausschusses Wettbewerb und Vergabe ist. 

Zahlen bundesweit rückläufig

Er verwies auf die aktuellen Zahlen von Wettbewerben in NRW, die (wie auch bundesweit) nicht eben ermutigend seien. Mit einem weiteren Rückgang in diesem Jahr werde man nach aktuellem Stand rechnen müssen (62 Wettbewerbe in NRW 2024). Natürlich sieht sich die Kammer hier in der Pflicht. Wennemar wies sowohl auf die bestehenden Initiativen hin – Durchführung von Landeswettbewerben mit dem NRW-Bauministerium, Verleihung des „Ausloberpreises“ der AKNW – als auch auf die regelmäßigen Beratungsangebote der Kammer und schließlich auch auf die Initiativen für Gesetzesnovellen in diesem Bereich. 

Dirk Baackmann aus Düsseldorf räumte ein, dass die Landeshauptstadt angesichts der zeitlich und personell oft anspruchsvollen Wettbewerbe gelegentlich auch andere Vergabe-Lösungen anwende, bei denen Faktoren wie Kontrolle und Sicherheit die wichtigsten Kriterien seien. Man verstehe sich als Moderator und habe etwa im Schulbau mit dem Immobilien-Projekt-Management ein Unternehmen als städtischer Tochter, das für den Neubau und die Sanierung zuständig sei. 

Dass sich daran eine lebhafte Diskussion anschloss, in der nicht nur erneut auf die Vorteile von Wettbewerben hingewiesen wurde, sondern auch das Pro und Contra einer stärkeren öffentlichen Partizipation zum Thema wurde, sprach für das hohe Maß an Engagement der Teilnehmer und Teilnehmerinnen. 

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